Als zum Ende des Jahres 2009 die ersten Schwierigkeiten Griechenlands mit den Kapitalmärkten sichtbar wurden, begannen manche Wirtschaftswissenschaftler von Marktanomalien zu sprechen. Wenig später im Frühjahr 2010 bekam Griechenland nicht einmal mehr für Zinsen in Höhe von 14% kurzfristige Kredite und wurde von der Europäischen Kommission sowie vom IWF nahezu gedrängt, eine Rettungsfazilität in Gestalt eines Kredits in Höhe von 127 Milliarden Euro zu akzeptieren.
[[image1]]Die Rede war damals auch bei der EZB von Marktstörungen. Sogar der überzeugte Marktwirtschaftler Otmar Issing sprach von Überreaktionen der Märkte.
Heute, 4 Jahre später, feiert Griechenland im wahrsten Sinne des Wortes seine erfolgreiche Rückkehr. Erfolgreich deshalb weil die Nachfrage der Anleger nach der fünfjährigen Staatsanleihe exorbitant hoch ausfiel und dementsprechend niedrige Zinsen gezahlt wurden.[1]
Obwohl Griechenland bei den unterschiedlichen Eurorettungsmechanismen für circa 2% Kredit erhält, legte der griechische Finanzminister Wert darauf, der Welt zu zeigen, dass Griechenland wieder kapitalmarktfähig sei. Und alle klatschen, so der IWF und natürlich auch der für Griechenland zuständige Abteilungsleiter und nicht zuletzt der Leiter des ESM Klaus Regling.
Sollten sich die Gegner der Eurorettung und Kläger gegen die Griechenlandhilfe letztendlich doch getäuscht haben? War es nicht summa summarum sehr viel besser, Griechenland auszulösen, um einen Kollateralschaden zu verhindern und dem Land die Möglichkeit der Gesundung zu geben, um nunmehr heute wieder an den Kapitalmarkt zurückzukehren?
Eine sachgemäße Beantwortung der Frage wird nicht darauf verzichten können, das Gesamtbild von Griechenland als Schuldner und Emittent zu vervollständigen. Noch vor kurzer Zeit hatten führende Ökonomen jedenfalls solche, die der EZB professionell nahe standen, wie der Präsident des DIW Fratzscher einen Schuldenschnitt für Griechenland gefordert mit dem Hinweis darauf, dass Griechenland nicht einmal die verbliebene Schuldenlast, geschweige denn die Gesamtschuldenlast samt Eurohilfskredite, auf Dauer werde tragen können. Gerade zu Anfang April hatte der IWF nach eingehenden Beratungen eine neue Hilfstranche an Krediten an Griechenland bewilligt und dem Land attestiert, dass es die damit verbundene Konditionalität erfüllt habe.
Vollständig veränderte Struktur des Marktes für Staatschulden der Eurozonenländer
Dass ein Land, welches einerseits noch Hilfskredite braucht und sogar durch befreundete Wissenschaftler die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts vortragen lässt, die Chuzpe hat, an den Kapitalmarkt zu gehen und zusammen mit den Banken 3 Milliarden Euro aufzubringen, scheint sich nicht zu reimen. Dass die Transaktion dennoch ein Erfolg wurde, hängt mit der seit 2010 vollständig veränderten Struktur des Marktes für Staatschulden der Eurozonenländer zusammen. Mit der Erklärung der EZB am 06.09.2012 (OMT-Programm) erteilte die Europäische Zentralbank eine Vollkaskoversicherung für jene Problemländer –darunter auch Griechenland- mittels derer diese Länder gewiss sein konnten, für den Fall einer marktbedingten Verschlechterung der Zinskonditionen in bestimmten Marktsegmenten auf die marktverfälschende Intervention durch unbeschränkten Anleihenkauf der EZB vor dem Markt geschützt zu werden. Mit dem ESM, der letztlich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.03.2014 sanktuarisiert worden ist, liegt nun auch das entsprechende Instrument vor, um auf Primärmärkten tätig zu werden, ohne notwendigerweise von den betroffenen Staaten eine formale Konditionalität zu erhalten. Ferner kann der ESM zur kurzfristigen Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden. Denn in absehbarer Zeit wird das Projekt der Bankenunion bestehend aus einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus Single Supervisory Mechanism und einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus Single Resolution Mechanism (der entsprechende Überbrückungsfinanzierungen für Banken vorsieht) Gesetzeskraft erlangt haben. Danach können Banken sicher sein, dass, solange sie die Refinanzierung des ESM mittragen und die Anleihen der Staaten mitzeichnen, sie von ihren staatlichen und halbstaatlichen Mitspielern stets rekapitalisert werden. Sie haben also durch das Instrument der Bankenunion und des ESM eine Ermutigung erhalten, alle risikoadversen Vorbehalte über Bord zu werfen und auch Staatsanleihen mit hohem Ausfallrisiko wie solche Griechenlands zu zeichnen.
Dies ist ein System von Wettbewerbsverfälschungen. Nur durch dieses System und die von ihm generierten Erwartungshaltungen der Marktteilnehmer (Banken) konnte es einem Land, das seine bisherige Bruttoschuld nicht in der Lage ist, selbstständig zu tragen, gelingen am Kapitalmarkt 3 Milliarden Euro zu platzieren. Die Frage ist daher nicht, ob dieses staatlich organisierte Ponzi game zusammenbrechen wird, sondern wann und unter welchen Umständen und mit welchen Kollateralschäden der Kollaps stattfinden wird. Eins ist heute schon sicher: Es wird für alle Betroffenen teuer. Wahrscheinlich leider nicht für jene Damen und Herren, die sich die teuflischen Euro-Rettungsinstrumente ausgedacht haben, um zeitweise die Märkte zu überlisten. Denn Märkte lassen sich nur vorübergehend täuschen.
[1] Nach Meldung von Reuters sind für die Anleihevolumina von 3 Milliarden Euro 550 Zeichnungsgebote in Höhe von 20 Milliarden Euro eingegangen. Der Zinscoupon betrage 4,75% und die Emissionsrendite liege bei 4,95%. Damit liege die Effektivrendite deutlich niedriger als sie im Vorfeld von Marktkreisen geschätzt wurde.