Diese EU-Infothek-Doku macht deutlich, dass der Kanzler selbst bei der Selektion engster Mitarbeiter des Ministerteams oft seinen Wunsch durchsetzen konnte.
Nicht bloß in den ministeriellen Chefbüros, auch in den Vorzimmern der Macht ist der Regierungswechsel vollzogen. Die 16 Hauptdarsteller von ÖVP und FPÖ haben ihre Mitarbeiter-Teams ausgewählt und sind nunmehr alles in allem von rund 250 Vertrauten umgeben, auf die allzeit Verlass sein muss. Ein Politiker kann letztlich nur so gut sein wie sein unmittelbares Umfeld. Und damit in seinem Haus auch das geschieht, was er möchte, braucht es viel Durchschlagskraft und klare hierarchische Spielregeln. Kanzler Sebastian Kurz, der als einziges Regierungsmitglied einschlägige Erfahrung vorweisen kann, hat am Ballhausplatz mit dem neu installierten Generalsekretär Dieter Kandlhofer, der bisher als Präsidialdirektor im Verfassungsgerichtshof werkte, eine Instanz geschaffen, die als Bindeglied zwischen Politik und Bürokratie dienen soll.
Im etwas umgestalteten Machtzentrum, dem wiederentdeckten Kanzlerzimmer, wo einst schon Bruno Kreisky residierte, kann Kurz auf 16 Kabinetts- plus sechs SekretariatsmitarbeiterInnen, also insgesamt auf 22 Menschen vertrauen, die seine engste Entourage bilden und ihm den täglichen Job erleichtern sollen: Unter seinem frisch ernannten Bürochef Bernd Brünner, den er vom Außenamt mit rüber genommen hat – dessen Vorgänger Christian Ebner ist Botschafter in Madrid geworden – , hat eine durchaus eingespielte Truppe aus Fachexperten, Presseleuten, Redenschreibern, Assistentinnen, Terminsekretärinnen und sonstigen Helferleins professionell zu funktionieren, wenn’s sein muss, sogar bis in die Nachtstunden. Die zentrale Rolle spielen dabei neben der persönlichen Assistentin Lisa Wieser die beiden Pressesprecher Etienne Berchtold und Johannes Frischmann sowie die langjährige Internet-Spezialistin Kristina Rausch, die Kurz unter der Oberaufsicht von Langzeit-Ratgeber Gerald Fleischmann medial zu vermarkten haben. Als fachliche Ratgeber stehen dem Kanzler langjährige Freunde zur Seite, etwa der studierte Philosoph Bernhard Bonelli, 34, oder der außenpolitisch versierte Botschafter Nikolaus Lutterotti, der aus Belgrad heimgeholt wurde.
Eine weitaus größere Helferschar als im Kanzleramt ist beispielsweise im neu aufgestellten Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus zu finden. Neo-Ministerin Elisabeth Köstinger kann dort auf die Dienste von nicht weniger als 28 Getreuen zurückgreifen, die sie sich selbst ausgesucht hat. Nur drei bisherige Kabinettsmitarbeiter durften bleiben, die restliche Truppe von Andrä Rupprechter musste sich vertschüssen, der lang amtierende Generalsekretär Reinhard Mang inklusive. Jetzt stützt sich Köstinger vor allem auf den neuen Generalsekretär Josef Plank, früher langjähriger Agrar-Landesrat in Niederösterreich, auf den neuen Kabinettschef Gernot Maier, der bis dato Direktor für Politik und Strategie in der Bundes-ÖVP war, sowie eine total neue Presse-Crew, bestehend aus dem Vizebürgermeister von Altlengbach, Daniel Kosak, 45, den sie vom Gemeindebund holte, und drei jungen Kollegen.
Motto: Sein Wille geschehe
Die am Ballhausplatz und in acht Ministerien tonangebenden neun ÖVP-Repräsentanten in der Bundesregierung werden von insgesamt 150 Mitarbeitern unterstützt, im Durchschnitt also wie der neue Oberreformer Josef Moser von 17. Mit weniger Manpower finden derzeit beispielsweise Gernot Blümel (14), die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (12), sowie Frauen/Familien/Jugend-Ministerin Juliane Bogner-Strauß (11) das Auslangen. Beachtlich ist, dass auch Bildungsminister Heinz Faßmann für seine fast 600 Mitarbeiter zählende Dienststelle aus heutiger Sicht bloß ein 13-köpfiges Kabinett zur Verfügung steht; Immerhin handelt es sich um jenes Ministerium, das alles in allem für die meisten Bundesbediensteten zuständig ist, nämlich für rund 45.000 – das sind so viele Menschen, wie die Voestalpine beschäftigt.
Zum Vergleich: Das auf blau umgefärbte Innenministerium, wo sich nunmehr Herbert Kickl als Bundesminister versucht, hat gleich fast 3.800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ist für 34.000 Bundesbedienstete – also im Wesentlichen: den Polizei-Apparat – verantwortlich. Dies entspricht in etwa dem Personalstand der Salzburger Porsche-Holding. Der neue Verteidigungsminister Mario Kunasek wiederum, dem im engeren Sinn 830 Mitarbeiter unterstehen, ist alles in allem Boss von mehr als 20.000 Bundesheeren – eine Größenordnung, in der sich z.B. XXXLutz befindet. Die beiden FP-Minister, die sich an die neue Rolle erst gewöhnen müssen, schwören fast durchwegs auf neu bestellte Generalsekretäre, finden aber zurzeit mit einem eher schwach besetzten Kabinett das Auslangen. Vizekanzler Strache und Infrastrukturminister Norbert Hofer dagegen haben sich die Unterstützung von 20 bzw. 22 persönlichen Mitarbeitern gesichert, unter denen sich auffallend viele Burschenschafter befinden (⇒ siehe Peter Muzik: „Die blauen Einflüsterer von Strache & Co.„, EU-Infothek, 24.01.2018).
Noch etwas personalintensiver legt es, abgesehen von Köstinger, der neue Finanzminister Hartwig Löger an, bei dem gleich 24 enge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Payroll stehen. Sie tragen so schöne Titel wie Generalsekretär, Kommissar, Kontrollor, Oberkontrollor, Fachinspektor, Fachoberinspektor, Oberamtsassistent oder Amtsassistent und sie waren, so wie Thomas Schmid, der gleichzeitig als Generalsekretär und Kabinettsleiter fungiert, teilweise schon unter Hans-Jörg Schelling im Einsatz. Wirklich neu ist Pressesprecher Jim Lefebre, der bislang Wolfgang Brandstetters Sprachrohr gewesen ist. Hubert Fuchs, blauer Staatssekretär im Finanzministerium, fällt mit vorerst nur vier Mitarbeitern nicht ins Gewicht.
Diese Personalrochade war freilich nicht die Einzige: Im Bildungsministerium wurde Jakob Calice Generalsekretär; ein Job, den er bisher im Wirtschafts- und Wissenschaftsressort innehatte.
Der bisherige, von SP-Ministerin Sonja Hammerschmid bestellte Generalsekretär, Sektionschef Andreas Thaler, wurde somit, vermutlich aufgrund der falschen Parteifärbung, blitzschnell abmontiert. Im Schramböck-Ministerium wiederum übernahm Michael Esterl die Rolle des Kabinettschefs, die er zuvor im Landwirtschaftsressort ausüben durfte. Hingegen blieb der erst 29-jährige Clemens-Wolfgang Niedrist wie gehabt Kabinettschef im früheren Justizressort, das nunmehr bekanntlich „Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz“ heißt. Der studierte Jurist, der auch Obmann der Jungen Volkspartei in Wien-Leopoldstadt und damit automatisch ein Kurz-Intimus ist, führt freilich eine ziemlich veränderte Mannschaft an. Nur ein Beispiel: Josef Mosers neue Pressesprecherin Alexandra Geyer, früher bereits für Irmgard Griss und für die Agentur des VdB-Wahlkampfmanagers Lothar Lockl tätig, hatte zuletzt in der ÖVP-Zentrale gewerkt.
Auch wenn die türkise Besetzungsliste wie eine Ansammlung von Zufälligkeiten wirken mag, darf vermutet werden, dass System dahintersteckt. Anders formuliert: Gewiss war die Hand des Parteichefs mit im Spiel. Kanzler Kurz hat sich, wie aus gut informierten Kreisen verlautet, in den Selektionsprozess auf Kabinettsebene durchaus eingebracht, wohl wissend, dass die Führungskräfte und Presseleute in den Vorzimmern der Macht erstens professionell sein und zweitens ganz auf seiner Linie liegen müssen. Das bedeutet, dass der Kanzler zum Beispiel mit dem neuen Kabinettschef im Bildungsministerium, Markus Benesch, bestens vertraut ist; kein Wunder, weil dieser bis vor Kurzem seiner eigenen Crew angehört hatte; die aus dem Wiener Rathaus mitgenommene Blümel-Sprecherin Iris Müller-Guttenbrunn, die aus der VP-Zentrale kommende neue Presselady von Margarete Schramböck, Kathrin Schriefer, oder die neue rechte Hand von „Elli“ Köstinger, Gernot Maier, sind Kurz (wie viele andere) bestens bekannt. Nur dank der persönlichen Freunde und Vertrauensleute in sämtlichen VP-Ministerien kann der Kanzler die Gewissheit haben, dass dort möglichst reibungs- und komplikationslos sein Wille geschehe.
„System Kurz“: Ein cleverer Mix
Wenn man genau hinschaut, dann entdeckt man sie rasch, die jungen Damen und Herren der sogenannten „Kurz-Partie“: Markus Patscheider vom Kanzler-Kabinett zum Beispiel sitzt als „internationaler Sekretär“ der Jungen ÖVP auch in deren Bundesleitung; Melanie Elisabeth Laure, Referentin von Finanzminister Löger, fungiert nebenbei als Bundesvorstandsmitglied der Jungen ÖVP und im hoffentlich nachhaltigen Köstinger-Kabinett wurde mit Andreas Lederer ein ehemaliger Kurz-Mitarbeiter aus dem Außenministerium installiert. Die jungen Wilden dieses Zuschnitts sind freilich nicht durchwegs „Frischg’fangte“, die von Politik keinen Tau haben und erst bei Null anfangen müssen. Und cleverer Weise wurden sie, weil es ja immer auf die optimale Mischung ankommt, mit etlichen Vollprofis zusammen gespannt, die eine Menge Erfahrung in heiklen Missionen mitbringen. In diese Kategorie fallen etwa Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal, die Sektionschefin im Frauenressort, Bernadett Humer oder Blümels Kabinettschef, Ministerialrat Albert Posch, der schon in drei Ministerien diente, sodass ihm niemand mehr etwas vormachen kann.
Wir fassen zusammen: Sebastian Kurz hat es, taktisch clever wie gewohnt, verstanden, ein Netzwerk an Vertrauten in den türkis-geführten Ministerien zu etablieren, das wohl auf Knopfdruck formuliert. Es wird zwar da oder dort mangels vorhandener Routine noch eine Einarbeitungsphase bedürfen – auch Minister wie Heinz Faßmann müssen sich bei öffentlichen Auftritten sichtlich erst an die neue Rolle gewöhnen – , aber die Mitarbeiter-Crews der ÖVP-Regierungsmitglieder machen alles in allem einen professionelleren Eindruck als jene der freiheitlichen Ministerinnen und Minister, die stark auf Burschenschafter setzen. Und dass diese häufig unangenehm aufzufallen pflegen, hat zuletzt der niederösterreichische FP-Spitzenkandidat Udo Landbauer bewiesen.
⇒ Peter Muzik: „Die blauen Einflüsterer von Strache & Co.„, EU-Infothek, 24.01.2018
DAS KURZ-NETZWERK
Mit Hilfe von rund 50 engen Vertrauten versucht der Kanzler die Republik voll im Griff zu haben. Wer gehört zu diesem System?
REGIERUNG
Minister/innen + Staatssekretärin
Hartwig Löger, BM Finanzen
Josef Moser, BM Verfassung/Reformen/Deregulierung/Justiz
Heinz Faßmann, BM Bildung/Wissenschaft/Forschung
Elisabeth Köstinger, BM Nachhaltigkeit/Tourismus
Gernot Blümel, BM Europa/Kultur/Medien
Margarete Schramböck, BM Digitalisierung/Wirtschaftsstandort
Juliane Bogner-Strauß, BM Frauen/Familien/Jugend
Karoline Edtstadler, Staatssekretärin im BM Inneres
Generalsekretäre
Dieter Kandlhofer, Kanzleramt
Thomas Schmid, BM Finanzen
Jakob Calice, BM Bildung/Wissenschaft/Forschung
Josef Plank, BM Nachhaltigkeit/Tourismus
Michael Linhart, BM Europa/Integration/Äußeres
Kabinettschefs
Bernd Brünner, Kanzleramt
Thomas Schmid, BM Finanzen
Markus Benesch, BM Bildung/Wissenschaft/Forschung
Clemens-Wolfgang Niedrist, BM Verfassung/Reformen/Deregulierung/ Justiz
Michael Esterl, BM Digitalisierung/Wirtschaftsstandort
Gernot Maier, BM Nachhaltigkeit/Tourismus
Albert Posch, BM EU/Kultur/Medien
Bernadett Humer, BM Frauen/Familien/Jugend
Andreas Achatz, BM Inneres (Staatssekretärin)
Presseleute
Gerald Fleischmann, Kanzleramt
Etienne Berchtold, Kanzleramt
Johannes Frischmann, Kanzleramt
Jim Lefebre, BM Finanzen
Annette Weber, BM Bildung/Wissenschaft/Forschung
Alexandra Geyer, BM Verfassung/Reformen/Deregulierung/Justiz
Felix Lamezan-Salins, BM Deregulierung/Wirtschaftsstandort
Daniel Kosak, BM Nachhaltigkeit/Tourismus
Iris Müller-Guttenbrunn, BM EU/Kultur/Medien
Herbert Rupp, BM Frauen/Familien/Jugend
Markus Haindl, BM Inneres (Staatssekretärin)
ÖVP-BUNDESPARTEI
Karl Nehammer, Generalsekretär
Axel Melchior, Bundesgeschäftsführer
PARLAMENT
Wolfgang Sobotka, Präsident
August Wöginger, Klubobmann
BÜNDE-OBMÄNNER
Stefan Schnöll, Junge ÖVP
August Wöginger, ÖAAB
Harald Mahrer, Wirtschaftsbund
Georg Strasser, Bauernbund
LANDESHAUPTLEUTE
Johanna Mikl-Leitner, NÖ
Thomas Stelzer, OÖ
Hermann Schützenhöfer, Steiermark
Wilfried Haslauer, Salzburg
Günther Platter, Tirol
Markus Wallner, Vorarlberg
POLITISCHE AKADEMIE
Dietmar Halper, Direktor