Schuld sind die Amis. Sie haben Europa gezielt in die Krise geritten, um einen lästigen Rivalen zu schwächen. So lautet eine der Kernthesen eines Mannes, der im Moment in aller Munde ist und in zahlreichen Medien für Gesprächsstoff sorgt: Er heißt Dirk Müller, war ein gar nicht einmal so erfolgloser Börsenmakler, hat sich sogar zum „Mister Dax“ hochstilisiert und betreibt nunmehr mit seiner Finanzethos GmbH die Internet-Seite cashkurs.com. Der 45jährige Deutsche rechnet in seinem kürzlich erschienenen Buch „Showdown: Der Kampf um Europa und unser Geld“ schonungslos mit den USA ab.
[[image1]]Was High Noon im Wilden Westen bedeutet, das spiele sich laut Müller seit Jahren in einer weltweiten Dimension ab: Die Vereinigten Staaten üben seit 2007, just als sich der Euro anschickte, den Dollar als Weltwährung abzulösen, auf subtile, aber nichtsdestotrotz aggressive Weise Einfluss auf den Alten Kontinent aus. Die Angst vor dem Aufstieg des Euro und das Faktum, dass die EZB dabei war, sich zu einem internationalen Machtfaktor zu etablieren, hätten die Amerikaner bewogen, eine raffinierte Gegenstrategie einzuschlagen. Wall Street, die ohnedies angeschlagenen US-Banken und die berühmten Ratingagenturen waren fest entschlossen, dieser Gefahr zu begegnen. Die Ratings europäischer Länder wurden zur allgemeinen Überraschung beinahe stakkatoartig herabgestuft – der Weltmacht Nummer eins hingegen, die vor dem großen Breakdown stand, weil die Schuldenlimits überschritten waren, wurde weiterhin beste Bonität bescheinigt.
Die große Krise in Griechenland und später jene in Zypern seien, so Müller, nur zum Teil hausgemacht, letztlich aber von außen inszeniert worden, von wem wohl? In Wahrheit wäre damit der Kampf um die riesigen Erdgas- und Ölreserven im Mittelmeer eröffnet. Diese könnten die künftige Versorgung von ganz Europa auf neue Beine stellen, will heißen: die derzeitige Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland massiv reduzieren. Die USA, die davon leben, dass die meisten Rohstoffe auf dem Weltmarkt ausschließlich gegen Dollar gehandelt werden, hätten damit eigene Interessen verfolgt, die dank der wirtschaftlichen Misere, aber auch der angepeilten politischen Instabilität umso leichter durchsetzbar wären. Ein weiterer Aspekt war nicht zu übersehen: Die merkwürdige Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Krisenbekämpfung deute schon lange darauf hin, dass die Amerikaner nicht nur diesen beherrschen, sondern ganz Europa sozusagen in Geiselhaft nehmen wollen.
Sieger oder Verlierer?
Erst vor wenigen Tagen sind die latenten Spannungen innerhalb der Trioka – EU, EZB und IWF – massiv publik geworden. Der Währungs-fonds, wiewohl von der Französin Christine Lagarde geführt, mache als US-dominiertes Gremium den EU-Stabilitätspakt „lächerlich“, wie Klaus Regling, Boss des Krisenfonds ESM formuliert hat, und sei folglich nicht berechtigt, bei der europäschen Krisenpolitik mitzumischen. Er habe die Wirtschaftspolitik der EU „amerikanisiert“ (Regling) und verhalte sich mit seiner permanenten Kritik an notwendigen Sparprogrammen in Europa „kontraproduktiv“. Das muss Wasser auf den Mühlen von Dirk Müller sein, der es mit seinen TV-Auftritten, Zeitungsinterviews und Vorträgen geschickt verstanden hat, sich als Kassandra zu profilieren. Seine verständliche Sprache und eine beachtliche Überzeugungskraft kommen in Deutschland bei immer mehr EU-Skeptikern bestens an – obzwar er niemals besonders in die Tiefe des Themas eindringt, wie ein Schwimmer, der den Kopf stets über Wasser hält.
Der rhetorisch ziemlich begabte Herr Müller zeigt als deklarierter Euro-Gegner in seinem Buch freilich keine Hemmungen vor Widersprüchlichkeiten: So etwa vertritt er die – angesichts der vielen Skeptiker, die für das Ende der Währungsunion plädieren – durchaus populistische Ansicht, dass der Euro nicht funktionieren könne und damit ausgedient habe. Es handle sich nämlich um einen „Spaltpilz“, viel zu stark für die krisengebeutelten EU-Länder im Süden, zugleich viel zu schwach für das starke Deutschland. Der Ausweg aus diesem Desaster, zugleich auch die Garantie, dass „Europa nicht an die Wand gefahren wird“, wäre für den passionierten Prediger simpel: die Rückkehr zu den nationalen Währungen von früher – gepaart allerdings mit dem Erhalt der gemeinsamen Währung als übergeordnetes Zahlungsmittel, wie es einst der Ecu gewesen ist.
Fazit: Wenn Müller schon die Auffassung vertritt, dass Europa nicht mehr Ernst genommen wird bzw. keine Rolle mehr spielt im Kampf der Giganten, der da lautet: USA gegen China, dann müsste ihm eigentlich klar sein, dass die Union in diesem weltweiten Währungs- und Ressourcenkrieg ohne gemeinsamen Euro absolut keine Chance hätte. Selbst ein florierendes Deutschland mit seiner Mark würde bloß hoffnungsloser Statist sein, sofern andere EU-Länder darben. Das heißt: Der Erhalt des Euro wird langfristig darüber entscheiden, ob Europa als Wirtschaftsmacht zu den Siegern oder zu den Loosern zählt …