Nach dem Verwirrspiel vom Mittwoch zeichnen sich nun in Luxemburg Neuwahlen im Oktober ab. Ministerpräsident Jean-Claude Juncker will mit seiner Regierung bis dahin im Amt bleiben.
[[image1]]Am Mittwoch hatte Juncker im Parlament jegliche persönliche Verantwortung für die Geheimdienstaffäre in seiner Amtszeit abgelehnt. Er kündigte zunächst nicht an zurückzutreten, wie das weithin erwartet worden war. Erst am Abend gab er bekannt, dass er den Weg für Neuwahlen im Großherzogtum freimachen will. Junckers sozialdemokratischer Koalitionspartner LSAP hatte ihm die Unterstützung entzogen. Trotzdem wollen die beiden Parteien bis zu den Wahlen weiter regieren.
Juncker sind die Strapazen deutlich anzusehen
Juncker waren in der Debatte am Mittwoch Stress und Anspannung deutlich anzumerken. Die vergangenen Monate haben an dem 58jährigen gezehrt. Seit einem halben Jahr bringt ein Untersuchungsausschuss des luxemburgischen Parlaments immer neue Missstände im heimischen Geheimdienst ans Licht. Die wachsende Belastung in der Heimat war auch einer der Gründe, warum Juncker das Amt als Eurogruppen-Präsident Anfang des Jahres aufgab.
Das Verhältnis der Luxemburger zu ihrem Regierungschef scheint indes widersprüchlich. Obwohl die Menschen ihn für den Geheimdienstskandal verantwortlich machen, können sich viele vorstellen, Juncker wieder ins Amt zu wählen. Dies hat auch damit zu tun, dass es keinen profilierten Nachfolger für den Christdemokraten gibt, der seit 18 Jahren die Geschicke Luxemburgs leitet und seit 30 Jahren der Regierung angehört.
Kein Kronprinz in Sicht
Finanzminister Luc Frieden galt lange als Kronprinz, ist aber selbst in eine Affäre verwickelt, weil er ein Gesetz gegen Strafvereitlung im Amt blockieren wollte. Luxemburgs EU-Kommissarin Viviane Reding fühlt sich in Brüssel wohl und spekuliert auf einen Anschlussjob in Brüssel, wenn das Mandat der Kommission ausläuft.
Die Sozialdemokraten haben sich noch nicht auf einen Spitzenkandidat geeinigt. Außenminister Jean Asselborn hat sich bisher aus der Geheimdienstaffäre herausgehalten und auf das Internationale spezialisiert.
Lange war das auch Junckers Strategie, im Rückblick wahrscheinlich zu lange. Als Chef der Eurogruppe inszenierte sich Juncker als unermüdlicher Retter der Eurozone. Dabei kam ihm sein Kommunikationstalent zupass und sein schneller Verstand. Insider in Brüssel bestätigen ihm, dass er seinem Nachfolger Jeroen Dijsselbloem intellektuell überlegen ist. Juncker, der den Euro selbst mit begründet hat, wirkte in den vergangenen Jahren allerdings immer wieder genervt von seiner europäischen Aufgabe und verwirrte die Märkte mit kryptischen Aussagen. In den vergangenen Monaten hat er sich in seiner Partei isoliert, heißt es in Luxemburg, hat kaum noch Vertraute.
Ein Land im Umbruch
Die Luxemburger Zeitung „Wort“ schrieb gestern in einem Leitartikel schon von einem Land „im Umbruch“. Noch ist nicht klar, ob mit den Wahlen im Herbst tatsächlich die Ära Juncker zu Ende geht. Eine neue Zeit könnte insofern anbrechen, als dass der alte Regierungsstil Junckers passé sein wird. Juncker kokettierte früher gerne damit, dass er Luxemburg an einem Tag in der Woche regierte. Der nächste Regierungschef wird sich intensiv mit Luxemburgs Wirtschaft beschäftigen müssen, denn die ist kein Selbstläufer mehr.
Luxemburg lebte lange sehr gut von den Banken, doch das könnte sich ändern, denn die EU dringt immer mehr auf eine Angleichung der Finanzregulierung in den Mitgliedsstaaten. Sonderregelungen beim Bankgeheimnis wird es nicht mehr lange geben.
Juncker gelang es außerdem, Unternehmen mit attraktiven Steuersätzen ins Land zu locken. Diese Praxis stösst in der EU vermehrt auf Kritik und könnte sich Auslaufmodell erweisen.
In ihrer Frühjahrsprognose wies die EU-Kommission darauf hin, dass Luxemburgs Wachstumsaussichten leiden könnten, wenn es dem Land nicht gelingt, Industrie im Land zu halten. 2012 brach die Industrieproduktion um fünf Prozent ein und lag somit um zehn Prozent unter ihrem langfristigen Mittelwert, was mit der Schließung von Stahlwerken zu tun hatte.
Mehr Arbeitslose
Die Arbeitslosenquote liegt in Luxemburg im europäischen Vergleich mit 5,1 Prozent (Stand 2012) immer noch sehr niedrig. Allerdings zeigt die Tendenz deutlich nach oben. Für dieses Jahr erwartet die EU-Kommission einen Anstieg auf 5,5 Prozent für das kommende auf 5,8 Prozent.
Luxemburg wird sich in Zukunft von den Problemen rundherum nicht mehr abschotten können.