Mittwoch, 13. November 2024
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Es geht um einen „gesellschaftlichen Klimawandel“

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

Die Migrationswelle hat das Bild der Gesellschaft in Österreich und Europa verändert und führt zu einer Vielzahl von Problemen, die die politische Landschaft kennzeichnen.

Wenn am Mittwoch und Donnerstag Salzburg zum Nabel der EU-Politik wird – die 28 Regierungschefs treffen zum informellen Gipfel zusammen, um den Status quo beim Brexit zu beraten und einen Durchbruch in der Migrationspolitik zu erzielen – lohnt es sich, auch einen Blick in das den EU-Vorsitz führende Land zu werfen. Frei nach dem Motto: „Ins Land hineinhören, um zu wissen was gespielt wird“. Eine aktuelle Meinungsumfrage und der Integrationsbericht geben da ein Bild dessen wieder, was die Stimmungslage in Österreich betrifft. Und diese ist durchaus kongruent mit der Situation in vielen europäischen Ländern.

Bekenntnis zur Zusammenarbeit

Wenig Aufmerksamkeit erhielt dieser Tage eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Dabei gibt sie einen interessanten Eindruck dessen wieder, was in der Europapolitik gefragt wäre. So halten es insgesamt sieben von zehn Befragten, also 70 Prozent, für eine „sehr gute“ beziehungsweise „eher gute“ Option, wenn die Mitgliedstaaten der EU ihre Zusammenarbeit in allen Politikbereichen vertiefen. Allerdings will man von der EU auch eine gewisse Selbstbeschränkung. Wünschen sich doch gleich 80 Prozent, oder anders ausgedrückt acht von zehn Befragten, dass sich die EU auf ausgewählte Politikbereiche konzentrieren und andere Bereiche den Mitgliedstaaten überlassen möge. Ein deutliches Plädoyer für mehr Subsidiarität.

Verlangen nach Subsidiarität

Ebenso deutlich fällt das Votum aber aus, wenn man nach den Prioritäten frägt. Für neun von zehn Befragten stehen nämlich Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration in der EU an oberster Stelle. 57 Prozent sprechen sich dafür aus, dass es in der Europäischen Union künftig ein einheitliches europäisches Asylsystem geben sollte. Eine klare Aufforderung, die sich an die EU-Kommission, das EU-Parlament und an die 28 Staats- und Regierungschefs richtet.

Spitzenwert bei Asylanträgen

Dazu passt auch gleich der jüngste Integrationsbericht, der in Zahlen belegt, dass sich Österreich vor allem von den so genannten NGO’s nicht gefallen lassen muss, für eine inhumane Politik an den Pranger gestellt zu werden. Trotz verschärfter Asylbedingungen liegt die Alpenrepublik mit 2,8 Asylanträgen je 1.000 Einwohner proportional zu seiner Bevölkerung neuerlich im europäischen Spitzenfeld, nämlich an 5. Stelle.

Zwei Drittel jünger als 35

Es sind übrigens vor allem junge Menschen, die auf den Weg nach Europa geschickt werden. Was für die These spricht, dass in vielen Familien von Afghanistan bis Syrien es geradezu zu einem System geworden ist, ein Familienmitglied auszuwählen und auf die Reise nach Europa zu schicken, um hier Geld zu verdienen und auf Umwegen die Daheimgebliebenen zu unterstützen. Knapp jeder zweite Asylwerber in Österreich war 2017 unter 18 Jahre alt, 85 Prozent aller Asylwerber waren jünger als 35 Jahre und zwei Drittel davon männlich.

Ein Sechstel sind Zuwanderer

Die meisten der Asylanten bleiben freilich unter sich. Beziehungen mit Einheimischen sind allein schon aufgrund des unterschiedlichen Gesellschafts- und Kulturverständnisses die mehr als seltene Ausnahme. Daher werden Anträge auf den Nachzug von Familienangehörigen gestellt. Kein Wunder, dass sich das Bild der Gesellschaft geändert hat, ist doch der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung in den letzten Jahren stark gewachsen. Betrug dieser im Jahre 2008 noch erst 10 Prozent so ist er bis 2018 auf 15,8 Prozent angewachsen. Eine Entwicklung, die sich an den Straßenbildern in den großen und größeren Städten ablesen lässt.

Integration dauert immer länger

Integration ist mittlerweile ein Prozess, der nicht von einer Generation auf die nächste erfolgt. Heute rechnet man erst in der dritten und vierten Generation damit, dass man sich der neuen Heimat vollends angepasst und der alten Wurzeln entledigt hat. Was auch damit zusammenhängt, dass die Migranten ihre so genannte Medienwelt dank Mobiltelefon, Internet und Fernsehen von daheim mitbringen und so auch hier in einer Umgebung aufwachsen, die weiterhin von ihrem Gesellschafts-, Kultur- und Politikverständnis geprägt wird. Es dauert heute viel länger als noch zur so genannten Gastarbeiter-Zeit vor 50 Jahren, dass sich die Zugewanderten in Österreich zuhause fühlen. Und so nebenbei, die Türken benötigen doppelt so lange als die Bürger aus anderen Staaten außerhalb Europas.

Die Schule als Krisenfall

Wie berechtigt die schon lange bekannten Klagen von Lehrkräften über den schwierigen Umgang mit Migrantenkindern waren und noch immer sind, lässt sich nun an den Zahlen ermessen. So waren im Schuljahr 2016/17 ca. 15 Prozent der rund 1,1 Millionen Schüler und Schülerinnen ausländische Staatsangehörige. 25 Prozent hatten eine andere Muttersprache als Deutsch, in Wien sogar 51 Prozent. Der Bildungsstandard dieser Kinder lässt nachweislich zu wünschen übrig. Schüler mit Migrationshintergrund blieben 2017 zum Beispiel gleich zu 65 Prozent in Mathematik unter dem Bildungsniveau der Schüler ohne Migrationshintergrund. Mit dem Effekt, dass die Schulabgänger sich viel schwieriger mit dem Einstieg in das Berufsleben tun, besser qualifizierte Berufe ihnen weitaus weniger offen stehen, die Arbeitslosenrate bei den Migranten deutlich höher als bei den Einheimischen liegt.

Angst vor Verlust der Identität

Die Abwehrhaltung in der Öffentlichkeit gegenüber einem ungehemmten Flüchtlingszuwachs zeigt sich noch an einem anderen, interessanten Aspekt. In Österreich hat sich vor allem seit dem Abschluss des Staatsvertrages ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein entwickelt. Seit etwa zehn Jahren registriert die Meinungsforschung auch dazu parallel das Entstehen eines Europabewusstseins. Bei der mittleren und älteren Generation ist dies ein noch etwas langsamer aber trotzdem fortschreitender Prozess. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Jugendlichen, wo sich bereits drei Viertel als EU-Bürgerin bzw. EU-Bürger fühlen. Über alle Altersklassen hinweg hat sich aber eine Stimmung und Strömung breit gemacht, die sich in der politischen Landschaft wiederspiegelt. Ausschlaggebend ist die Sorge, dass es durch die Zuwanderungen aus fremden Kontinenten, Kulturen und Religionen zu einem Verlust der erreichten Identität, des geschätzten Standards und so letztlich zu einem so genannten gesellschaftlichen Klimawandel kommt. Und dagegen wird remonstriert.

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