Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, der den Verwaltungsaufwand für Bürger und Unternehmen drastisch reduzieren soll. So sollen die bürokratischen Hindernisse beseitigt werden, denen sich Bürger derzeit gegenübersehen, wenn sie öffentliche Urkunden wie ihre Geburtsurkunde in einem anderen Mitgliedstaat der EU als echt anerkennen lassen wollen.
[[image1]]Bürger, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, müssen zurzeit viel Zeit und Geld darauf verwenden, die Echtheit ihrer vom Herkunftsmitgliedstaat ausgestellten öffentlichen Urkunden, zum Beispiel der Geburts- oder Heiratsurkunden, nachzuweisen. Dazu dient unter anderem die sogenannte Apostille, die Behörden in anderen Staaten als Beleg für die Echtheit öffentlicher Urkunden oder der Unterschriften nationaler Beamter auf Urkunden verwenden. Betroffen sind hiervon auch Unternehmen, die innerhalb des EU-Binnenmarkts grenzüberschreitend tätig werden. Sie müssen häufig eine Reihe beglaubigter öffentlicher Urkunden vorlegen, um bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit ihre Rechtsform nachzuweisen. Diese Anforderungen gehen auf eine Zeit zurück, in der Länder nur öffentlichen Urkunden vertrauten, die vom Außenministerium eines anderen Landes ausgestellt worden waren. Genauso wie wir Gerichtsurteilen Vertrauen schenken, die in anderen Mitgliedstaaten ergangen sind, sollten wir aber auch den von ihren Standesämtern ausgestellten Geburtsurkunden vertrauen können, ohne dass das jeweilige Außen- oder Justizministerium oder andere Behörden dafür bürgen müssen. Daher schlägt die Europäische Kommission heute vor, den Apostille-Stempel und weitere veraltete Verwaltungsvorschriften für die Beglaubigung öffentlicher Urkunden von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat leben und arbeiten, abzuschaffen.
Großer Aufwand – unverständliche Anforderungen
„Bei einem Grenzübertritt müssen Sie auch nicht jedes Mal vom Außenministerium Ihres Landes bestätigen lassen, dass Ihr Reisepass tatsächlich ein Reisepass ist – warum also sollten Sie dies bei einer Geburtsurkunde tun müssen?“, fragt Viviane Reding, die für Justiz zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission. „Die teuren Formalitäten, die jemand, der ins Ausland zieht, erledigen muss, um nachzuweisen, dass es sich bei seiner Geburtsurkunde tatsächlich um eine Geburtsurkunde handelt, oder einfach nur um ein Unternehmenszertifikat verwenden zu können, verursachen bürokratische Kopfschmerzen. Unzählige Male habe ich gehört, mit welch großem Aufwand es verbunden ist, diese unverständlichen Anforderungen zu erfüllen. Mit dem heute angenommenen Vorschlag will die Kommission Bürgern und Unternehmen die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit in der EU erleichtern.“
Diesem Vorschlag zufolge müssten Bürger und Unternehmen keine teuren „legalisierten“ Fassungen oder „beglaubigten“ Übersetzungen amtlicher Urkunden mehr vorlegen, wenn sie beispielsweise ein Haus oder ein Unternehmen eintragen lassen, eine Ehe schließen oder eine Aufenthaltskarte beantragen wollen. Zwölf Arten öffentlicher Urkunden wären künftig automatisch von Förmlichkeiten wie der Apostille und der Legalisation befreit, die derzeit für ca. 1,4 Millionen Urkunden in der EU jährlich verlangt werden. Von dem Zeitgewinn und den vermiedenen Unannehmlichkeiten einmal abgesehen können die Bürger und Unternehmen in der EU aufgrund des Wegfalls dieser Anforderungen bis zu 330 Millionen Euro einsparen.
Nicht auswirken werden sich die neuen Vorschriften allerdings auf die Anerkennung des Inhalts oder der Rechtswirkungen der betreffenden Urkunden. Sie werden lediglich dazu beitragen, die Echtheit einer öffentlichen Urkunde nachzuweisen, beispielsweise die Echtheit einer Unterschrift und die Eigenschaft, in der der Amtsträger unterzeichnet hat. Die Mitgliedstaaten werden die Echtheit einer Urkunde ohne weitere Beglaubigungserfordernisse anerkennen müssen.
Mehrsprachige Formulare in allen EU-Amtssprachen
Außerdem schlägt die Kommission ein weiteres Vereinfachungsinstrument vor: mehrsprachige Formulare in allen EU-Amtssprachen, die Bürger und Unternehmen anstelle nationaler öffentlicher Urkunden zu Geburt, Tod, Eheschließung, eingetragener Partnerschaft sowie Rechtsform und Vertretung einer Gesellschaft oder eines sonstigen Unternehmens unter denselben Bedingungen wie nationale Urkunden beantragen können (Beispiele enthält der Anhang). Damit könnten insbesondere Übersetzungskosten eingespart werden, denn diese Option bietet den Vorteil, dass sich die Bürger und Unternehmen nicht mehr um eine Übersetzung kümmern müssen. Diese Formulare wurden nach dem Vorbild der Formulare einschlägiger internationaler Übereinkommen gestaltet.
Der Vorschlag sieht ferner Maßnahmen zur Unterbindung von Betrug vor. Hegt eine nationale Behörde berechtigte Zweifel an einer bestimmten Urkunde, können die Mitgliedstaaten ihre Echtheit zusammen mit den ausstellenden Behörden mithilfe des bestehenden Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) überprüfen.
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