„Wer Sorgen hat, hat auch Likör“. Wilhelm Busch irrte. Jedenfalls bremst die Krise in Europas Süden das Wachstum der führenden Spirituosenkonzerne. Die setzen daher verstärkt auf Schwellenländer. Besonders tief ins Glas geschaut wird offenbar in den USA und Russland.
[[image1]]Wirtschaftsnachrichten aus Frankreich waren in den vergangenen Wochen und Monaten alles andere als prickelnd. Aber mitunter lassen auch kleinere Erfolgsmeldungen aufhorchen. Die französische Champagner-Branche zum Beispiel hat allen Grund, auf das Ergebnis langwieriger Verhandlungen mit den chinesischen Behörden anzustoßen. Im Reich der Mitte genießt das Nobelgetränk künftig Markenschutz. Ähnlich wie in der EU, darf somit auch in China nur Schaumwein aus der Champagne diesen imagestarken Markennamen tragen. Somit ist Champagner dort besser geschützt als etwa in den USA, wo man es in dieser Hinsicht mit dem Markenschutz nicht allzu ernst nimmt.
Für die Champagner-Hersteller, von denen viele zu internationalen Luxusgüterkonzernen wie LVMH (Louis Vuitton Moet Hennessy) gehören, ist das allemal eine gute Nachricht. Sie versprechen sich davon einen signifikanten Anstieg des Champagner-Konsums in China. Potenzial scheint in der Tat vorhanden zu sein, denn obwohl der Champagner-Absatz in Festlandchina im vergangenen Jahr um die Hälfte stieg, gehen aktuell gerade einmal 0,6 Prozent der Champagner-Exporte ins Reich der Mitte. Bisher favorisierten gutbetuchte Chinesen eher französische Rotweine, vor allem die großen Bordeaux-Marken, sowie teure Cognacs und Whiskys.
Nachdem nun die Bezeichnung „Champagner“ gesetzlich geschützt ist, können die großen Champagner-Häuser ihre imageträchtigen Marken in China noch stärker als exklusive Luxusgüter positionieren und künftig wohl deutlich mehr als die bisher jährlich rund zwei Millionen Flaschen in dieses Land exportieren.
Überhaupt haben die französischen Weingüter und Edel-Brennereien durchaus Grund zur Zufriedenheit. Denn der tendenziell rückläufige Konsum in den europäischen Krisenstaaten wird durch eine gestiegene Nachfrage aus Schwellenländern mehr als kompensiert. Nach aktuellen Zahlen des Verbands der französischen Spirituosen- und Weinexporteure (FEVS) stiegen die Exporterlöse der Branche im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent auf insgesamt 11,15 Milliarden Euro. Davon entfielen 7,6 Milliarden Euro auf Weine und 3,5 Milliarden auf Spirituosen wie zum Beispiel Cognac, Armagnac und Calvados.
Die neue Nüchternheit in der EU
In der EU hingegen wurde mit weniger Wein und Spirituosen aus Frankreich angestoßen. Der Anteil der Exporte in die französischen Nachbarländer sank von 50 Prozent in 2010 auf 41 Prozent im vergangenen Jahr. Dafür stieg die Nachfrage aus den USA um über 13 Prozent. Vor allem aber Russen und Australier möchten offenbar leben wie Gott in Frankreich und delektieren sich zunehmend an Weinen und Spirituosen aus dem Land der Gourmets.
Die führenden europäischen Getränkekonzerne setzen denn auch zunehmend auf die Schwellenländer mit schnell wachsenden Volkswirtschaften. Der britische Spirituosen-Riese Diageo, in dessen Produktportfolio sich so bekannte Marken wie Guinness Bier, Wodka Smirnoff, Gordon’s Gin und der Rum Captain Morgan befinden, erwarb in den zurückliegenden Jahren Unternehmen in der Türkei, China und Brasilien.
Ein besonders aktiver Käufer von Unternehmen und Marken ist derweil die italienische Campari Group. Seit 2007 akquirierten die Mailänder acht Getränkehersteller in den USA, Europa sowie in Schwellenländern wie Brasilien und Jamaica. Mehr als eine Milliarde Euro gaben die Campari-Manager für ihre Einkäufe aus. Kein Wunder, dass es da manchem Analysten schwindelig wird. Hat Campari am Ende „einen über den Durst getrunken“ und wird irgendwann mit einem bösen Kater aufwachen? In der Tat hat sich das Umsatzwachstum des Konzerns zuletzt deutlich abgeschwächt. Der Grund sind allerdings weniger die Zukäufe der letzten Jahre, sondern die zurückgegangene Inlandsnachfrage. Trotz seines zunehmenden internationalen Engagements kommt ein Drittel des Campari-Umsatzes nach wie vor aus Italien. Und dort wird offenkundig zunehmend an alkoholischen Getränken gespart. Allerdings bewiesen die Campari-Manager in den vergangenen Jahren immer wieder einen erstaunlichen Instinkt beim Aufspüren neuer Trends. Fast schon generalstabsmäßig wurde zum Beispiel der Siegeszug von Aperol vorbereitet. Und von seinem Konkurrenten, dem französischen Spirituosen-Konzern Pernod Ricard, kaufte Campari die Bourbon-Marke Wild Turkey. Kein schlechter Deal, denn Händler und Bartender glauben, einen allmählich einsetzenden Bourbon-Boom auszumachen. Vor allem die Deutschen hätten den amerikanischen Whiskey entdeckt, der sich im Gegensatz zum schottischen Whisky traditionell mit „e“ schreibt.
Spirituosen-Aktie macht Milliardäre
Trotz zum Teil deutlicher Bremsspuren infolge der Rezession in weiten Teilen Südeuropas laufen die Geschäfte der führenden europäischen Spirituosen-Hersteller recht gut. Kaum bekannt ist, dass zum Beispiel die Campari-Aktie zu den europäischen Top-Performern zählt. In den vergangenen fünf Jahren legte das Papier des Getränkekonzerns um fast 100 Prozent zu. Manchen machte das richtig reich. Dazu gehört zum Beispiel die 79jährige Italienerin Rosa Anna Magno Gravoglia, die über eine Familienholding mit 31 Prozent an Campari beteiligt ist. Der Erfolg von Campari machte sie zur Milliardärin.
Auch der Luxusgüterkonzern LVMH, dem einige der führenden Champagner-Häuser, Weingüter und Cognac-Brennereien gehören, verzeichnete im ersten Quartal ein Plus bei den Umsätzen im Alkoholsegment von rund sechs Prozent. Das verhinderte einen stärkeren Wachstumseinbruch beim weltweit führenden Luxusgüterkonzern, denn die Kernsparten Mode und Lederwaren verzeichneten im ersten Quartal nur ein schwaches Plus von 0,4 Prozent.
Schwächer als erwartet startete darüber hinaus Diageo ins erste Quartal, vor allem wegen der Nachfrageschwäche in Europa. Aber immerhin stiegen die Umsätze dank des starken US-Geschäfts des britischen Konzerns um vier Prozent. Bei Diageo erwies sich in den vergangenen Monaten die Rummarke Captain Morgan als Bestseller, Pernod Ricard punktete mit dem Rum Havanna Club und dem Kräuterlikör Ramazotti.
Wenn es um Hochprozentiges geht, haben die Europäer offenkundig in vielen Segmenten nach wie vor die (Schnaps)Nase vorn.
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