Arme Deutsche. Einerseits werden sie kräftig zur Kasse gebeten, wenn es darum geht, maroden EU-Mitgliedsstaaten aus der Patsche zu helfen – anderseits kriegen sie plötzlich wegen ihrer tollen Exporterfolge eins auf den Deckel. Die EU-Kommission zeigt sich total unglücklich darüber, dass Deutschlands Überschüsse in der Leistungsbilanz seit Jahren geradezu sensationell hoch ausfallen.
[[image1]]Nachdem es aber gar nicht so einfach ist, ein Land für seine Tüchtigkeit zu tadeln, haben es EU-Präsident José Manuel Barroso und sein finnischer Währungskommissar Olli Rehn kürzlich mit einem argumentativen Eiertanz der Sonderklasse versucht: Die bundesdeutsche Wirtschaft sei zwar unser aller „Wachstumslokomotive“, räumten sie ein, aber dennoch müsse man ihr ein Prüfverfahren aufbrummen.
Untersucht sollen mögliche volkswirtschaftliche Ungleichgewichte werden. Deutschland müsse, klang es zwischen den Zeilen durch, als größter Gewinner des Binnenmarkts andere EU-Länder mehr unterstützen. Das wäre etwa durch eine stärkere Öffnung seines Dienstleistungsmarktes, aber auch durch die Ankurbelung der Binnennachfrage durch höhere Löhne möglich. Die bescheidenen Lohnzuwächse in den vergangenen Jahren, mutmaßen die hohen Herren in Brüssel, hätten den deutschen Exporteuren womöglich Wettbewerbsvorteile verschafft, die sie in die Lage versetzten, andere Eurostaaten sukzessive vom Markt zu drängen. Nicht zuletzt könnten – hieß es weiter – die auf Grund zu geringer Investitionen im Lande erzielten Exportüberschüsse den Euro gegenüber anderen Währungen unter Aufwertungsdruck setzen, was die Wettbewerbsfähigkeit so mancher EU-Länder schwächen und schlussendlich weltweit zu deflationären Verzerrungen führen könnte.
Die zuständigen EU-Granden, deren Gedankengänge diesbezüglich kaum nachvollziehbar sind, vertreten offenbar die Auffassung, dass die deutsche Exportdynamik alles in allem der Union schade. Gemäß der Devise: Je erfolgreicher die Nummer Eins, desto schwächer die anderen Mitgliedsstaaten. Sie pochen kurioser Weise darauf, dass die Deutschen mit ihrem Leistungsbilanzüberschuss über dem vorgegebenen Schwellenwert von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Barroso & Co. sind nunmehr mit der berechtigten Entrüstung seitens maßgeblicher Bundesrepublikaner konfrontiert, die beispielsweise von einer „Gängelung der Stärksten“ und „einem unglaublichen Affront“ sprechen. Niemand bringt in Deutschland dafür Verständnis auf, dass sich Brüssel wieder einmal in innerdeutsche Fragen einzumischen und sogar politische Ratschläge zu erteilen versucht. Und es empört nicht bloß die Top-Exporteure, dass sich die Union anmaßt, Reformen zu verlangen, konkrete Tipps zu geben und im schlimmsten Fall sogar Bußgeld-zahlungen zu verhängen.
Schluss mit Eifersüchteleien
Ein Blick auf die – übrigens sehr erfreulichen – Fakten: Die Europäische Union, mit mehr als 500 Millionen Menschen der größte Wirtschaftsraum der Welt, spielt dank ihrer Wirtschaftsleistung in Höhe von 13.000.000.000.000 Euro in einer eigenen Liga. Sie hängt selbst die Vereinigten Staaten, die es auf ein Bruttonationalprodukt von umgerechnet 11,5 Billionen Euro bringten, deutlich ab. China und Japan folgen mit Respektabstand. Damit aber nicht genug: Obwohl die Volksrepublik China in allen gängigen Statistiken als dynamischer Exportweltmeister – vor den USA und Deutschland – gefeiert wird, der überall groß aufzutrumpfen pflegt, sieht die Realität anders aus. Der wahre Champion heißt nämlich – EU. Im Vorjahr etwa waren die damals 27 Mitgliedsstaaten mit Gesamtexporten von 5,8 Billionen Dollar einfach nicht zu schlagen. Der so genannte Intra-EU-Handel macht zwar den größten Brocken aus, weil der Binnenmarkt für so gut wie jedes EU-Land bei Ausfuhren oberste Priorität genießt, aber auch mit ihren Warenlieferungen an Drittstaaten stellt die Union das Reich der Mitte und die Vereinigten Staaten klar in den Schatten.
Diese Pole-Position, die primär den Deutschen, aber auch den Niederländern, Franzosen, Briten und nicht zuletzt den Österreichern zu verdanken ist, müsste verteidigt und sogar ausgebaut werden – sollte man meinen. Wenn die EU-Kommission allerdings Deutschland einbremsen und zugleich andere Ländern forcieren möchte, wird das wohl nicht gelingen. Brutale Eingriffe in den permanenten Wettbewerb von Exportnationen und gängige Marktmechanismen sind jedenfalls in den Job Descriptions der Kommissare mit Sicherheit nicht vorgesehen – und müssten folglich unterbleiben. Es wäre geradezu kontraproduktiv, wenn sich Herr Barroso und die Seinen weiterhin in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen – wir leben ja nicht in China. Obendrein sind die deutschen Erfolge im Außenhandel durch nichts zu ersetzen: Sobald VW, BMW oder Daimler eines Tages weltweit weniger Autos verkaufen würden, könnten beispielsweise Griechenland oder Lettland ohnedies nicht einspringen. Also: Schluss mit den Eifersüchteleien unter den EU-Staaten, Schluss mit der unterschwelligen Kritik an erfolgreichen Exportgrößen, Schluss mit dem lächerlichen Prüfverfahren gegen die Bundesrepublik – Europa darf sich um Himmels Willen nicht selbst schwächen. Die Konkurrenz jenseits des Atlantiks beziehungsweise in Asien wird auch so immer stärker, sodass die EU-Wirtschaft im kooperativen Teamwork ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen sollte – gemäß dem sportlichen Motto: Der Beste möge gewinnen …
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