Dienstag, 5. November 2024
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EU-Wahl: Die Nein-Sager werden zulegen

Am rechten politischen Rand Europas herrscht hektische Betriebsamkeit:  Zunächst haben zwei euroskeptische, rechtspopulistische Bewegungen – nämlich die französische Front National und die niederländische Partei der Freiheit (PVV) – angekündigt, eine Allianz für die EU-Wahl im Mai 2014 zu schmieden.

[[image1]]Ihre beiden Anführer, Marine Le Pen und Geert Wilders, peilen das Ziel an, im nächsten Europa-Parlament mit anderen Rechtsparteien, etwa der dänischen Volkspartei und der britischen Unabhängigkeitspartei, eine gemeinsame Fraktion zu bilden. Nur ein paar Tage später versammelte Heinz-Christian Strache in Wien fünf ähnlich gesinnte Polit-Kumpels, um ebenfalls ein künftiges Bündnis vorzubereiten. Mit von der Partie waren Repräsentanten der Front National, der italienischen Lega Nord, Belgiens Vlaams Belang, der Schwedendemokraten sowie der Slowakischen Nationalpartei. Der Niederländer Wilders war zwar nicht anwesend, doch mit ihm plant HC Strache ein gesondertes Treffen.

Auf ihrem Einigungstrip spulen die Rechtsparteien ihr hinlänglich bekanntes Programm ab: Die „Massenzuwanderung“ müsse, befürchten sie, zu einer „Islamisierung“ der Europäischen Union führen. Der Euro sei, predigen sie unermüdlich, eine „Fehlkonstruktion“, sodass die MItgliedsstaaten die Chance erhalten sollten, zu ihren nationalen Währungen zurückzukehren. Der „EU-Zentralismus“ gehöre, drohen sie, vehement bekämpft. Die nationale Souveränität ihrer Staaten, fordern sie weiters, müsse wieder hergestellt werden, was u.a. bedeutet: Rückkehr zur Haushaltshoheit und Selbstbestimmung in  der Einwanderungspolitik. Mit einem breiten Zusammenschluss wollen die Rechtspopulisten schließlich, wie es Wilders formulierte, das „Monster aus Brüssel“  in die Schranken weisen.

Zu befürchten ist, dass diese etwas billigen, jedenfalls aber klaren Ansagen, die insbesonders in Frankreich und den Niederlanden, aber auch in anderen Ländern gerne gehört werden, dem rechten Lager bei der Europa-Wahl erhebliche Stimmengewinne bescheren könnten. Das deklarierte Vorhaben, mit zumindest 25 Abgeordneten aus sieben Staaten den Fraktionsstatus zu schaffen, ist folglich alles andere als illusorisch. Ob‘s hingegen, wie von den Populisten erhofft, reichen wird, gleich drittstärkste Gruppierung nach Christdemokraten und Sozialdemokraten zu werden, muss aber zumindest als fraglich gelten. Denn während etwa Marine Le Pen in Frankreich bereits jetzt ein Wahltriumpf mit 25 Prozent der Stimmen vorausgesagt wird, schwächeln die Rechtsparteien in Belgien, Großbritannien und Griechenland merklich – was dazu führen könnte, dass Liberale und Grüne letztlich doch vor der geplanten Rechtsfront liegen werden.

HC Strache auf dem Vormarsch

Es wäre sogar denkbar, dass die rechten – um es vornehm zu formulieren – EU-Kritiker auch von den europäischen Linksparteien in den Schatten gestellt werden. Diese sind schon jetzt in der Fraktion Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke – kurz: GUE/NGL – vereint und stellen immerhin 35 Europa-Parlamentarier – laut Meinungsforschern könnten es im kommenden Jahr 53 werden. Wie die inklusive der drei mit Beobachterstatus insgesamt 16 Linksparteien aus 14 Ländern im Mai 2014 tatsächlich abschneiden, steht freilich noch in den Sternen. Ihrer Nummer Eins, Deutschlands europapolitisch gemäßigter Linken, werden jedenfalls ebenso wie der französischen Linksfront unter Jean-Luc Mélenchon und der griechischen Syriza deutliche Gewinne prognostiziert. Bei anderen ist das nicht so sicher. Ob es dank neuer Bündnispartner – In Frage käme der schräge Italiener Beppe Grillo, dem 15 EU-Mandate zugetraut werden – europaweit zu einem Linksruck kommt, ist daher bis auf Weiteres eine Zwölferfrage. Grillo hat sich nämlich noch nicht entschieden, ob sich seine Fünf Sterne-Partei der linken Fraktion anschließen will oder nicht.

Dass die von der Deutschen Gabriele Zimmer angeführten Linken, ein buntes Sammelsurium ultrasozialistischer und kommunistischer Parteien, nicht gerade glühende EU-Anhänger sind, sondern das exakte Gegenteil, ist mit Sicherheit keine Überraschung. Die dänische „Folkebevægelsen mod EU“ signalisiert das schon unverblümt mit ihrem Namen – Volksbewegung gegen die EU. Es ist zwar durchaus möglich, dass derartige Mini-Parteien, die bislang großteils nur einen oder zwei Mandatare gestellt haben, künftig von den zahlreichen EU-Gegnern und -Skeptikern aufgewertet und die eine oder andere Überraschung liefern werden – wünschenswert wäre das aber nicht. Eine gestärkte Sphalanx aus vielen linken und rechten Splittergruppen, die kontraproduktive, teilweise extremistische Positionen vertreten, würde die Arbeit im Europa-Parlament beträchtlich erschweren und für die Europäische Union rasch zum Bremsklotz werden. Der aufkeimende Erholungsprozess könnte dadurch wohl ebenso verzögert werden wie die nötigen Reformschritte.

Trotzdem ist klar: Auch populistische, opportunistische Anti-EU-Gruppierungen, die Brüssel am liebsten gänzlich abschaffen  wollen, müssen im Europa-Parlament ihren Platz haben – alles andere wäre undemokratisch. Schließlich steht ihr Nein zu Europa – selbst wenn das ein relativ leichtes Spiel der Argumentation ist – für die Meinung eines nicht unerheblichen Teils der europäischen Bevölkerung. Negative Einstellungen lassen sich eben besser verkaufen als positive Überzeugungsarbeit. Deshalb sind die zwei stärksten Fraktionen in Straßburg und Brüssel gefordert, endlich in die Offensive zu gehen: Die Christdemokratische Volkspartei, die sich auf herbe Stimmenverluste gefasst machen muss, sowie  Europas Sozialdemokraten, für die es zur Zeit gar nicht so schlecht aussieht, müssten so rasch wie möglich aus ihrer Art Dämmerschlaf erwachen und die Wählerinnen und Wählern gezielt und massiv über die Vorteile des europäischen Einigungs-prozesses informieren.

In Österreich beispielsweise fühlen sich laut Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik drei von vier BürgerInnen über Arbeit und Aufgaben des EU-Parlaments „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ informiert. Diese Kritik trifft nicht bloß die Brüsseler Zentralisten, sondern zugleich die heimischen, mit dem Regierungspoker voll ausgelasteten Parteien, die großen Interessensverbände und nicht zuletzt die rot-weiß-roten Medien. Überall scheint man offenbar noch alle Zeit der Welt zu haben, sodass von professionellen Kommunikationskampagnen nicht einmal ein Hauch zu spüren. Auf diese Weise wird der Gegenseite das Feld überlassen, primär HC Strache, der das Meinungsklima in diesem  Land mit gar nicht einmal so sensationellen Parolen maßgeblich prägen kann. Gemäß der zitierten Umfrage wollen diesmal zwar mehr Österreicher wählen gehen als beim Urnengang 2009, als die Wahlbeteiligung nur 49 Prozent ausmachte, doch selbst wenn es diesmal 60 Prozent werden sollten, muss das noch nichts Erfreuliches bedeuten: Ein sehr deutlicher Stimmenzuwachs der FPÖ gilt nämlich für die Meinungsforscher als fix.
 

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