Der von der EU geplante Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz erhitzt die Gemüter. Kritiker befürchten, der für Ende Juni erwartete Beschluss könnte das Ende der nationalen Souveränität bedeuten und eine Verschärfung der Krise bewirken. Geht das aktuelle Krisenmanagement gar auf Kosten der Demokratie?
[[image1]]Ein Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz soll der Krise in Europa ein Ende setzen und neues Wachstum ermöglichen. Doch das Krisenmanagement der Europäischen Union gerät zusehends unter Beschuss. Die rigorose Sparpolitik könnte soziale Unruhen auslösen. 26 Millionen Arbeitslose und Kürzungen im sozialen Bereich geben zu denken. In Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich formiert sich erster Widerstand gegen den geplanten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Dieser könnte, so wird befürchtet, auf Kosten der Bürger gehen und einen Sozialabbau bedeuten. Aus Kreisen der Gewerkschaft ist zudem zu vernehmen, dass es die Krisenpolitik mit Verträgen und Regeln nicht so genau nimmt.
Sozialabbau ohne Ende
Die Paktgegner lassen am Brüsseler Krisenmanagement kaum ein gutes Haar. Die Krise sei hausgemacht, die Ursache in der neoliberalen Politik zu finden. Die kontinuierliche Umverteilung von unten nach oben hat in eine Sackgasse geführt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird zusehends grösser, Pensionsbezieher und sozial Benachteiligte zwischen unterschiedlichen Ländern werden gegeneinander ausgespielt, so die vorgebrachten Argumente der Bewegung „Europa geht anders“. Der Abbau von Frauenrechten erntet ebenso Kritik wie Einschnitte im Gesundheitswesen, die Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen findet eben so wenig Beifall wie die marginale Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Droht Angriff auf Kollektivverträge?
Renè Schindler, Gewerkschaftssekretär, wittert in dem Vorhaben einen rechtswidrigen Angriff auf die Lohnpolitik und zitiert Artikel 153 AEUV Abs. 5 / Sozialpolitik: Arbeitsentgelt und Streikrecht gelten als tabu für die EU. Der Wettbewerbspakt wäre ein Blankoscheck für eine Wirtschaftsdiktatur, die Krisenpolitik bringt mehr Fragen als Antworten oder gar Lösungen. Der Angriff auf Kollektivverträge könnte die EU in eine Niedriglohnzone verwandeln, so seine Befürchtungen. Sind die Sozialversicherungssysteme, die nationale Angelegenheit sind, erst einmal unterlaufen, ist es zu spät. Die Verpflichtung zur Armut könnte Wirklichkeit werden.
Ist Europa noch zu retten?
Auch seitens der Katholischen Arbeitnehmerbewegung ist Unmut zu vernehmen. Man macht sich ernsthaft Sorgen über die aktuelle Entwicklung. Sozialstandards zu reduzieren kann keine Lösung sein. Die Aushöhlung der Demokratie ist nicht geeignet, die Krise zu meistern, die nationale Politik darf nicht ausgehebelt werden. Auch Ökonomen warnen vor der drohenden Machtverschiebung durch besagten Wettbewerbspakt, der die Mitgliedstaaten an die Leine nimmt. Regierungen verlieren ihre Entscheidungsfähigkeit, die Souveränität wird mit einem Hauch von Nostalgie umhüllt. Die Einschnitte in allen Bereichen wären verpflichtend und sanktionierbar. Zugleich folgt eine weitere Anschuldigung: Die ordnungsgemäßen Verfahren sind umgangen worden, das Europäische Parlament ist ohne Mitentscheidungsbefugnis. Die parlamentarischen Rollenspiele sorgen für Verstimmung.
Trojaner aus Brüssel
Um den Wettbewerbspakt zu legalisieren, sind Zuckerbrot und Peitsche vorgesehen. Finanzielle Förderungen für Mitgliedstaaten sollen die pünktliche Implementierung der Strukturreformen sichern. Spielen die nationalen Parlamente nicht mit, gibt`s Sanktionen. Das berechtigt zur Frage, ob die Regierungen der Mitgliedstaaten blindlings in die Autoritätsfalle aus Brüssel tappen. Denn so wie es aussieht, ist besagter Flexibilitätspakt ein inhaltlich höchst variables Framework, welches ganz nach Lust und Laune mit Auflagen und Vorgaben bespickt zur Anwendung kommt und widerspenstige Nationen nachhaltig und höchst dauerhaft die Knie zwingt.
Ist die Macht erst mal verspielt … entscheidet Brüssel
Die Initiative „Europa geht anders“ kann dem Trojaner aus Brüssel nichts Gutes abgewinnen und hofft auf eine baldige Stärkung der Demokratie. Doch angesichts der grassierenden Politverdrossenheit in Verbindung mit der latenten Wahlmüdigkeit einzelner Bevölkerungsgruppen bleibt wohl nichts anders über, als einmal mehr auf das Verantwortungsbewusstsein der Regierung zu vertrauen.