Dank US-Zinswende gehen Bankaktien derzeit zwar durch die Decke (und werden es weiter tun). Doch Europas Finanzsektor ist noch immer zu groß und unprofitabel. Es braucht einen Paradigmenwechsel.
Wer rechtzeitig Banktitel gekauft hatte, konnte zur Jahresmitte 2017 die Ernte einfahren. Alleine die Aktie der Commerzbank hatte sich (vom Rekordtief bei € 5,50) binnen Jahresfrist verdoppelt. Für das Papier hatte man in besseren Tagen schon mal 300 Euro auf den Tresen legen müssen [1].
Das Kursfeuerwerk hat aber weniger mit einer Gesundung des Finanzsektors zu tun, als mit der Zinswende in Amerika. Kann Sie über die Leichen in Europas Bankenkeller hinwegtäuschen?
Unfreiwillig Non-Profit
Das Drucken „unfassbarer“ Kapitalberge durch die EZB – und deren zinsfreie Verleihung an Europas Geschäftsbanken – hatte ein jahrtausendealtes Geschäftsmodell an seine Grenzen geführt. Weil Sparer keine Zinsen mehr bekamen (die Banken bekamen das Geld ja von der EZB geschenkt), zogen diese Hunderte Milliarden Euro ab. Sie landeten auf Immobilien- und Aktienmärkten. Mit Krediten verdienten die Banken dabei immer weniger – weil mit dem Null-Zins-Niveau auch die Bankspannen ins Bodenlose gesunken waren [2].
Und die großen Firmen hatten die Banken gleich außen vorgelassen; sie holten sich billiges Geld vom Anleihemarkt (wissend, dass ihnen die EZB jede Anleihen abkaufen würde [3]).
Brustschwach
2016 warnten die Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouseCooper („PwC“), Europas Banken könnten ihre Kapitalkosten nicht hereinverdienen. Will heißen: Zwar ist Geld da, um die Zinsen für Fremd-Kapital zu berappen, nicht aber für die (fiktiven) Kosten des Eigen-Kapitals[4].
78 Prozent der im EuroStoxx 600 notierten Banken konnten dies nicht. Europaweit wurde um 111 Milliarden Euro zu wenig verdient [5]. In Österreich traf das Schicksal neben der „Raiffeisen International“ auch die „Erste Bank“.
IWF: Gesundschrumpfen
Ins selber Horn stößt der IWF: Vor allem in Europa gebe es zu viele Banken mit zu vielen Filialen, zu hohen Kosten und zu vielen notleidenden Krediten [6]. Dabei schütten gerade die wackeligsten Kandidaten die höchsten Dividenden aus – 20 Milliarden Euro in den letzten Jahren [7].
Der Grund: Streichen angeschlagene Banken Dividenden, werden Anleger misstrauisch. Sie fordern ihre Einlagen zurück, ein „Bank Run“ wäre die Folge. Der Anfang vom Ende.
Basel III
Dazu kommt noch Basel III. Es zwingt die Banken, riskantere Kredite mit mehr Eigenkapital (etwa durch Aktienverkäufe) zu unterlegen. Das ist teuer, denn nun müssen – solange es die Bank gibt – Dividenden an die neuen Aktionäre ausgeschüttet werden.
Kredite an Jungunternehmen werden da zum Spießrutenlauf – weil zu teuer für die Bank.
Dazu zwangen die schärferen Regeln zum Aufbau größerer Verwaltungsapparate. Selbstredend, dass die USA (wieder) am Abkommen mitgearbeitet, es aber selber nicht ratifiziert haben.
Ohne Airbags
Ihnen war es nur darum gegangen, dass japanische und europäische Banken ihre Vorteile gegenüber der US-Konkurrenz verloren; dass jetzt „alle mit gleichen Karten spielen“.
Die Amerikaner boxten durch, dass nun auch Nicht-US-Banken ihre stillen Reserven auflösten. Vor allem deutsche Banken hatten in ihren Büchern Millionenvermögen (wie Immobilien und Wertpapiere) „geparkt“. Es war offiziell nur mit einem Euro bewertet – und blieb damit quasi unversteuert. Aber im Krisenfall konnte man auf solche „Notgroschen“ zurückgreifen – was das System stabilisierte.
Ab jetzt fahren auch Europas Banken ohne Airbag.
Im Süden nix los
Wie die kürzliche Zerschlagung zweier italienischer Institute zeigte, liegen die größten Probleme im kriselnden Süden. Wegen des starken Euros (und mangelnder Reformen) werden sich die Ökonomien Spaniens, Frankreichs und Italiens wahrscheinlich nicht mehr erholen – was sich in den Bankbilanzen ihrer Heimatländer niederschlägt.
So gelten noch immer 18% der Kredite Italiens als uneinbringlich (360 Milliarden Euro) – und Besserung ist nicht in Sicht [8] (Österreich 4,7% [9], in guten Zeiten sind es 2-3%).
Zinswende hilft – auch dem Börsenkurs
Erleichterung verschafft jetzt ausgerechnet jene US-Zentralbank, Fed („Federal Reserve Bank“), deren Niedrig-Zins-Politik der „Nuller-Jahren“ die Welt ins Debakel gestürzt hatte. Schon sind die US-Zinsen auf ein Prozent gestiegen.
US-Kredite verteuerten sich entsprechend; und mit dem höheren Zinsniveau konnten die Banken auch wieder höhere Zinsspannen unterbringen. Steigt die Zinsspanne einer Bank etwa von 1% auf 1,5% – bedeutet dies einen Konzern-Gewinnsprung von 50%. Was sich entsprechend auf den Aktienkurs niederschlägt.
Und die US-Sparer jubeln. Sparguthaben werden wieder verzinst, die Spareinlagen wachsen wieder. Das hilft jenen europäischen Häusern, die US-Töchter haben. Jene, die das nicht haben, kaufen US-Geldpapiere. Das könnte den Dollar mittelfristig verteuern.
Bankensektor zu groß
Das Hauptproblem liegt aber in der antikapitalistischen Tradition Europas. Die Verteufelung (und hohe Besteuerung) von Börsen (und Aktiengewinnen) hat dazu geführt, dass sich Europas Industrie v.a. mit Bankkrediten oder Anleihen finanziert. In Amerika tut sie es hingegen überwiegend über Börsen (also Eigenkapital).
Dadurch sind US-Banken im Verhältnis zum BIP des Landes viel kleiner als europäische. Sie stellen ein kleineres Systemrisiko dar; etwa als die Deutsche Bank für Deutschland, oder die Erste Bank für Österreich.
Gelingt es Europa, seinen Finanzsektor über Fusionen und Stellenstreichungen gesund zu schrumpfen, und betrifft auch die vielen Staats- und Landesbanken, dann reicht der Zinsanstieg aus Trumps Amerika.
Fällt aber etwa ein Land wie Italien oder Griechenland aus dem Euro – oder kann Italien seine Schuldentürme nicht mehr bedienen, weil die EZB die Zinsen anheben musste – dann wird schlagartig klar, wie wenig Europa seine Probleme seit 2007 lösen konnte.