Laut den jüngsten Einigungen zum Banken-Abwicklungsregime wird es keine echte Entkoppelung von Bank- und Staatsschulden geben – und besonders nicht, bevor der nächste Bankenstresstest durchgeführt wird, der, sollte er tatsächlich „realistisch“ ablaufen, die europäische Bankenszene neuerlich ins Chaos treiben könnte.
[[image1]]Eine der vielleicht wichtigsten Erkenntnisse aus der Eurozonenkrise ist die enorme Gefahr, die der Bankensektor eines überschuldeten Mitgliedslandes für dessen Staatsfinanzen darstellt, und der die Eurozonestaaten ohne eigene Zentralbank hilflos gegenüberstehen. Da sich Privatschulden im Krisenfall sofort in Staatschulden verwandeln können, ist für dieses Bedrohungspotential zudem nicht allein die Staatsverschuldung relevant, sondern die Gesamtverschuldung des betreffenden Staates, wobei dabei insbesondere die Verschuldung gegenüber dem Ausland bedrohlich ist, die in Spanien – Privat- und Staatsschulden kombiniert – Ende 2012 beispielsweise noch immer bei 170 Prozent des BIP gelegen hatte.
Inlandsbanken wichtigste Käufer heimischer Staatsanleihen
Das Problem ist, das nach wie vor der Großteil der Inlandschulden von Inlandsbanken gehalten werden, die auch die mit Abstand wichtigsten Abnehmer heimischer Staatsanleihen sind, die sich gleichzeitig jedoch massiv im Ausland refinanzieren. Folglich liegt eine öffentliche Bankenrettung vor allem im Interesse des Mutterlandes, und man wird davon ausgehen können, dass kein Staat, so er die Mittel dafür auftreiben kann, eine strauchelnde Großbank scheitern lassen wird, egal welche Hilfen von EU und EZB gewährt werden, oder auch nicht. Das erklärte Ziel der Bankenunion war es dann auch, diese tödliche Verbindung von Bankensystem und Staatsbudget zu durchbrechen, die etwa Irland in den Abgrund gerissen hatte und gerade dabei ist, Spanien zu ruinieren. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass dafür eine eurozonenweit gemeinsame Bankenaufsicht erforderlich wäre, ebenso ein klares und einheitliches Abwicklungsregime, das eine substantielle Beteiligung der privaten Gläubiger festschreibt, sowie letztendlich auch ausreichende EU-Mittel, um die Bank im Konkursfall am Laufen zu halten, um „systemische“ Probleme zu limitieren.
So gut wie nichts von den bekannten Erfordernissen wird realisiert
So weit sich derlei bereits aus den jüngsten Erklärungen der EU-Verhandlungsteilnehmer herauslesen lässt, dürfte von den genannten Erfordernissen allerdings so gut wie nichts realisiert werden. So sieht das geplante Abwicklungsregime weiterhin eine direkte staatliche Beteiligung vor, sofern nur auch die ungeschützten privaten Gläubiger acht Prozent ihrer Forderungen abschreiben müssten. Darüber hinaus sollen die Kapitalisierungshilfen der EU, für die im europäischen Rettungsfonds ESM gerade einmal 60 Milliarden Euro vorgesehen sind, weiterhin über die Nationalstaaten ausgegeben werden und folglich voll auf die Staatsschulden durchschlagen. Darüber hinaus dürfen diese EU-Hilfen erst dann fünf Prozent der Bank-Bilanzsumme überschreiten, wenn die unbesicherten Anleihegläubiger völlig ausgelöscht sind. Klar ist immerhin, dass Kleinsparer mit Einlagen bis 100.000 Euro weiter geschützt werden sollen, aber auch Interbankkredite mit bis zu einer Woche Laufzeit sollen komplett verschont werden. Umstritten ist allerdings noch, ob es auch zu einer europaweit gemeinsamen oder wenigstens einheitlichen Einlagensicherung kommen wird oder ob Deutschland dies verhindern kann, dessen Regierung vor der Wahl offenbar nicht mit dem Vorwurf konfrontiert werden will, deutsche Fonds müssten für ausländische Banken haften.
Keine Entkopplung von Banken und Staatsbudgets
Die gewünschte Entkopplung von Banken und Staatsbudgets dürfte so jedenfalls nicht erreicht werden, und folglich bleibt alleine die gemeinsame Bankenaufsicht, die 2014 vermutlich tatsächlich umgesetzt werden wird. Allerdings plant die EZB, der dann die Oberhoheit über die rund 150 wichtigsten Banken eingeräumt wird, gemeinsam mit der europäischen Bankenaufsicht noch für diesen August einen weiteren Stresstest, und nicht wie zuvor geplant im 1. Quartal 2014. Laut EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen habe man zudem aus den bisherigen Fehlern – so hatten Irlands Banken die Tests ebenso bestanden wie die zypriotischen Banken, obwohl sie wenige Monate später gerettet werden mussten – gelernt und man habe nun das Ziel, tatsächlich „reinen Tisch zu machen und die Glaubwürdigkeit in den europäischen Bankensektor wiederherzustellen“ – was eine gefährliche Drohung darstellt.
Finanzloch in Billionenhöhe?
Denn sollte tatsächlich ein Test durchgeführt werden, der die bislang verschleierten Untiefen in so mancher Bankbilanz auslotet, könnte ein Kapitalbedarf resultieren, der, würden tatsächlich alle Probleme aufgedeckt, laut einigen Analysten sogar Billionenhöhe erreichen könnte. Das erscheint zudem durchaus realistisch, betrachtet man die extreme Wertlosigkeit der irischen oder zypriotischen Bankbilanzen, wo zusammen annähernd 300 Milliarden Euro an uneingestandenen Verlusten aufgetaucht waren. Der reale Kapitalbedarf dürfte die vorhandenen EU-Mittel jedenfalls um eine Größenordnung übersteigen, weshalb kaum anzunehmen ist, dass die Behörden derartige Ergebnisse tatsächlich ungeschminkt bekannt machen würden. Denn sollten tatsächlich die befürchteten Löcher aufgedeckt werden, wäre an den Finanzmärkten sicherlich Chaos die Folge, aber kein Geld da, diese Löcher zu stopfen. Denn jetzt schon ist sicher, dass die geplanten Abwicklungsregimes noch lange nicht so weit sein werden, staatliche Rettungsaktionen dank der Beteiligung des Privatsektors überflüssig zu machen – so dass im Notfall wohl wieder die Staatsbudgets herangezogen werden müssten.