Deutsch-britische Initiative plant angeblich Bürokratieabbau in Brüssel und will ein brisantes Thema anstoßen: die Zahl der EU-Kommissare soll kräftig gestutzt werden.
[[image1]]Großbritannien und Deutschland haben sich seit dem vom britischen Premiers David Cameron im Januar angekündigten Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft wider Erwarten nicht entfremdet sondern sogar angenähert. Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Briten in der Union halten, Cameron sieht in ihr eine Verbündete bei seinem Versuch, Kompetenzen von Brüssel nach London zurückzuholen. Auch Merkel hat im August schon laut darüber nachgedacht, ob dies in Zukunft nicht denkbar wäre. So zeichnet sich hier durchaus eine gemeinsame Interessenlage ab. Das schlägt sich nun dem Vernehmen nach bereits in einem gemeinsamen Vorstoß zur Verkleinerung der einflussreichen EU-Kommission nieder. Das aber dürfte den kleineren EU-Länder nicht gefallen. Denn wer nicht in der Kommission vertreten ist, fürchtet um seine Macht in Brüssel.
Beamte arbeiten an einer Blaupause
Cameron und Merkel hätten ihre Beamten beauftragt einen Plan auszuarbeiten, der darauf abzielt, die Zahl der EU-Kommissare von derzeit 28 auf nur noch zwölf – möglicherweise sogar nur auf sechs – zu verringern, schreibt die Sunday Times unter Berufung auf Londoner Regierungskreise. Denkbar wäre dann, dass im Rahmen dieser Reform eine neue Hierarchieebene eingezogen und so unterhalb der Ebene der Kommissare neue Posten mit geringeren Kompetenzen geschaffen würden. In London heißt es dazu, einige der bestehenden EU-Kommissare hätten aufgeblähte Aufgabengebiete, die eigentlich „ein Witz“ seien. Der Grund dafür ist, dass jedes EU-Land seit der EU-Erweiterung 2004 das Recht hat, einen Kommissar zu nominieren. Die Europäische Kommission besteht aktuell aus 28 Kommissaren, ihre Ämter werden alle fünf Jahre nach der Europawahl neu besetzt. Die nächsten Europawahlen finden im Sommer 2014 statt, so dass sich eine anbieten würde, im Vorfeld die Weichen für eine Reform zu stellen. Einfach wird das aber nicht: Gemäß des Vertrags von Nizza hätte schon ab der Europawahl 2009 die Zahl der EU-Kommissare kleiner als die der Mitgliedstaaten sein müssen. Der seit dem 1. Dezember 2009 gültige Vertrag von Lissabon sieht eigentlich vor, dass ab 2014 nur noch zwei Drittel der Mitgliedstaaten einen Kommissar stellen können.
Köder für die Wähler in Großbritannien
Der britische Premier hatte im Januar eine Neuregelegung des Verhältnisses zur EU gefordert und versprochen, er werde alles zu tun, um Kompetenzen von Brüssel nach London zurückzuholen. Im Fall seiner Widerwahl im Jahr 2015 will er die Briten dann spätestens im Jahr 2017 über Verbleib oder Austritt abstimmen lassen. Bis dahin muss er Ergebnisse vorweisen können. Denn Cameron hat mehrmals betont, er befürworte den Ausstritt persönlich nicht, doch müsse die EU in der Zukunft demokratischer, weniger bürokratisch und vor allem auf den Gemeinsamen Markt fokussiert sein, damit er seinen Landsleuten empfehlen könnte, für den Verbleib zu votieren. Eine Verkleinerung der EU-Kommission könnte vor diesem Hintergrund als ein britischer Erfolg und als ein Argument für ein Ja-Votum gelten. „Was wir jetzt sehen wollen ist eine kleinere Kommission, die weniger Geld verbraucht und effizienter arbeitet“, so ein britischer EU-Anhänger. Eine Verkleinerung der Kommission könne auch den Nebeneffekt haben, dass automatisch wieder Aufgabengebiete in die EU-Hauptstädte zurückverlagert würden, hofft man in London.
Review of Competences
Die britische Regierung hat bereits eine Rückführung von EU-Befugnissen in den Bereichen Innere Sicherheit, Justiz und Schutz von Arbeitnehmerrechten verlangt. Außerdem will sie die Immigration von Ausländern aus der EU erschweren, indem sie deren Recht auf Sozialhilfe und kostenlose Behandlung durch das staatliche Gesundheitssystem NHS beschneidet. Bisher ist allerdings noch nicht ganz klar, was Cameron sonst noch meint, wenn er von einer Rückholung der Kompetenzen spricht. Derzeit läuft unter dem Arbeitstitel „Review of Competences“ in allen britischen Ministerien eine Überprüfung des Gesamtgeflechts der britischen Beziehungen zur EU. In einer ersten Bilanz, die Ende Juli veröffentlicht wurde, stellte sich dann allerdings heraus, dass in sechs Kernbereichen eigentlich eine gute Balance bei der Kompetenzverteilung besteht. In den Bereichen Gemeinsamer Markt, Steuern, Außenpolitik, Entwicklungshilfe, Lebensmittelsicherheit und Gesundheitsversorgung wird Großbritannien demnach nicht wesentlich durch EU-Bestimmungen beeinträchtigt. Die Bilanz ergab sogar, dass das Vereinigte Königreich von seiner EU-Mitgliedschaft profitiert. „In keiner der sechs Bereiche gab es Beweise dafür, dass das Kompetenzgleichgewicht unausgewogen gewesen wäre“, erklärte ein hoher Regierungsbeamter der Financial Times.