Strafzölle auf chinesische Solarmodule sorgten in den mittlerweile stark de-industrialisierten USA für 10.000e Industriejobs – mit hohen Löhnen und Steuerleistungen. Ein Vorbild für Europa?
[[image1]]Frank Asbeck, Chef der deutschen Solarworld, hat es gerade noch einmal geschafft: Letzte Woche stimmten auch die letzten Gläubiger seinem Sanierungsplan zu – bei Anleihen verlor man 55%, bei Aktien über 90%. Asbeck, zuerst Pionierunternehmer, dann Börsenstar und nun fast die Pleite.
EU: 80% „Made in China“
Seit Jahren zieht man in China eine Solarfabrik nach der anderen hoch. Mit hohen Staatshilfen will man die Europäer so lange unterbieten, bis deren Firmen pleite sind. Das Ziel: Europas Solar-Kuchen im Wert von 21 Milliarden Euro. Die Maschinen für die neuen Großfabriken kamen meist aus „Germany“ – Ausrüster wie Centrotherm aus Baden-Württemberg fuhren Extraschichten. Als die Chinesen alles hatten, war von heut auf morgen Schluss – und Centrotherm insolvent.
Seit drei Jahren ertrinkt Europa nun im Siliziumscheiben-Zunami. Die kosten die Hälfte hiesiger Panele, werden mit 30% Verlust verscherbelt. Das kommt Ländern wie Italien nur gelegen, verbilligen die Dumping-Module doch deren Energiewende. In Deutschland schließt mittlerweile eine Firma nach der anderen aber ihre Tore: Solon, Conergy und Q-Cells – die Stars der „grünen Revolution“ sind nicht mehr. In Deutschland kommen heute acht von zehn Modulen aus dem Land am Yangtse Kiang, in Amerika sind es nur (mehr) zwei.
USA: 31% Importzoll
Während Europa Einfuhrzölle letztendlich abgelehnt und sich nur Preisuntergrenzen bei Importmodulen erbeten hatte, brachte die US-Regierung mit Zöllen von durchschnittlich 31% den US-Import von solarer Chinaware fast zum Stillstand. Die Gesamt-Installationszahlen schossen aber trotzdem in die Höhe (+ 76%) – und das trotz sinkender Modulpreisen.
Der Schwenk Obamas ist bemerkenswert. Zum ersten Mal seit langem behindert eine US-Präsidentschaft gezielt den freien Welthandel. Obama hatte bei seiner Entscheidung Amerikas Solar-Lobby vertraut – angeführt von Deutschlands Sonnenkönig Asbeck, der auch in den USA produziert.
Zölle kosten Wohlstand – oder?
Die Globalisierung hat es immer schon gegeben. Wein und Olivenöl fand man in 2.000 Jahre alten Gräbern Nordeuropas, Stahlwaren und Stoffe dafür im Süden unseres Kontinentes. Wenn weltweit dort produziert wird, wo die besten Voraussetzungen bestehen, dann bringt das die ganze Welt voran.
In der „reinen Lehre“ des freien Welthandels macht die Schließung einer deutschen Fabrik für Solarmodule global gesehen Sinn. Denn in China erhalten Tagelöhner nun den ersten Job. Vorher vegetierten die von 20 Dollar – nun sind 200 ein wahrlich großer Sprung nach vorne.
Theoretisch sollten die Importe selbst den deutschen Staat nicht stören: Das Panel selber kostet nicht einmal die Hälfte einer PV-Dachanlage – der Großteil ist deutschen Handwerkern geschuldet. Und auch diese schaffen Wohlstand. Theoretisch.
Kein Wohlstand aus Handwerk?
Der große Haken: Die Wertschöpfung (und damit der Wohlstand), den eine Gesellschaft aus der industriellen Produktion zieht, ist doppelt so hoch wie die aus Handwerk. Denn das Handwerk ist – so sagt es schon der Name – primär durch Handarbeit gekennzeichnet. Und damit weit weniger produktiv als die Serienfertigung mit Robotern, Maschinen, Technikern und gutbezahlten Facharbeitern. Während viele Elektro-Installationsfirmen über die Winterzeit geschlossen haben und ihre Mitarbeiter stempeln schicken, produzieren große Werke jeden Tag im Jahr – und oft sogar am Wochenende. Bei oft doppeltem Lohn.
Warum die Globalisierung Deutschlands (und Österreichs) Industrie gestärkt, jene aus Amerika und England aber massiv geschwächt hatte, liegt an Mitteleuropas „dualem Ausbildungssystem“. Es hat eine hochspezialisierte und ebenso motivierte „Arbeiter-Mittelschicht“ als Rückgrat vieler hochinnovativer Mittelbetriebe entstehen lassen. Das anglosächsische System, demnach eine kleine Führungselite (aus Technikern und Kaufleuten) eine Hundertschaft angelernter Hilfsarbeiter steuert, ist mit dem Aufstieg Asiens gescheitert. Chinas Hilfsarbeiter sind mindestens ebenso talentiert – und auch ebenso schnell angelernt. Und Ingenieure gibt es im Reich der Mitte ganz hervorragende.
Industrie „primärer Sektor“
In England und Amerika ist die industrielle Beschäftigung auf das Niveau von 1800 zurückgefallen – nur mehr jeder 6. US-Bürger arbeitet noch im Sekundärbereich (16,7%). Ganze Zweige haben die Heimatländer der industriellen Revolution verlassen, selbst simple Dinge wie Zement und Strommasten werden heute importiert. Der letzte US-Hersteller von Fernsehgeräten schloss vor 20 Jahren seine Tore.
Natürlich ist der letzte Rest von „Corporate America“ hochproduktiv – man denke nur an Boeing, Microsoft und Ford. Langfristig kann ein mächtiges Flächenland aber nicht von einigen Flaggschiffen aus Industrie und Handel leben – während die Masse sich mit Handwerk oder Billigjobs verdingt. Der Wohlstand eines Landes kommt primär immer aus seiner Industrie – Handwerk, Handel oder Landwirtschaft sind nachgelagert.
Die De-Industrialisierung hat die Ungleichheit in den USA (im Gegensatz zu Österreich) stark ansteigen lassen, die US-Mittelschicht (hierzulande konstant über 60%) fiel unter 50%.
Globalisierung über Zölle steuern
Tatsächlich hat sich die Armut dank Globalisierung und Welthandel in den letzten vier Jahrzehnten weltweit halbiert. Ehemals marxistische (und daher bettelarme) Länder wie China oder Indien holten mit niedrigen Löhne und hohem Ehrgeiz bei Produktion und Wohlstand auf. Mit künstlich schwach gehaltenen Währungen will man diese Entwicklung aber zusätzlich beschleunigen. So wird Chinas Yuan um 30 bis 40% unter seinem wahren Wert zum Dollar gehalten. Dieser – und nur dieser – Wettbewerbsvorteil sollte vom Westen durch einen Mindest-Zoll von 20% egalisiert werden.
Ein 20%-Zoll trifft Massengüter wie Stahl oder Zement, aber auch einfache Konsumgüter wie Spielzeug und Textil – nicht aber „High Tech“ wie Kameras, Handys oder Maschinen. Die Position Europas ist komfortabel, es importiert doppelt so viele Chinawaren als es dorthin exportiert. Einen Handelskrieg (etwa durch die Diskriminierung europäischer Firmen vor Ort) kann China sich nicht leisten – zu abhängig ist seine Wirtschaft noch vom Weltmarkt.
Weniger Markt-Verzerrungen
Tatsächlich könnten Chinas Wachstumsraten von 8 auf 6% absinken, der Abbau von Armut würde sich verlangsamen. Doch wüchse China noch immer schneller als Europa während der industriellen Revolution. Dem Land stünde nun allerdings weniger Geld zur Hochrüstung seines Landes zur Verfügung, die chinesische Bedrohung fremder Inseln könnte sinken.
Wie kein anderes Land hortet China heute Dollarbestände. Wie kein anderes finanziert es damit den US-Import chinesischer Güter. Dieser Teufelskreis als Ursache der nächsten Finanzkrise soll durchbrochen werden.
Durch moderate Mindestzölle wäre die Globalisierung wieder treffsicherer, bettelarme Länder wie Burma oder Bangladesch wären ja ausgenommen.
Kein Inflationsdruck
Die Preise würden auch nicht steigen, zurzeit überwiegen ohnedies deflationäre Tendenzen. Und Billigwerkzeug oder Spielzeug „Made in China“ stellt nur einen ganz kleinen Teil am Warenkorb dar. Außerdem gibt es auch innerhalb der Europäischen Union arme Länder wie Rumänien oder Polen, die nach Billig-Produktionen gieren.
Wenn wir die Marktverzerrungen, wie sie im Spiel der großen Ökonomien immer wieder entstehen, entschärfen, dann nehmen Europas Bürger die Vorteile von Globalisierung und Welthandel vielleicht wieder stärker wahr.