Der Goldpreis scheint total verrückt zu spielen. Das gelbe Edelmetall ist fest im Griff von Zockern und Manipulateuren. Die europäischen Goldreserven haben nach dem Crash der vergangenen Monate mindestens 122 Milliarden Euro an Wert eingebüßt. Doch bis zum Jahresende dürften die Preise wieder zulegen – das hoffen zumindest die Optimisten. Manche Anleger flüchten derweil in begehrte Edelsteine.
[[image1]]Europa ist ärmer geworden. Und zwar nicht nur wegen der Euro-Schuldenkrise. Zuletzt war es der Absturz des Goldpreises, der in den Ländern der Währungsunion mit dreistelligen Milliardenverlusten zu Buche schlug. Der Wert des begehrten Edelmetalls stürzte von 1.697 US-Dollar pro Feinunze im Januar auf 1.180 US-Dollar Ende Juni. Das entspricht einem Minus von rund 30 Prozent. Auch wenn sich der Goldpreis in den vergangenen Tagen wieder leicht erholte, darf man angesichts dieser Verluste wohl von einem Crash sprechen.
Die Goldreserven sind in einigen Ländern der EU nach wie vor sehr hoch. Vor allem Deutschland, Italien und das krisengeschüttelte Portugal sitzen auf wahren Goldbergen. Addiert man die Goldreserven von Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Griechenland (!) und Frankreich, so entsprach die Gesamtmenge vor etwa einem Jahr noch einem Gegenwert von rund 543 Milliarden US-Dollar. Ein Preisrückgang von 30 Prozent kommt somit einem Verlust von 163 Milliarden US-Dollar oder etwa 122,7 Milliarden Euro gleich. Wahrlich kein Pappenstiel, auch wenn sich diese Verluste nicht real bemerkbar machen, weil die Goldreserven in den Notenbank-Bilanzen eher konservativ bewertet werden.
Engpässe beim physischen Gold
US-Notenbankchef Ben Bernanke gestand dieser Tage, er verstehe die Entwicklung auf dem Edelmetallmarkt nicht so recht. So wie ihm geht es vielen. Der Goldmarkt spielt verrückt – er ist fest im Griff von Zockern und Manipulateuren. Deshalb versagen auch rationale Erklärungsversuche. In den vergangenen Wochen wurden Terminkontrakte in einem atemberaubenden Umfang von 2.336 Tonnen Gold verkauft, das entspricht immerhin 80 Prozent der Jahresproduktion.
Während also Papiergold auf den Markt geworfen wird, als gäbe es kein Morgen, steigt die Nachfrage nach physischem Gold gigantisch. Seit der Goldpreis an den Weltmärkten den schlimmsten Einbruch seit 1980 erlebte, berichten die Marktführer im Edelmetallhandel von einer Vervielfachung ihres Absatzes. Münzprägeanstalten mussten den Verkauf mancher Goldmünzen und -barren sogar vorübergehend einstellen. Offenbar haben die privaten Investoren nur darauf gewartet, wieder günstig einsteigen zu können. Führende Zentralbanken griffen bereits im vergangenen Jahr zu und orderten – noch zu deutlich höheren Marktpreisen – rund 534 Tonnen Gold. Soviel wie seit 1964 nicht mehr.
Noch bemerkenswerter ist das Verhalten der Minenbetreiber. Eigentlich sollte man annehmen, diese sicherten sich jetzt in großem Umfang gegen weiter sinkende Goldpreise ab. Doch das Gegenteil trifft zu: Die sogenannte Hedge-Quote ist im ersten Halbjahr gesunken. Ein deutliches Indiz, dass die Goldförderer mittelfristig wieder mit steigenden Preisen rechnen.
Zwei Experten – drei Meinungen
Völlig uneins sind sich die angeblichen Experten. Angesichts der weltweiten „monetären Experimente“ ist nach Meinung von Roland Stöferle vom Anlagehaus Incrementum Gold als Investment wichtiger denn je. Er sieht in der Kurskorrektur eine gute Einstiegschance. Goldman Sachs hingegen warnt vor weiter sinkenden Goldpreisen, was freilich nicht überrascht, gehört das US-Investmenthaus doch schon seit geraumer Zeit zum Kartell der „Goldpreisdrücker“.
Erfahrene Private-Banking-Berater gehen derweil mittelfristig von steigenden Goldpreisen aus, wenngleich auch sie eine Rückkehr zu alten Höchstständen zunächst für unwahrscheinlich halten. Sie rechnen bis zum Herbst darüber hinaus mit einer anhaltenden Volatilität des Preises für das gelbe Edelmetall. Im Klartext: Im laufenden Quartal könnte der Preis durchaus in einer Bandbreite zwischen plus/minus fünf Prozent schwanken. Eine neuerliche Zuspitzung der Euro-Krise im Herbst, wie sie der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark erwartet, und die Aussicht auf eine anhaltende Flutung der Märkte mit Billiggeld könnten den Goldpreis zusätzlich befeuern. Die Billiggeldpolitik wird wohl noch lange andauern – und die Sparer sukzessive enteignen. Denn würden die Zinsen nicht mehr künstlich durch die Notenbanken gedrückt, gerieten mehrere der Euro-Krisenstaaten in den endgültigen Ruin.
Konservative Anleger verfolgen derweil mit Sorge, dass der Goldmarkt einmal mehr fest in den Händen von Zockern und Finanzjongleuren ist. Auch hier zeigt sich: Sobald auf einem Markt „Hebel“ ins Spiel kommen, ist der Weg erst zur Blasenbildung und dann zum Crash programmiert.
Wohlhabende Privatanleger diversifizieren daher ihr Sachwertportfolio mit Diamanten und Farbedelsteinen. Pippa Malmgren, internationale Top-Bankerin und frühere Beraterin im Weißen Haus, sagte unlängst: „Eine Option (der Geldanlage) ist definitiv die Welt der Diamanten. Eine ganze Menge von privatem Reichtum bewegt sich in diese Richtung“. Dafür nehmen manche Anleger sogar hohe Handelsmargen und mangelnde Preistransparenz in dieser Assetklasse in Kauf.
Verrückt nach Farbedelsteinen
Auch hochwertige und seltene Farbedelsteine sind als Depotbeimischung sehr gefragt. Heinz Schiendl, erfahrener Edelsteinhändler in Wien, bezeichnet die internationale Preisentwicklung in diesem Segment mit nur einem Wort: „verrückt“. Viele Farbedelsteine kosteten heute im Einkauf schon so viel wie vor zwei Jahren bei einem guten Verkauf – bei steigender Tendenz. Die Finanz- und Währungskrise sowie die anhaltend hohe Nachfrage aus China und Indien hätten zu diesem enormen Preisanstieg beigetragen. Schiendl: „Von einzelnen Steinen, wie etwa dem Mandarin-Granat, ist in brauchbarer Qualität kaum noch etwas am Markt, die Minen sind weitgehend erschöpft.
Ähnliches gilt für den roten und blauen Turmalin (Rubellit und Indigoloth). Ein Mandarin-Granat von hoher Qualität ab etwa fünf Karat (also ein Gramm) verkauft sich aktuell ab 1000 Euro pro Karat. Vor zehn Monaten lag der Wert noch bei maximal 500 Euro. Die Preise für unbehandelte Rubine von höchster Qualität sind bereits in den vergangenen Jahren explodiert. Diese Steine sind in exzellenter Qualität kaum noch zu bekommen. Und die Preise für erstklassige Smaragde bewegen sich fast schon auf Diamanten-Niveau. Der Gemval Edelstein-Index, der die Preisentwicklung von 26 Steinen abbildet, verzeichnete zwischen 2005 und 2013 ein Plus von 70 Prozent. So schnell wie beim Goldpreis ging es also nicht aufwärts. Immerhin kann bei Edelsteinen nicht „gehebelt“ werden. Jeder Stein ist bekanntlich ein Unikat. Derivatprodukte lassen sich mangels Standardisierung damit nicht kreieren. Auch ein Vorteil.
Bild: Thorben Wengert/PIXELIO/©www.pixelio.de