Nächste Woche will der britische Premier David Cameron in Brüssel eine Initiative zum Abbau von Hürden und überflüssigen Regeln starten, die den Unternehmen in der EU bisher das Leben schwer machen.
[[image1]]“Viel zu oft behindern die Regeln der Europäischen Union unsere Unternehmen. Ich bin entschlossen, das zu ändern und dafür zu sorgen, dass die EU für die Wirtschaft arbeitet und nicht gegen sie“, erklärte der britische Premier David Cameron und wurde dann auch gleich konkret. Er legte in London einen Katalog mit 30 Empfehlungen zum Bürokratieabbau vor, den eine Expertenkommission unter Führung von sechs hochrangigen britischen Geschäftsleuten ausgearbeitet hatte. Nächste Woche will Cameron diese Vorschläge dann beim EU-Gipfel vorstellen und hofft dabei auf Unterstützung anderer Mitgliedsstaaten wie Deutschland.
Hürden abbauen
„Unternehmen sollten die Vorteile des Binnenmarktes in vollem Umfang nutzen können. Aber in der Praxis ist leider oft das Gegenteil der Fall: die Regeln der EU stellen für die Firmen in Wahrheit ein Handicap dar“, betonte Cameron. Das soll sich nun ändern. Zu den wichtigsten Punkten der von ihm vorgestellten Empfehlungsliste gehört die Forderung, die Dienstleistungsfreiheit müsse in der EU endlich vollständig umgesetzt werden. Außerdem müsse der grenzüberschreitende Kauf von Waren über das Internet von überflüssigen Regeln befreit werden. Dazu gehöre die Vereinfachung der Kennzeichnungspflicht sowie der „verwirrenden“ Mehrwertsteuersätze. Wichtig sei ferner eine Lockerung der Bestimmungen zum Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern in der EU – vor allem sollten Mittelständler künftig nicht länger Protokolle über diese Schutzmaßnahmen führen müssen. Des weiteren empfehle sich eine Vereinfachung der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und die Abschaffung unnötiger Umweltschutzauflagen bei der Entsorgung von Müll für kleine Betriebe. Auch müsse der Aufwand für den Datenschutz verringert werden. Generell sprechen sich die Briten für eine Deregulierung und Vereinfachung der Arbeitnehmerrechte aus und sie wollen die Unternehmen dabei auch von der Anforderung befreien, für die Kosten etwaiger Fortbildungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter aufzukommen. Ferner sollen Umweltschutzbestimmungen, die die Förderung von Schiefergas behindern, abgebaut werden. Camerons Expertenkommission fordert zudem mehr Transparenz bei den Kreditkartengebühren.
Vorschläge von Geschäftsleuten
Der vorgeschlagene Bürokratieabbau könne der Wirtschaft in Zukunft zweistellige Milliardenbeträge sparen, heißt es in dem 55 Seiten dicken Empfehlungskatalog. Ausgearbeitet haben ihn unter anderem der Chef des britischen Kaufhauskonzerns Marks & Spencer, Mark Bolland, und Ian Cheshire, der die Baumarktkette Kingfisher leitet sowie der Ex-Chef des Spirituosenherstellers Diageo, Paul Walsh. „Als führende Unternehmer der EU wissen wir, auf welche Weise uns die europäische Bürokratie behindert und unser Potential erstickt“, schrieben die sechs Autoren in einem Namensartikel, der in der britischen Presse veröffentlicht wurde. Dabei sei man sich bewusst, dass der EU-Binnenmarkt durchaus Regeln und Bestimmungen brauche – nur müssten die Wachstum und Innovation fördern und nicht behindern. Deshalb schlagen die Autoren auch vor, dass neue Richtlinien und Bestimmungen vor ihrer Einführung im Hinblick auf diese Kriterien geprüft werden müssen. Außerdem sei anzustreben, dass für jede neue Bestimmung zwei alte gestrichen würden, heißt es. Es gebe positive Zeichen dafür, dass die EU-Kommission sich in eine Richtung bewege, die unternehmerfreundlicher sei als früher, indem sie nun obsolete und kontraproduktive Gesetze in Frage stelle. „Diesen Versprechungen müssen jetzt allerdings Taten folgen“, so die Konzernlenker. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betont in diesem Zusammenhang jedoch, in den letzten Jahren seien schon zahlreiche Hürden abgeschafft worden.
Übergeordnetes Ziel
Für David Cameron geht es bei seiner Anti-Bürokratie-Initiative allerdings um mehr als die Förderung der Wirtschaft. Für ihn sind die 30 Empfehlungen Teil seiner Kampagne zur Reform der EU im Vorfeld des von ihm zugesagten Referendums über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Bei der Ankündigung der Volksabstimmung in Januar hatte der Regierungschef betont, er wolle Kompetenzen von Brüssel nach London zurückholen und strebe eine neue EU an, die demokratischer und marktwirtschaftlicher sei als bisher. Hier wird er greifbare Ergebnisse vorweisen müssen, wenn er seine Landsleute davon überzeugen will, in der EU zu bleiben. Auf diesem Weg sind die Verbesserungsvorschläge der britischen Geschäftsleute nur ein Baustein von vielen. Allerdings werden die Reaktionen der 27 übrigen EU-Regierungschefs zeigen, ob Cameron überhaupt eine Chance hat, sein ehrgeiziges Vorhaben zu verwirklichen.