So begehrt waren europäische Aktien selten: Anlagestrategen empfehlen diese Dividendenpapiere wegen ihrer vergleichsweise günstigen Bewertung und der guten Performance vieler Unternehmen. Allerdings war der Anstieg der vergangenen Wochen weder von großer Breite noch von einem starken Momentum getrieben. Das macht die Hausse anfällig für Rückschläge. Worauf sollte sich der Anleger einstellen? Und welche Branche war in den Krisenjahren besonders erfolgreich? Der folgende Beitrag gibt überraschende Antworten.
[[image1]]Börse paradox: Da weckt der vom Markit-Institut veröffentlichte Einkaufsmanager-Index die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise in der Euro-Zone. Auch aus Italien und vor allem aus Portugal kommen seit langem endlich mal wieder positive Zahlen. Doch die Börsen lässt das kalt, sie ignorieren diese eigentlich zuversichtlich stimmenden Indikatoren weitgehend. Wenige Stunden später aber lassen aktuelle Zahlen aus den USA an der Kraft der dortigen konjunkturellen Erholung zweifeln – und schon geht es in Europa aufwärts mit den Börsenkursen.
Bad news are good news – früher galt diese Devise vor allem für Journalisten, inzwischen wohl auch für die Börsianer. Das verdeutlicht, in welchem Ausmaß die Kapitalmärkte von der Liquiditätsdroge abhängig sind. Schlechte Wirtschaftsdaten machen baldige Zinserhöhungen eher unwahrscheinlich,die ultralockere Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken geht in die Verlängerung – zur Freude der Börsen.
Dabei können die Anleger eigentlich ganz beruhigt sein. Die wichtigsten Industrienationen sitzen nach wie vor auf gigantischen Schuldenbergen. Allein in den USA könnten es am Ende des laufenden Fiskaljahrs knapp 17 Billionen Dollar (!) sein. Eine Zahl, die man bisher ausschließlich in der Astronomie verortet hätte. Drastisch steigende Zinsen könnten die Vereinigten Staaten daher an den Rand des Staatsbankrotts bringen. Und die Schuldenkrise in der Euro-Zone ist ebenfalls alles andere als gebannt. Die verhalten positiven Zahlen aus den Krisenstaaten Südeuropas sind nach Ansicht von Experten nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der strikte Sparkurs in Europa allmählich in den Hintergrund rückt. Mit anderen Worten: Die Schuldenberge bleiben hoch – und die Leitzinsen somit auf absehbare Zeit niedrig. Vorsorglich warnte schon einmal die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vor deutlich steigenden Zinsen. Vor allem dort, wo die Finanzierungskosten derzeit niedrig sind – also in erster Linie in den USA, Japan und Deutschland – könne eine markante Zinswende sehr negative Folgen für die Wirtschaft und das Finanzsystem haben.
Optimismus an Europas Märkten
Die Aussicht auf weiterhin niedrige Zinsen dürfte für gute Laune an den Märkten sorgen. Lohnt sich daher der Einstieg – ungeachtet der starken Kurszuwächse in den vergangenen Wochen und Monaten? Oder ist eher Zurückhaltung angesagt, zumal die traditionellen Crash-Monate September und Oktober vor der Tür stehen?
Die Experten sind mit Blick auf den europäischen Aktienmarkt recht optimistisch. So werde der Aktienindex Euro Stoxx 50 aktuell auf dem 12,5-fachen der erwarteten Gewinne gehandelt. Das heißt, europäische Aktien erscheinen nach wie vor vergleichsweise günstig. Anders stellt sich die Situation in den USA dar. Der dortige Standard & Poor’s 500-Index spiegelt derzeit das 15,3-fache der prognostizierten Gewinne wider. Nach einer aktuellen Umfrage von Bloomberg rechnen die meisten Aktienstrategen denn auch mit weiter anziehenden Aktienkursen in Europa. Um durchschnittlich 3,5 Prozent könnten sich die Blue chips-Titel bis zum Jahresende verteuern. Für den S&P 500 rechnen die Experten hingegen mit einem Minus von 0,9 Prozent.
Doch der Mainstream muss bekanntlich nicht immer richtig liegen. Vor allem Analysten aus der Schweiz warnen vor einem baldigen Ende des intakten Aufwärtstrends bei den wichtigsten europäischen Aktienindizes. Als Argument führen sie ins Feld, dass sich der jüngste Kursanstieg gleichsam auf dünnem Eis vollzogen habe. Mit anderen Worten: Es geht zwar aufwärts, doch dahinter stehen vergleichsweise niedrige Umsätze. Eine gesunde Börse hingegen überzeugt mit steigenden Kursen und einem starken Momentum. Davon kann derzeit aber keine Rede sein. Zudem wurde der jüngste Aufschwung von einer eher geringen Anzahl von Werten getragen. Das heißt, der gegenwärtigen Hausse fehlt es an Kraft und an Breite.
Korrektur im vierten Quartal?
Gefahren drohen den Finanzmärkten darüber hinaus nach den deutschen Bundestagswahlen, wenn das Thema Griechenland erneut auf der Tagesordnung stehen dürfte. Das könnte den Fokus der Anleger wieder verstärkt auf die ungelöste europäische Schuldenkrise lenken. Der Münchner Finanzwissenschaftler und Chefberater des deutschen Finanzministeriums, Kai A. Konrad, hält Griechenland für ein Fass ohne Boden. „Die Schuldenquote steigt, auch weil die Wirtschaftsleistung dahinschmilzt. Und trotzdem macht die Troika aus EU, EZB und IWF die immer gleichen realitätsfernen Wachstumsprognosen für das Land“.
Dennoch: Selbst die Pessimisten rechnen nicht mit einem Crash an den Börsen, sondern lediglich mit einer deutlichen Korrektur im vierten Quartal. Möglicherweise bieten sich dann günstige Einstiegschancen.
Mit Luxusaktien durch die Krise
Unabhängig von Finanz- und Schuldenkrise gehören die europäischen Luxusgüterkonzerne nach wie vor zu jenen Branchen, die sich durch eine bemerkenswerte Performance auszeichnen. Die Aktie von Richemont (unter anderem Cartier, Montblanc, IWC, Jaeger LeCoultre und A. Lange & Söhne) legte in den zurückliegenden drei Jahren um sage und schreibe 153 Prozent zu. Der Uhrenkonzern Swatch weist eine Aktien-Performance von knapp 80 Prozent in drei Jahren auf, die französischen Luxus-Giganten Kering (ehemals PPR mit Marken wie Gucci, Yves Saint Laurent, Puma von Girard-Perregaux) und LVMH (Louis Vuitton, Moet, Hennessy) bescherten ihren Aktionären in drei Jahren Kurssteigerungen von 77,35 beziehungsweise 50 Prozent. Und das alles auf dem Höhepunkt der Euro-Krise. Mit teuren High-end-Produkten scheint man recht gut durch schwierige Zeiten zu kommen.