Donnerstag, 26. Dezember 2024
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Hat Putin Österreich endgültig erobert?

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

In Wien machte der Kreml-Boss eine bessere Figur als zuvor beim Exklusivinterview mit Armin Wolf.

Die rot-weiß-rote Republik hat Wladimir Putin in offizieller Mission bereits zum fünften Mal „mit offenen Armen“ („Der Standard“) empfangen. Der russische Präsident traf diesmal, bei der ersten Auslandsreise nach seiner Wiederwahl,  am Wiener Ballhausplatz unser Polit-Trio Van der Bellen, Kurz und Strache, dann schaute er bei der Wirtschaftskammer vorbei, wo er eine kurze Rede hielt, legte am Schwarzenbergplatz einen Kranz nieder, eröffnete anschließend im Kunsthistorischen Museum eine Ausstellung – und flog  schließlich nach neun Stunden wieder heim.

Ein paar Tage zuvor hat sich Putin in Moskau mit den kritischen Fragen von ORF-Moderator Armin Wolf geplagt und dabei bewiesen, dass er es mit der Wahrheit offensichtlich nicht so genau nimmt. Seine lammfromm klingenden Kernaussagen im Gespräch mit dem bösen Wolf:

Nein, er wolle die Europäische Union nicht spalten, nicht schwächen und nicht destabilisieren – vielmehr sollte die Kooperation mit ihr ausgebaut werden.

Nein, er würde auf keinen Fall nationalistisch-populistische Parteien wie jene der französischen Ultrarechten Marine Le Pen unterstützen.

Nein, sein oligarchischer Spezi Jewgeni Prigoschin und dessen St. Petersburger Trollfabrik hätten keineswegs im Auftrag des Kreml irgendwelche Wahlen im Ausland beeinflusst.

Nein, sein Land habe die Halbinsel Krim nicht annektiert, sondern diese sei auf Grund einer „freien Willensäußerung  bei unabhängigen Wahlen“ zu Russland gekommen.

Nein, von Chemiewaffeneinsätzen seitens des Assad-Regimes in Syrien sei ihm nichts bekannt.

Nein, Russland habe mit dem Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine im Juli 2014 natürlich nichts zu tun.

Nein, er habe in Russland kein „autoritäres System“ errichtet, sondern an der Demokratie in seinem Land gebe es „keinerlei Zweifel“.

Nein,  die russische Wirtschaft erlebe kein Dilemma, sondern musste seit 2012 eine Reihe von Schwierigkeiten überwinden und befinde sich auf dem Weg der Besserung.

Österreich profitiert

Trotz allem: Wladimir Putin, schon  19 Jahre an der Spitze des flächenmäßig größten Staates der Welt, ist ein Polit-Profi ersten Ranges – und zugleich ein Großmeister für Manipulationen jeglicher Art. Gemäß seinem Anspruch, das  politisch isolierte und von wirtschaftlichen Sanktionen belastete  Russland wieder als Großmacht zu etablieren,  sozusagen die frühere Sowjetunion wenigstens machtmäßig wieder aufleben zu lassen, versteht er es geschickt darüber hinweg zu täuschen, dass es sich dabei in Wahrheit  um einen autokratisch gelenkten Moloch, eine ökonomische Misere, ein soziales Massenproblem und ein demokratiepolitisches Minenfeld handelt.

Der Kreml-Boss, der prinzipiell keinen Widerspruch duldet, inszeniert sich seit langem als One-Man-Show und bezeichnet Oppositionelle am liebsten als „Clowns“, die „reife Wähler“ in seinem Land kalt ließen und Russlands „freie Medien“ null interessieren. Obwohl die Reallöhne der Bürgerinnen und Bürger ständig sinken und viele Landsleute unterhalb der Armutsgrenze ihr Leben fristen, tut das seiner Popularität keinen Abbruch: Putin genießt nach wie vor  einen guten Ruf – ähnlich wie der unangefochtene Obmann eines Armenhauses – , und er darf darauf bauen, dass die absolute Mehrheit der russischen Bevölkerung voll hinter ihm steht. Schon seit Jahren schafft er es, mit seinen politischen Aktionen auf der Weltbühne die Massen von St. Petersburg über Novosibirsk bis Wladiwostok konsequent einzulullen und auf diese Weise von sämtlichen internen Troubles und Unzulänglichkeiten im angeschlagenen Riesenreich abzulenken.  Die Russen haben letztlich keine Ahnung, dass vieles, was sie von ihm ständig zu hören bekommen, mit der Realität nicht oder kaum  in Einklang zu bringen ist.

Im Ausland – insbesondere in Europa und den USA – hat sich Putin freilich mit einem miesen Image herumzuschlagen, das er dringend korrigieren möchte. Der Staatsbesuch in Österreich, das im Juli den EU-Vorsitz übernehmen wird,  soll  ein wesentlicher Schritt in diese Richtung sein. Wie wichtig ihm diese Visite ist, zeigt sich an der Tatsache, dass der russische Präsident mit einer riesigen Delegation angetanzt  ist, der gleich sieben Minister angehören. Im Kanzleramt wurden dann reihenweise Memoranden unterzeichnet, die die traditionell guten Beziehungen zwischen Österreich und Russland auf politischer, vor allem aber auf wirtschaftlicher Ebene intensivieren bzw. prolongieren sollen.

Österreich ist folglich der eine Profiteur des Putin-Besuchs, weil beispielsweise  die Geschäftsbeziehungen zwischen der Gazprom und der OMV bis ins Jahr 2040 verlängert wurden, was für die beiden Firmenchefs Alexej Miller und Rainer Seele der optimale Anlass war, sich intensiv zu umarmen. Der zweite Gewinner ist naturgemäß Putin, der in Wien nicht nur für seine österreichischen Freunde, sondern gleich auch für die Weltöffentlichkeit eine spektakuläre  Show abgezogen und dabei den Beweis geliefert hat, dass er ein recht sympathischer Kerl ist und nicht unbedingt ein blutrünstiger Ungustl. Der Kreml-Chef kann zwar nicht darauf hoffen, dass die EU-Sanktionen demnächst dank österreichischer Initiative  aufgehoben werden – das würden Kurz, Strache & Co. selbst bei bestem  Willen nicht schaffen.  Aber dass sich die heimische Politik bemühen wird, das Verhältnis zwischen der EU und Russland zumindest zu verbessern, ist nicht auszuschließen.

Die Charme-Offensive Putins in Wien wird freilich kein Einzelfall bleiben: Russland, von Kanzler Kurz ehrfurchtsvoll als „Supermacht“ tituliert, wird in Kürze auch mit einem sportlichen Großereignis ins internationale Blickfeld rücken, was dem Präsidenten erneut verstärkte Aufmerksamkeit garantieren dürfte. Bei der  Fußball-Weltmeisterschaft kann sich das Land  vom  14. Juni bis 15. Juli, so wie seinerzeit bei den Olympischen Spielen in Sotschi, der Welt gegenüber als freundlicher Gastgeber präsentieren – mit einem Good Guy an der Spitze. Es ist allerdings noch in bester Erinnerung, dass es bald nach dem Ende der Sotschi-Spiele zu jenem Ereignis kam,  das Putin bis heute abstreitet – zur gewaltsamen Annexion der Halbinsel Krim…

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