Donnerstag, 21. November 2024
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Herr Bundespräsident, schauen Sie auf diese Stadt!

Während Herr Gauck bei der „Münchener Sicherheitskonferenz“ – lange Zeit ein Salon der NATO- die Deutschen versucht, auf die Übernahme von mehr militärpolitischer Verantwortung in der Welt einzustimmen, spielt sich vor unserer Haustür im Mittelmeer ein humanitäres Drama ab, dessen Ausmaße an die ethnischen Säuberungen im Kosovo erinnern.

[[image1]]Die Rede ist vom sogenannten syrischen Bürgerkrieg und die Aufmerksamkeit des geschätzten Lesers soll auf jene Stadt gelenkt werden, deren Martyrium nicht nur die Freiheitssehnsucht der Syrer verkörpert, sondern auch das fortgesetzte Wegschauen des Westens gegenüber der Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

So wie sein Vater Hama vor mehr als 30 Jahren rücksichtslos bombardieren ließ und dabei circa 20.000 Tote in Kauf nahm, um seine Herrschaft zu festigen, konzentriert sich sein Sohn Baschar al-Assad auf die symbolträchtige Niederwerfung von Homs. Die von sogenannten regulären Truppen belagerte Stadt beherbergt immer noch, trotz ihrer nahezu vollständigen Zerstörung, erhebliche Teile der Zivilbevölkerung und die nimmermüden Kämpfer unterschiedlicher regimefeindlicher Kräfte. Dass sich darunter der eine und der andere Gotteskrieger befinden könnte, mag wahr oder nicht wahr sein. Es ändert nichts an dem Sachverhalt, der gerade jene anklagt, die Deutschland, wie der ehemalige Pastor Gauck, auffordern, nicht länger wegzuschauen oder sich gar zu drücken.

So liegt der Fall in Syrien, das trotz Diktatur, immer durch seine relative religiöse Toleranz vergleichbar mit Marokko auffiel. Es wollte im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 Anschluss an die rechtsstaatlichen Demokratien des Westens finden. Die Syrer, insbesondere jene, die im Ausland leben, sind im Westen als hochqualifizierte Fachleute in überwiegend gehobener Stellung tätig. Die Frage war nicht, ob sie das Land in die Demokratie hätten führen können, sondern wer diesen Führungsanspruch auch durchsetzen würde. Hingegen wollte die Familie Baschar al-Assad, die das Land regiert, als ob es ihr von Gott als Lehen gegeben worden ist, von Reformen nichts wissen. Seither führt al-Assad mit seiner Armee Krieg gegen das eigene Volk und lässt Milizen jene grausamen Akte an der Zivilbevölkerung durchführen, für die sich eventuell selbst seine regulären Truppen zu schade sind. Die Bilanz ist bekannt: fast 200.000 Tote und 3 Millionen Flüchtlinge. Wer –so wie viele Christen- es sich als Syrer leisten kann, verlässt das Land. Hätte der Westen frühzeitig die Freiheitsbewegung trotz ihrer Pluralität unterstützt, gäbe es jetzt eine homogenere Opposition und hätte das Regime nicht die Möglichkeit erhalten, militärische Hilfe von der schiitischen Hisbollah und vom Mullah-Regime aus dem Iran ins Land zu holen. Aber der Westen, einschließlich der deutschen Politikelite mit ihrem Bundespräsidenten, beschlossen, einmal mehr wegzuschauen und es den Vereinigten Staaten von Amerika sowie Russland oder den früheren Großmächten Großbritannien und Frankreich zu überlassen, Konzepte zu entwerfen. So spielten sich jene beiden Länder, Frankreich und England, in den Vordergrund, die im Zuge des Ersten Weltkriegs, den Nahen Osten neu geordnet hatten und zwar auf eine Art und Weise, die jedwede nachhaltige Stabilisierung, von Frieden ganz zu schweigen, unmöglich machen würde.

Das Morden in Syrien geht weiter

Zwischenzeitlich geht das Morden in Syrien weiter und die Verhandlungen zwischen diversen Oppositionsgruppen und der amtlichen Regierung in Genf wurden von Baschar al-Assad als unbedeutend für die Zukunft des Landes bezeichnet. Für Homs waren beide Seiten bereit, sich auf einen sogenannten humanitären Korridor zu verständigen. Hiernach sollten Frauen und Kinder die Stadt Homs verlassen können, natürlich um den regulären Truppen die Möglichkeit zu geben, ohne Rücksichtnahme die Stadt zu erobern und den letzten verbliebenen Kämpfern den Garaus zu machen.

Homs geht uns alle an und insbesondere denjenigen, der die Deutschen auffordert, nicht länger wegzusehen, wenn, zur Beilegung von Gewaltkonflikten deutsches Engagement gefordert wird. Doch Syrien und Homs sind zu weit für jene Provinzpolitiker, die die Bundesrepublik Deutschland regieren. Sie ziehen es vor, dass man, wie es die Franzosen geschickt tun, ihnen mit dem Finger auf der Karte den Flughafen von Bangui in Zentralafrika zeigt. Dort könne die Sicherheitslage nicht länger gewährleistet werden und französische Truppen bräuchten nun deutsche Hilfe. Vielleicht unternimmt der Herr Bundespräsident die Anstrengung, danach zu fragen, was deutsche Soldaten in Afrika mit Prolongierung des französischen Schutzmachtregimes zu tun haben. Die neue Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ehemalige Assistenzärztin und Familienpolitikerin, zeigte sich gegenüber französischen Wünschen mehr als aufgeschlossen und sieht bereits die Möglichkeit, derartige Interventionen der Bundeswehr publizistisch durch ihre Präsenz entsprechend zu begleiten. Doch hier gilt und dies sollte sich der Bundespräsident ins Stammbuch schreiben: gewiss darf sich Deutschland nicht länger mit Blick auf seine Geschichte vor internationalem Engagement drücken. Indessen kommt es drauf an, genau hinzuschauen und zweimal zu prüfen, ob, wann und wo deutsche Soldaten über die Landesgrenzen hinaus zum Einsatz kommen. Wenn sich Pastor Gauck und die unstillbar ehrgeizige neue Verteidigungsministerin dieser Anstrengung unterwerfen, werden sie den Flughafen von Bangui weiter den Franzosen überlassen, aber das ganze Gewicht Deutschland dafür nutzen, Syrien von seinem Schlächter zu befreien. Dazu ist ein deutsches Machtwort gegenüber Russland nötig, das ohne wirkliche Affinität zu al-Assad, seine Mittelmeerstrategie nicht vom Ausgang der syrischen Revolution abhängig machen will. Der Drang Russlands in warme Gewässer hat eine lange Tradition. Dies ist kein Grund für das Auswärtige Amt, das Gewicht Deutschlands gegenüber Russland nicht in die Balance zu werfen. Die letzten Widerständler im Homs warten auf Sie, Herr Bundespräsident. Schauen Sie nicht länger weg! Sonst wird alsbald auch in Syrien –so wie im Irak- eine Christenverfolgung von archaischem Ausmaß einsetzen.[1]



[1] Vgl. zur Vertreibung der Christen aus dem Irak, FAZ v. 26.02.2011, S. 31, “Der Exodus

 

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