Donnerstag, 21. November 2024
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Hilflos im globalen Steuerwettbewerb?

In vielen west- und mitteleuropäischen Ländern glauben Teile der Politik: Es gibt noch viele Möglichkeiten, aus Wirtschaft und Menschen noch mehr Steuererträge herauszuholen, Steuerschlupflöcher zu stopfen und vor allem die Multis auszupressen. Das klingt in den Ohren fast aller Politiker gut.

Das würde es ihnen erlauben, weiter Wählerbestechung durch ihren immer teurer werdenden Wohlfahrtsstaat zu betreiben, statt endlich das hypertrophe Wachstum des Staates zurückzustutzen. Nur: Es funktioniert nicht.

Am Ende trifft die Politik mit all ihren Steuererhöhungs-Aktionen immer nur den leistungswilligen Mittelstand im eigenen Land. Der ständig wachsende Steuerdruck auf den Mittelstand ist aber nicht nur längst unmoralisch, sondern hat auch gefährliche Folgen für den Staat. Denn er reduziert immer weiter die Leistungsbereitschaft der Bürger und er erhöht die Zahl der jungen und gut ausgebildeten Spitzenkräfte, die in andere Länder mit weniger Steuerdruck, weniger Filz und weniger Regulierung auswandern.

Die multinationalen Konzerne insbesondere aus der IT- und Internet-Welt wie Amazon oder Google erwischt man aber kaum. Dabei zahlen die gerade in den Hochsteuerländern überaus wenig Körperschafts-Steuern. Lediglich die Mehrwertsteuer, die ihren Kunden verrechnet wird, fließt (in beträchtlichem Umfang) in die jeweiligen Staatskassen.

Wie machen die Konzerne das, obwohl sie in ihren Bilanzen doch meist saftige Gewinne zeigen?

Die Konstruktion hat immer ein sehr ähnliches Schema: Die Lizenzen und Patente für die sehr hochentwickelten Dienstleistungen und Produkte der Multis gehören Tochtergesellschaften, die durchwegs in Niedrigsteuer-Ländern angemeldet sind. Dorthin fließen dann auch die hohen Gebühren für deren Nutzung. Diese sind meist so hoch, dass bei den Töchtern der Multis in Hochsteuerländern kaum ein versteuerbarer Gewinn bleibt.

Das freut die Niedrigsteuerländer enorm; sie erhalten trotz der niedrigen Sätze auf diese Weise hohe Steuereinnahmen. Das erfreut die Konzerne, denen höhere Gewinne bleiben. Das erzürnt die Finanzminister der Hochsteuerländer hingegen bis zur Weißglut.

Seit vielen Jahren tüfteln sie daher an Modellen, wie dieser Patent-Trick zu beenden wäre, wie man die Niedrigsteuerländer (in der EU, in Europa außerhalb der EU, auf karibischen oder pazifischen Inseln, in etlichen asiatischen Ländern) freiwillig dazu bringt, die Steuern gleichzuschalten. Das ist aber unmöglich.

Sollen EU und USA daher etwa mit militärischer Macht alle 200 Staaten dieser Welt zwingen, die Steuern auf – beispielsweise – österreichische oder deutsche Höhen hinaufzuschrauben? Ein absurder Gedanke. Man denke nur an die Hilflosigkeit Europas und der USA gegen den Wahnsinn des viele Länder terrorisierenden Islamismus. Wenn es nicht einmal zum Schutz von Millionen Menschenleben ein wirksames Engagement der dick und träge gewordenen Industriestaaten gibt, dann wäre es absurd, auf ein solches zur Erzwingung von gleichen Steuersätzen zu bauen. Noch dazu, wo es nicht einmal irgendwelche internationale Normen gibt, die gleiche Steuersätze vorschreiben.

Seit einiger Zeit wird nun – vor allem auf der Ebene der G20, also der 20 größten Wirtschaftsmächte der Welt – erwogen, die Zahlung von Lizenzgebühren an ausländische Firmenteile nur dann zu erlauben beziehungsweise steuerlich absetzbar zu machen, wenn dort auch wirklich die Forschung stattfindet, die zu den Patenten und Algorithmen geführt hat. Das klingt logisch. Nur kann das leider ebenfalls nicht funktionieren – selbst wenn es möglich wäre zu kontrollieren, wo die Forschung stattfindet (was es nicht ist).

Was würde im Fall einer solchen Regelung unweigerlich passieren? Dann würden binnen kurzem viele Forscher und Entwickler nicht mehr wie heute in Deutschland, Österreich, Frankreich oder den USA mit ihren unglaublich teuren Universitäten werken, sondern in Irland, in Luxemburg, in Osteuropa, auf den Kanalinseln, auf Bermuda und in Dutzenden anderen Niedrigsteuerländern. Denn übersiedelt ist heute sehr leicht. Vor allem für die Entwicklung von Algorithmen und anderen reinen Denkleistungen braucht man kaum mehr als einen Laptop und gute Leitungen zu großen Server-Farmen.

Es wäre übrigens auch unklug, die Server-Farmen steuerlich zu attackieren, die der billigeren Kühlung wegen meist in nördlichen Ländern stehen. Denn dann würden diese sehr bald nur noch in Russland aufgebaut werden, wo es die größte Landmasse der Erde in kalten Regionen gibt. Und eine Regierung, die der EU und den USA besonders gerne die lange Nase dreht.

Aber noch viel schlimmer wäre es eben, die steuerliche Absetzbarkeit der Zahlungen für unternehmensinterne Patente an den wirklichen Ort der Forschung zu knüpfen. Das hätte mittelfristig den umgekehrten Effekt des erwarteten. Es würde in großem Umfang zur Übersiedlung der Forscher und Entwickler in die Niedrigsteuerländer führen. Das wäre ein dramatischer Schaden für jene  Länder, wo diese heute arbeiten. Dann würden dort nicht nur weiterhin viele Steuern fehlen, sondern auch viele Leistungsträger mit ihren hohen Einkommen (für die sie immerhin persönliche Einkommensteuer zahlen).

Es gibt in Wahrheit nur zwei Wege, um diese Steuerflucht der Großkonzerne zu vermeiden, die für so viele Bürger, für so viele Klein- und Mittelbetriebe, die nicht flüchten können, so verheerend teuer kommt.

  • – Der eine Weg wäre eine deutliche Erhöhung der indirekten Steuern (das ist vor allem der Mehrwertsteuer) und eine gleichzeitige(!) spürbare Senkung der direkten (also Körperschafts- und Einkommensteuern). Der Mehrwertsteuer, die ja auch bei elektronischen Dienstleistungen direkt deren Konsum besteuert, können auch die Multis nicht entgehen. Und eine Senkung der direkten Steuern würde es vielfach überflüssig machen, Briefkastenfirmen in Niedrigsteuerländer zu verlagern.
    Nur: Eine Erhöhung der indirekten Steuern zugunsten der indirekten wird zwar von vielen Ökonomen vorgeschlagen; sie wird aber von vielen linken Parteien vehement abgelehnt. Denn die Mehrwertsteuer trifft optisch (und damit wählerwirksam) vor allem die Konsumenten, auch wenn insgesamt der Abgabendruck gleich bliebe oder geringer würde. Und daher fürchtet sich der linke Populismus davor.
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  • – Der zweite Weg wäre eine spürbare Reduktion der Staatsausgaben. Wenn die gelänge, müsste man nicht ständig nach neuen Steuereinnahmen gieren – was ja von der Registrierkassenpflicht bis zur Finanztransaktionssteuer ständig geschieht –, dann könnte man auch die im internationalen Wettbewerb besonders schädlichen Steuersätze reduzieren oder streichen. Aber das schafft die Politik schon gar nicht. Denn sie glaubt ja, sich mit einem immer teurer werdenden Pensionssystem oder leistungsfreien Mindesteinkommen die Gunst der Wähler erhalten zu können.

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