29. März 2017…16. April 2017…23. April 2017…7. Mai 2017 – diese Stichtage sind für die Zukunft der Europäischen Union von allergrößter Bedeutung:
– Der soeben in Brüssel eingereichte Scheidungsantrag der britischen Regierung, dem mit Sicherheit ein jahrelanger Rosenkrieg folgen wird,
– die Volksabstimmung in der Türkei über die geplante Errichtung eines Präsidialregimes, das letztlich zum endgültigen Bruch mit Brüssel führen würde,
– und die an zwei Sonntagen durchgeführte französische Präsidentenwahl, bei der die rechtsextreme Front National Chancen hat,
…diese drei Ereignisse werden die Richtung weisen, wie es mit den verbleibenden 27 EU-Staaten weitergeht.
Der Klub der 27, der erst am Samstag, dem 25. März, in Rom bei einem EU-Sondergipfel gefeiert hat, dass mit den Römischen Verträgen vor sechzig Jahren der Grundstein für das heutige Europa gelegt wurde, muss sich auf eine harte Bewährungsprobe gefasst machen. Der Austritt des Vereinigten Königreichs, das 1973 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) beigetreten ist, wird in den kommenden Jahren wohl das dominante Thema sein. Nachdem die britische Premierministerin Theresa May bereits einen brutale Trennung angekündigt hat – Großbritannien will sich aus dem Binnenmarkt, der Zollunion und dem Europäischen Gerichtshof verabschieden – wird es drauf ankommen, dass die EU-Mitgliedsstaaten sich nicht auseinander dividieren lassen, sondern möglichst mit einer Stimme sprechen. Vor allem vom Franzosen Michel Barnier als Chefunterhändler der Kommission sowie vom Belgier Guy Verhofstadt als Repräsentanten des Europa-Parlaments wird es letztlich abhängen, ob in rund zwei Jahren ein für die EU optimales Verhandlungsergebnis rausschaut oder nicht.
Auch wenn die EU-Granden den gewünschten Exodus der immer schon etwas problematischen Insel mit einer gewissen Wehmut quittieren, scheint die latente Depression auf Grund vieler ungelöster und etlicher anstehender Probleme derzeit einer pragmatischen Aufbruchstimmung zu weichen. Bei der Geburtstagsparty in Rom appellierte etwa Kanzlerin Angela Merkel an ihre Kollegen, „den Blick in die Zukunft zu richten“. Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel bezeichnete die 60-jährige Institution EU als „noch lange nicht reif für die Rente“. Und Ratspräsident Donald Tusk versuchte es mit Dramatik pur, den künftigen Kurs auf den Punkt zu bringen: „Europa als politische Gemeinschaft wird entweder vereint sein, oder es wird überhaupt nicht sein.“
Zittern vor Erdogan und Le Pen
Ännlich langfristig wie die Brexit-Verhandlungen werden sich auch die Konsequenzen des türkischen Referendums auswirken – was allerdings beinahe unabhängig vom Ausgang des Referendums am 16. April sein dürfte: Das Verhältnis des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu Brüssel ist nach den jüngsten Konflikten derart ramponiert, dass es beinahe als irreparabel eingestuft werden muss. Erdogan, der speziell seit dem gescheiterten Juni-Putsch im Vorjahr seine Macht radikal auszubauen trachtet, ist bei so gut wie allen EU-Mitgliedsstaaten unten durch: Nachdem er zigtausende Personen als Feinde des Regimes abstempeln und verhaften ließ, dabei Grund- und Freiheitsrechte ignoriert, die Medien total kontrolliert und die Justizbehörden entmachtet, und schließlich für wüste Verbalattacken sorgte, sind die Türkei und die Union künftig alles andere als Freunde – egal, ob Erdogans Landsleute für oder gegen die neuen Verfassungsbestimmungen votieren, die ihm geradezu diktatorische Vollmachten einräumen würden. Eine riesige Gefahr besteht jedenfalls darin, dass die Türkei, für die ein EU-Beitritt endgültig vom Tisch ist, als Revancheaktion ihren Flüchtlingsdeal mit Brüssel platzen lässt, was einen weiteren Asylantenstrom von ungeahntem Ausmaß nach sich ziehen könnte.
Die gewaltigen Troubles, die sich daraus für die Union ergäben, sind im Konnex mit dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich zu sehen: Sofern die rechtsextreme Gefahr, die Europa droht, nicht so wie in den Niederlanden abgewendet wird und – was freilich nicht wahrscheinlich scheint – Front National-Chefin Marine Le Pen doch in den Elysee-Palast einziehen wird, wäre endgültig Feuer am Dach. Die populistische, nationalistische und fremdenfeindliche Parteiführerin würde die negative Stimmung vermutlich derart anheizen, dass die EU an der Flüchtlingsfrage endgültig scheitern müsste. Dazu kommt, dass Le Pen die Franzosen über einen EU-Austritt abstimmen lassen würde, womit wiederum ein Schockresultat à la Großbritannien durchaus nicht auszuschließen wäre. Und ein „Non“ aus Frankreich wäre das absolut Letzte, was die Europäische Union gebrauchen könnte…das kräftige „No“ von Theresa May wird noch für genügend Zores sorgen…