Ab Mitte Dezember will das kleine Land wieder auf eigenen Beinen stehen. Die Rettung Irlands ist ein Meilenstein und damit die Erfolgsgeschichte, die Europa so dringend braucht. Trotzdem besteht noch kein Grund zum Überschwang.
[[image1]]“Irland ist auf dem Weg am 15. Dezember aus dem internationalen Rettungsschirm auszusteigen. Und wir kehren nicht zurück!“, betonte der irische Premier Enda Kenny am Wochenende unter dem lauten Jubel seiner Anhänger beim Parteitag der Fine Gael. Eine Ankündigung, die viele Schlagzeilen machte, dabei war sie eigentlich keine große Überraschung. Denn schon seit Anfang des Jahres hatten Irlands Spitzenpolitiker keine Gelegenheit ausgelassen nachdrücklich zu versichern, dass das kleine Land an der westlichen Peripherie Europas plangemäß Ende 2013 wieder auf eigenen Beinen stehen will. Hätte es Kenny also versäumt, diesen Termin zu bestätigen, wäre das die wahre Sensation gewesen.
Die Tatsache, dass es nun schon zwei Wochen früher als geplant so weit sein könnte, sollte man als PR-Trick einer Regierungspartei sehen, die von ihrem Juniorpartner in der Koalition immer stärker unter Druck gesetzt wird, das Sparziel zu lockern. Interessanter ist da schon der Hinweis, Irland habe genug Barreserven, um auf die Aufnahme einer zusätzlichen vorsorglichen Kreditlinie in Höhe von zehn Milliarden Euro zu verzichten, die Kenny im Juni ins Gespräch gebracht hatte.
EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte Irland kürzlich gute Chancen eingeräumt den Rettungsschirm auch ohne diese Kreditlinie, die ein Sicherheitsnetz darstellen würde, zu verlassen. Ohne Notfall-Kreditlinie hätte Irland in der Wirtschaftspolitik größere Freiheiten. Allerdings wäre dem Land dann auch der Zugang zum sogenannten OMT-Anleihe-Kaufprogramm der EZB verwehrt. Aber mit Reserven in Höhe von 25 Milliarden Euro, die die irische Schuldenagentur NTMA in den letzten 18 Monaten aufgebaut hat, verfügt Irland über ein gutes Polster um 2014 zu überstehen, ohne an die Kapitalmärkte zu gehen.
Vorbild Irland
Ende 2010 hatten die EU und der IWF Irland ein Rettungspaket in Höhe von 67,5 Milliarden Euro gewährt. Das Land war zuvor wegen der dramatischen Schieflage der einheimischen Banken ins Trudeln geraten, die jahrelang die Immobilienblase Irlands angeheizt hatten. Bisher laufen noch in Griechenland, Portugal und Zypern Unterstützungsprogramme der EU und des IWF. Spanien erhielt Kredite zur Stützung seines Bankensektors. „Ein sauberer und fristgerechter Ausstieg Irlands wäre ein Riesenerfolg für das Krisenmanagement der Eurozone“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. „Das irische Beispiel dürfte auch Portugal den Mitte 2014 geplanten Ausstieg erleichtern, obwohl Portugal wohl eine Notfallkreditlinie brauchen wird, um seinem Exit aus dem Rettungsschirm nachzuhelfen“, so Schmieding.
Beachtliche Leistungen
Unter allen europäischen Sorgenkindern gilt Irland als Musterschüler, wenn es um die Erfüllung der von der Troika aus EU, EZB und IWF gesetzten Auflagen ging. Von Anfang an erhielt Irland bei den vierteljährlichen Kontrollberichten gute Zensuren. Seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat Irland insgesamt 28 Milliarden Euro eingespart; das Land, das 2010 nach der Rettung der Banken ein Haushaltsdefizit von 30,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufwies, hat große Fortschritte beim Schuldenabbau gemacht: Heute liegt das Haushaltsdefizit bei rund sieben Prozent des BIP, drei Viertel der bis 2015 geplanten Haushaltseinsparungen im Umfang von 33,4 Milliarden Euro wurden bereits umgesetzt.
Die Bevölkerung machte diese Rosskur ohne Murren mit obwohl die Gehälter der Staatsbediensteten gekürzt und der großzügige irische Wohlfahrtsstaat gestutzt wurde. Die Arbeitslosigkeit stieg vorübergehend auf über 15 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit gar auf knapp über 30 Prozent. Dennoch kam es weder zu Unruhen noch Massendemonstrationen – statt dessen wanderten viele Iren aus.
Neuer Sparhaushalt ist weniger ehrgeizig
Am morgigen Dienstag wird Finanzminister Michael Noonan im irischen Parlament den siebten Sparhaushalt der letzten sechs Jahre vorstellen. Seit vergangener Woche ist allerdings klar, dass der Haushaltsentwurf für 2014 lediglich Einschnitte und Steuererhöhungen von 2,5 Milliarden enthalten wird statt der ursprünglich mit der Troika vereinbarten 3,1 Milliarden Euro. Dennoch wird es laut Noonan gelingen, 2014 das Defizitziel von 5,1 Prozent des BIP zu unterschreiten und auf 4,8 Prozent des BIP zu drücken. Denn im laufenden Fiskaljahr seien die Steuereinnahmen höher und die Ausgaben der Ministerien geringer ausgefallen als erwartet, so der Finanzminister. Die Tatsache, dass nun 600 Millionen Euro weniger gespart werden, ist ein Zugeständnis von Kenny und Fine Gael an die Sparmüdigkeit vieler Iren, die sich schlechten Umfrageergebnissen für die Labour-Partei niederschlägt. Aus Rücksicht auf den Koalitionspartner entschloss sich Kenny, die Zügel etwas zu lockern.
Doch Irland ist noch nicht „überm Berg“
Allerdings: „Es liegen unsichere Zeiten vor uns. Der Weg ist noch weit“, warnte der Regierungschef. Vor allem das geringe Wachstum und die steigende Zahl fauler Kredite bei den Banken gelten als Schönheitsfehler des Musterschülers. Zwar gelang es Irland im zweiten Quartal wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent zu vermelden und es gibt vermehrt Zeichen der Hoffnung, was die konjunkturelle Erholung betrifft. Die irische Notenbank hat ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr jedoch um 0,1 Prozentpunkt auf 0,5 Prozent gekürzt und auch für 2014 mit einem Plus von 2,0 Prozent nach unten korrigiert.
Auch der IWF hat seine Prognosen nach unten revidiert: er rechnet 2013 mit einem Wachstum von nur 0,6 Prozent und 2014 von 1,8 Prozent. Inzwischen ist die Arbeitslosenquote mit 13,3 Prozent auf den niedrigsten Stand seit dreieinhalb Jahren gefallen. Vor allem in Dublin gibt es Zeichen für wachsende Nachfrage – auch auf dem Immobilienmarkt. Doch die Wirtschaft im restlichen Land hat sich noch nicht so gut erholt. Besorgniserregend ist auch der hohe Schuldenstand: er soll im laufenden Jahr 123 Prozent des BIP erreichen und danach wieder sinken. Doch dafür sind gute Wachstumsraten erforderlich. Irland aber muss auch nach dem Ausstieg aus dem Rettungspaket weiter sparen, um 2015 das von der Troika gesetzte Ziel zu erreichen, sein Haushaltsdefizit auf mindestens drei Prozent des BIP zu reduzieren. Da es im Etat 2014 nun weniger sparen will als zunächst geplant, wird es im Herbst nächsten Jahres dafür mehr kürzen müssen als eigentlich vorgesehen, um 2015 die Punktlandung zu sichern.
Die Banken machen Sorge
Als größtes Risiko Irlands gelten allerdings weiterhin die Bilanzen seiner Banken. Der eigentlich für diesen Herbst geplante Stresstest wurde auf nächstes Jahr verschoben, um Irland in Einklang mit den übrigen EU-Banken zu bringen. Doch es ist bereits bekannt, dass etwas mehr als ein Viertel der Kredite als notleidend eingestuft werden müssen. Schuld daran sind vor allem die hohen Rückstände bei den Hypotheken, denn die Zahl der Schuldner, die sechs Monate und mehr im Zahlungsrückstand sind, steigt an. Auf Anweisung der irischen Zentralbank durchforsten Irlands Banken seit dem Spätsommer ihre Bilanzen, Ende des Monat müssen sie die ersten Ergebnisse an die Zentralbank melden und diese werden wohl eine wichtige Rolle spielen, wenn in den nächsten Wochen die Diskussionen um den Ausstieg Irlands aus dem Rettungspaket in Brüssel konkreter werden.