Donnerstag, 21. November 2024
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Island legt EU-Beitrittsverhandlungen auf Eis

Die neue isländische Regierung will die EU-Beitrittsverhandlungen so lange ruhen lassen, bis sich die Bevölkerung in einem Referendum ausdrücklich dafür ausgesprochen hat. Für die EU ist das eine bittere Entscheidung, zeigt sie doch, dass die Union an Attraktivität eingebüßt hat.

[[image1]]2009, unter dem Eindruck der Finanzkrise, hatte der Inselstaat sein Beitrittsgesuch in Brüssel eingereicht. Damals lag die Wirtschaft am Boden, die isländische Krone befand sich im freien Fall. Anders als in den EU-Mitgliedsstaaten hat Island seine Banken nicht auf Kosten der Steuerzahler saniert. Die drei maroden Finanzinstitute Kaupthing, Landsbanki und Glitnir, deren Einlagen sich auf das Zehnfache der isländischen Wirtschaftsleistung beliefen, wurden abgewickelt.

Präsident Olafur Ragnar Grimsson hält die Vorgehensweise für einen Teil des Erfolgs: „Ich finde es sehr interessant, dass das einzige Land, in dem die Bürger nicht für die Schulden von privaten Banken aufkommen müssen, sich wirtschaftlich viel besser stellt, als die europäischen Länder, die dem Druck der Finanzmärkte folgten.“

Ende 2011 hat Island das Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds verlassen und steht nun wieder auf eigenen Beinen. Im vergangenen Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 Prozent, während es in der Eurozone um 0,6 Prozent schrumpfte. Nach dem Einbruch der Wirtschaft hat Island mittlerweile den Lebensstandard von 2004-2005 erreicht. „Die Situation in Island ist nicht zu vergleichen mit der Situation in Südeuropa“, betont Präsident Grimsson.

Absage in Richtung EU

Umso unangenehmer ist die Absage in Richtung EU. Eine Erfolgsgeschichte wie Island hätte viele in Brüssel gerne schnell als Teil der Union gesehen. Erweiterungkommissar Stefan Füle hatte lange gehofft, dass die Verhandlungen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden könnten. In 80 Prozent der sogenannten Beitrittskapitel sind die Arbeiten weit vorangeschritten, alleine die Fischereipolitik blieb als Stolperstein.

Die neue Mitte-Rechtsregierung von Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson von der Fortschrittspartei und sein Finanzminister Bjarni Benediktsson, Chef, der Unabhängigkeitspartei hat in ihrer Koalitionsvereinbarung nun aber festgeschrieben, dass die Beitrittsverhandlungen auf Eis gelegt werden sollen, so lange sich die Bevölkerung nicht ausdrücklich dafür ausgesprochen hat. Noch steht nicht fest, wann genau in den kommenden vier Jahren die Volksabstimmung stattfinden soll in. Ein klares Ja für Verhandlungen mit der EU ist jedoch unwahrscheinlich, seit geraumer Zeit spricht sich gerade einmal ein Viertel der Isländer für einen EU-Beitritt aus.

Schon vor der Eurokrise überwog unter den Isländer die Skepsis gegenüber der Union. Seit sich in der Eurozone eine Rettungsaktion aber beinah nahtlos an die andere reiht, wächst der Eindruck in Island, dass man alleine besser auskomme. „Wer möchte sich schon in einem brennenden Hotel einmieten?“, brachte im vergangenen Jahr die Präsidentschaftskandidatin Thora Anorsdottir dieses Gefühl auf den Punkt.

Anders als Länder wie Griechenland, Portugal und Irland, die Teil einer Währungsunion sind, konnte Island sich durch die Abwertung seiner Krone einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Strategie ist aufgegangen, dank des günstigeren Wechselkurses hat beispielsweise der Tourismus in Island stark zugenommen.

Beitritt Islands wäre attraktiv

Für Brüssel wäre ein Beitritt Islands attraktiv, weil das Land in Sachen Energie und Klimaschutz ein Musterschüler ist. 100 Prozent des isländischen Stroms kommt aus erneuerbaren Energien, wobei die  Wasserkraft drei Viertel ausmacht. Geheizt wird auf der Insel wird fast ausschließlich mit Erdwärme geheizt. Island hofft, künftig mehr Energie exportieren zu können und weitere große Investoren mit dem Versprechen niedriger Strompreise ins Land zu locken.

In Brüssel hätten viele auch gerne einen Beitritt gesehen, weil es sich bei Island um die älteste Demokratie der Welt handelt. Wie lebendig diese Demokratie ist, haben die Isländer im vergangenen Jahr bewiesen. Als weltweit erster Politiker ist der ehemalige Ministerpräsiden Geir Haarde für Verfehlungen während der Finanzkrise schuldig gesprochen worden. Ein Sondergericht kam zu dem Schluss, dass er seine Minister nicht über die bedrohliche Lage des Finanzsystems informiert hatte. Eine Strafe muss Haarde nicht verbüßen – aber das Vorgehen ist meilenweit entfernt von der Situation in Ländern wie Griechenland und Zypern, wo Zuständigkeiten nicht geklärt wurden.

 

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