Samstag, 21. Dezember 2024
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Ist Grün bald auch die EU-Modefarbe?

Seit kurzem werden sie in den heimischen Medien über den grünen Klee gepriesen: Ziemlich genau drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung haben Österreichs Grüne nach einer wechselvollen Geschichte so etwas wie den Zenith erreicht. 1983 waren sie am Einzug ins Parlament noch gescheitert, vier Jahre später gelang der legendären Freda Meissner-Blau dieses Kunststück, und 2006 wurden sie bei den Nationalratswahlen sogar – wenn auch ex aequo mit der FPÖ – auf Bundesebene drittstärkste Partei. Seit fünf Jahren wieder nur auf Platz vier, stellen sie derzeit 20 Abgeordnete im Hohen Haus. Parteichefin Eva Glawischnig-Piesczek und ihr Team dürfen nach den Wahlsiegen bei vier Landtagswahlen allerdings hoffen, endlich den großen Durchbruch zu schaffen – und in der Bundesregierung zu landen.

[[image1]]Die Grünen sind im Superwahljahr 2013 jedenfalls ausgezeichnet unterwegs und eilten bislang von Sieg zu Sieg. Sie konnten sowohl in Niederösterreich und Kärnten als auch in Tirol und Salzburg stimmenmäßig und bis auf eine Ausnahme auch mandatsmäßig zulegen – einziger Wermutstropfen war, dass auch Frank Stronach bei der Premiere bis auf Tirol gar nicht so schlecht abschnitt und die Grünen in Niederösterreich sogar hinter sich ließ. In Kärnten sitzt Rolf Holub als Landesrat schon im Dreierbündnis, in Tirol ist die bisherige Oppositionspartei in die VP-geführte Landesregierung eingezogen, und nach dem Triumph in Salzburg, wo sie sich gleich um 12,8 Prozentpunkte auf mehr  20 Prozent Stimmenanteil steigern konnte, stehen ihre diesbezüglichen Chancen auch nicht schlecht. Damit wäre Grün insgesamt in fünf Ländern Regierungspartner, denn in Oberösterreich und Wien hat die Partei mit Rudi Anschober und Maria Vassilakou den Sprung an die Machthebeln bereits geschafft. Wenn die Nationalratswahl im Herbst ähnlich gut läuft, wäre sie erstmals ein Ernst zu nehmender Koalitionspartner.

Damit sind Österreichs Grüne jedenfalls weitaus erfolgreicher unterwegs und verspüren mehr Aufwind als alle europäischen Schwesternparteien. Von den 39 Gruppierungen, die in der 2004 gegründeten „Europäischen Grüne Partei“ verbündet sind, haben nämlich lediglich vier bei der letzten Wahl eine kritische Größe von mehr als zehn Prozent Stimmenanteil erreicht – neben jenen in Österreich, Belgien und Luxemburg vor allem das deutsche Bündnis 90 / Die Grünen. Dieses war bereits sieben Jahre an einer deutschen Bundesregierung beteiligt, stellt in Baden Württemberg den ersten grünen Ministerpräsidenten und mischt auf Landesebene obendrein in fünf rot-grünen Koalitionen mit – in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Mit derzeit 60.000 Mitgliedern und 68 Abgeordneten im Bundestag sind Deutschlands Grüne die klare Nummer drei, aber ob die beiden Parteichefs Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckhardt im September die von den Meinungsforschern prophezeihten 14 bis 15 Prozent der Stimmen schaffen werden, steht noch in den Sternen. Und die Frage, ob künftig in Berlin mit den Grünen wieder als Juniorpartner zu rechnen sein wird, ist völlig offen.

Mehr Umweltschutz, weniger Homosexualität

Zur Zeit sitzen Grün-Politiker bloß in einem EU-Staat in der nationalen Regierung: Die finnische „Vihreät“, lediglich die sechststärkste Partei im Lande, stellt immerhin zwei Minister, die unter Ministerpräsident Jyrki Katainen in einer Sechs-Parteien-Koalition dienen. Fast alle übrigen agieren – mit Ausnahme der „Les Verts“ in Frankreich, der schwedischen „Miljöpartiet de Gröna“ und vielleicht auch noch der ungarischen „Lehet Más a Politika“ – praktisch unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Sie grundeln, wie in Estland oder Griechenland, zumeist unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze dahin, sind folglich gar nicht in den Volksvertretungen präsent und führen somit ein bescheidenes Schattendasein. Die zumeist jungen, teilweise auch recht engagierten Parteien mit im Kern wichtigen Zielsetzungen haben es in der Regel jedenfalls noch nicht geschafft, sich als Alternative zu den etablierten Altparteien zu profilieren. Das hat mehrere Ursachen, beispielsweise ungeeignete Spitzenkandidaten, zu unpräzise Parteiprogramme, mangelhafte Organisationsstrukturen und zu geringe finanzielle Mittel, was dazu führt, dass sie ihre Botschaften schwer an die Wählerinnen und Wähler bringen und sich kein markantes Profil erarbeiten können. Sie verzetteln sich, was auch für Österreichs Grüne galt und gilt, auch thematisch gerne und oftmals, wenn sie von ihrem ureigensten Core-Business, dem Umweltschutz, abdriften in Bereiche wie Homosexualität, Kinderschutz oder andere zwar nicht unwichtige, aber in der Prioritätenliste eher als sekundär eingestufte gesellschaftliche Probleme.

Im Europäischen Parlament ist die Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ mit 51 grünen Abgeordneten aus 15 Mitgliedsstaaten jedenfalls der viertstärkste Block. Die meisten EU-Parlamentarier stellen Frankreich (16) und Deutschland (14), gefolgt von Großbritannien (5), Belgien und Schweden mit jeweils vier Abgesandten sowie den Niederlanden mit drei. Die restlichen Grün-Parteien  bringen es im EU-Parlament wie Österreich entweder auf zwei oder gar nur einen Repräsentanten. Interessant ist, dass immerhin acht Grün-Parteien bei der letzten Europa-Wahl im Jahr 2009 mehr als zehn Prozent Zustimmung erhielten, am meisten die belgische „Ecolo“ mit 23 Prozent – Österreichs Grüne lagen knapp unter der 10 Prozent-Marke. Trotzdem sind die Einflussmöglichkeiten der primär auf Umweltschutz getrimmten Grünen selbst in ihrem Kernbereich relativ gering, weil sie auf nicht einmal sieben Prozent der ingesamt 754 Mandate kommen. Die grünen EU-Abgeordneten arbeiten zwar dem Vernehmen nach recht fleißig und bringen laufend zahlreiche Probleme ein, die einer Lösung harren, aber als Minorität tun sie sich in der Regel enorm schwer, auch etwas durchzuboxen. Von den zwei dominanten Fraktionen, die größenmäßig in unerreichbarer Ferne sind, werden sie oft im Kreis herumgeschickt und damit scheibchenweise ihrer Substanz beraubt. Die Konservativen und Sozialdemokraten fühlen sich den einschlägigen Lobbys, die neue Umweltauflagen hassen wie die Pest, im entscheidenden Moment eben doch meistens verpflichtet.

Die Hoffnung, dass es mit den Grünen möglichst bald, zum Beispiel schon bei den EU-Wahlen 2014, aufwärts geht, stirbt zwar zuletzt, aber besonders realitätsnah ist sie nicht gerade. Auch wenn man anmerken sollte, dass eine Regierungsbeteiligung dieser Partei da und dort nicht nur vorstellbar, sondern durchaus auch von Vorteil wäre, weil damit verkrustete Allianzen zwischen den beiden großen Lagern beendet wären. Für die Ressorts Umwelt, Verkehr, Frauen, Familie, Gesundheit oder Soziales scheinen sie naaturgemäß besonders prädestiniert zu sein. Die Grünen werden aber – siehe Österreich – nur dann merklich zulegen können, wenn sie sich im ureigensten Bereich stärker mit Erfolgs-erlebnissen profilieren und zugleich glaubhaft machen könnten, dass sie beispielsweise für mehr Sauberkeit und Sparsamkeit in der Politik kämpfen, für gelebte Demokratie in allen Bereichen eintreten sowie beherzt für die anderswo verloren gegangene Bürgernähe stehen – kurzum: dass sie im Stande sind, eine neue Art von Politik zu betreiben. So relativ simpel sich das auch anhört, summa summarum ist es ein ziemlich langwieriges und mühsames Konzept, dessen Umsetzung etliche Jahre inm Anspruch nehmen kann. Das bedeutet somit: Nein, Grün wird so bald nicht die Modefarbe der Europäischen Union sein …

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