Am 6. Juni ist die gesamte österreichische Bundesregierung in Brüssel aufmarschiert, weil es für sie bald ernst wird: Die Republik übernimmt bekanntlich am 1. Juli 2018 für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Zum dritten Mal – nach 1998 und 2006 – wird Österreich sozusagen an der Spitze der Staatengemeinschaft stehen. Folglich ist es höchste Zeit, dass sich europaweit herumspricht, wer beispielsweise Herr Strache ist, was Herr Löger macht und wie Herr Kickl tickt.
Nach monatelangen peniblen Vorbereitungen auf das politische Großereignis, das vor allem Kanzler Sebastian Kurz eine massive Aufmerksamkeit sichern soll, werden am kommenden Dienstag die Präsidenten des Europäischen Parlaments in Wien mit der österreichischen Bundesregierung zusammentreffen. Bereits zwei Tage danach sind die Staatssekretäre und Generalsekretäre der Außenministerien sämtlicher EU-Mitgliedstaaten in der Bundeshauptstadt zu Gast. Und am 30. Juni schiebt sich Schladming mit einem folkloristischen Top-Event in den Mittelpunkt des Interesses, wenn Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow auf der Planai im Zuge eines Gipfelpicknicks den Ratsvorsitz symbolisch an Bundeskanzler Kurz übergeben wird. Gleichzeitig sollen alle Europäerinnen und Europäer mit einem Mega-Programm in Schladmings Fußgängerzone und abends im Planai-Stadion mit einem Monster-Konzert musikalisch willkommen geheißen werden. Der Eintritt ist kostenlos.
Nach der folkloristischen Show in unseren Bergen beginnt für Kurz & Co. eine stressige Phase: Von 1. Juli bis 31. Dezember finden in Österreich fast 300 unterschiedlichste EU-Termine statt, die allesamt unter dem Generalmotto „Europa, das schützt“ stehen. In Wien wird es die allermeisten Veranstaltungen geben, nämlich etwa 250. Gleich am 2. Juli findet im Austria Center Vienna, wo nicht weniger als 120 Mal getagt wird, ein zweitägiges informelles Treffen des „Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI)“ statt.
Störkonferenz und Radgipfel
Nur wenige Tage danach stehen die Fachkonferenz „Die Zukunft der Berufsbildung in Europa“ und die „Europäische Störkonferenz“ auf dem Programm, wobei es bei letzterer um Unruhestiftung, sondern um Fische geht. In weiterer Folge tagen sämtliche für Wettbewerbsfähigkeit zuständige Minister, und nach der obligaten August-Pause der EU wird es dann überhaupt Schlag auf Schlag gehen: Nach einer von Karin Kneissl geleiteten Tagung aller Außenministerinnen und -minister Ende August in Wien werden am 20. September die Staats- und Regierungschefs in Salzburg zum obligaten Herbstgipfel und damit dem spektakulärsten Ereignis der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft antreten.
Die Mozart-Stadt wurde alles in allem für vier Ereignisse auserkoren, darunter den „Europäischen Radgipfel“ am 25. und 26. September, bei dem nicht um Ratschläge geht, sondern um Fahrräder. Ebenfalls vier Mal kommt Linz zum Zug, wo u.a. ein Zusammentreffen der europäischen Energieminister und eine „Energie-Konferenz“ stattfinden werden. Häufiger – nämlich acht Mal – darf sich Graz in Szene setzen, wobei Themen wie nachhaltige Energie, KMU und eine „Weltraumkonferenz“ im Fokus stehen. Innsbruck wird sich sieben Mal in Szene setzen, beispielsweise mit einer Tagung der Justiz- und Innenminister Mitte Juli und einem Meeting der Handelsminister Anfang Oktober.
Jeweils für eine Veranstaltung dürfen Bregenz, Mondsee, Krems, Mauerbach, Laxenburg, Schloss Hof, Anbau, Pamhagen und Eisenstadt sorgen. Die Anlässe reichen von einem Treffen der Direktoren für ländliche Entwicklung (Bregenz) über die Tagung der Landwirtschaftsminister (Schloss Hof) bis zur IT-Fachkonferenz „Digitale Strategien im Schulbereich“ (Eisenstadt).
Die Innenpolitik wird pausieren
So richtig der Teufel sollte freilich in Wien los sein, wo unentwegt wichtige EU-Menschen aufkreuzen werden, um sich im Blitzgewitter der Fotografen den Fragen zahlloser Journalisten zu stellen. Auftakt wird ein Treffen des Haushaltsausschusses sein, gefolgt von der Tagung der Euro-Gruppe am 7. und 8. September, bei der sich die hoffentlich vollzählig anwesenden Finanzminister mit den üblichen relevanten Fragen befassen müssen. Nur wenige Tage später werden die Ressortchefs und -chefinnen unter der Regie von FP-Ministerin Beate Hartinger-Klein zum Stelldichein zusammentreffen. Am Programm stehen ferner eine „Jugendkonferenz“, eine Tagung zum Thema Architekturpolitik, eine Großveranstaltung zum Bereich Sicherheit und Migration, ein „Forum nationaler Ethikrätinnen und -räte“, die Konferenz „Digitalisierung der Arbeit“, die „EU-Wasserkonferenz“, ein informelles Treffen der Gruppe „Zollunion“, das „17. Europäisches Tourismusforum“ und-und-und…
Es wird der „Tag des Sports“ feierlich begangen, damit sich auch Vizekanzler HC Strache ein Mal präsentieren kann (22. September), zwei Tage später der „Europäische Wettbewerbstag“ zelebriert, im Oktober geht es dann u.a. um die europäische Luftfahrtstrategie, die Medien- und Kreativwirtschaft, Pflanzenschutz und die internationale Chemiepolitik. Bei den Veranstaltungen im November werden zum Beispiel Themen erörtert wie „Starke Gemeinden für ein bürgernahes Europa“, die „Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung historisch bedeutender Gebäude“ oder im Zuge eines multinationalen Workshops der Bereich „Schlepperei / Menschenhandel“. Um Kriminalitätsvermeidung geht es schließlich im Dezember beim „Meeting of the European Crime Prävention Network“, was naturgemäß perfekt zur rot-weiß-roten Strategie passt, die das Thema Sicherheit ins Zentrum der österreichischen Bemühungen rücken möchte.
Österreich Bundesregierung, die sich während des EU-Ratsvorsitzes als neutraler Vermittler verstehen will, bietet jedenfalls ein breites Programm auf, um sich auf möglichst positive Weise in Szene setzen zu können. Die handelnden Akteure werden von Sebastian Kurz abwärts wohl dermaßen ausgelastet sein, dass die Innenpolitik in den kommenden sechs Monaten weitgehend pausieren muss. Die Chance, einmal auf europäischer Ebene im Zentrum zu stehen und die EU-Strategie in einer durchaus spannenden Phase mehr als sonst beeinflussen zu können, lässt sich die türkis-blaue Koalition gut und gerne 100 Millionen Euro kosten. Wie gut diese Summe angelegt ist – sprich: was Österreich tatsächlich durchsetzen kann – werden wir an dieser Stelle in Kürze analysieren…
NICHT ALLE HIGHLIGHTS FINDEN IN WIEN STATT
Im zweiten Halbjahr werden auch in Brüssel und Luxemburg wichtige EU-Termine über die Bühne gehen:
JULI
13.07.2018, Brüssel:
Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (Ecofin)
24.07.2018, Brüssel:
Rat „Wirtschaft und Finanzen/Haushalt“ (Ecofin / Haushalt)
SEPTEMBER
04.09.2018, Brüssel:
Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee
10.09.2018, Brüssel:
Rat „Landwirtschaft und Fischerei“
18.09.2018, Brüssel:
Rat „Allgemeine Angelegenheiten
27.09.2018, Brüssel:
Rat „Wettbewerbsfähigkeit“
OKTOBER
01.10.2018, Luxemburg:
Euro-Gruppe
02.10.2018, Luxemburg:
Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (Ecofin)
09.19.2018, Luxemburg:
Treffen mit den Ministerinnen und Ministern der Östlichen Partnerschaft zu Umwelt und Klimawandel
09.10.2018, Luxemburg:
Rat „Umwelt“
11.10.2018, Luxemburg:
Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“
11./ 12.10.2018, Luxemburg:
Rat „Justiz und Inneres“
15.10.2018, Luxemburg:
Rat „Auswärtige Angelegenheiten“
15. / 16.10.2018, Luxemburg:
Rat „Landwirtschaft und Fischerei“
16.10.2018, Luxemburg:
Rat „Allgemeine Angelegenheiten“
18. /19.10.2018, Brüssel:
Europäischer Rat
NOVEMBER
05.11.2018, Brüssel:
Euro-Gruppe
06.11.2018, Brüssel:
Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (Ecofin)
09.11.2018, Brüssel:
Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ – Handel
12.11.2018, Brüssel:
Rat „Allgemeine Angelegenheiten“
19.11.2018, Brüssel:
Rat „Auswärtige Angelegenheiten“
16.11.2018, Brüssel:
Rat „Wirtschaft und Finanzen/Haushalt“ – Budget
19. / 20.11.2018, Brüssel:
Rat „Landwirtschaft und Fischerei“
26.11.2018, Brüssel:
Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ – Entwicklung
26./ 27.11.2018, Brüssel:
Rat „Bildung, Jugend, Kultur und Sport“
30.11.2018, Brüssel:
Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ – Forschung Weltraum
DEZEMBER
03.12.2018, Brüssel:
Euro-Gruppe
3. / 04.12.2018, Brüssel:
Rat „Verkehr, Telekommunikation und Energie“
04.12.2018, Brüssel:
Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (Ecofin)
06.12.2018 – 07.12.2018, Brüssel:
Rat „Justiz und Inneres“
6./ 07.12.2018, Brüssel:
Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“
10.12.2018, Brüssel:
Rat „Auswärtige Angelegenheiten“
11.12.2018, Brüssel:
Rat „Allgemeine Angelegenheiten“
13. /14.12.2018, Brüssel:
Europäischer Rat
17./ 18.12.2018, Brüssel:
Rat „Landwirtschaft und Fischerei“
19.12.2018, Brüssel:
Rat „Verkehr, Telekommunikation und Energie“
20.12.2018, Brüssel:
Rat „Umwelt“