Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen im Herbst 2019 gehörte der erste Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Walter Geyer, dem Team der Grünen an.
Geyer saß von 1986 bis 1988 für die Grünen im Parlament und kehrte dann zur Staatsanwaltschaft zurück; er leitete die Staatsanwaltschaft Korneuburg, war Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien und stand von 2009 bis 2012 an der Spitze der WKStA.
Im Dezember 2019 war davon die Rede, dass einige Grüne Geyer gerne als Justizminister gesehen hätten (1), die Entscheidung fiel letztlich zwischen Alma Zadić und ihm (2).
Zadić kandidierte 2017 bei Peter Pilz gegen die Grünen, zu denen sie jedoch bei der Wahl 2019 wechselte (3).
2017 gehörte Walter Geyer zu jenen Prominenten, die dazu aufriefen, die Grünen zu wählen, weil es diese Partei im Parlament brauche (4).
Bereits 1988 legte Walter Geyer sein Mandat zurück, nachdem die Klubobfrau der Grünen, Freda Meissner-Blau, zurückgetreten war (5). Es war vorgesehen, dass Geyer Mitglied des Lucona-Untersuchungsausschusses wird, doch nun kam Peter Pilz zum Zug, der auf diese Weise zum „Korruptionsjäger“ wurde (6).
Pilz wurde im Lucona-U-Ausschuss von Walter Geyers Ehefrau Marianne unterstützt, die 1990 für den Nationalrat kandidieren wollte, jedoch in Wien nur auf Platz 11 der grünen Liste gewählt wurde (7).
Walter Geyer blieb den Grünen verbunden, etwa als Vorstand des Vereins für Bürgerinitiativen, in den die Abgeordneten einzahlen (8). Dieser Verein bietet Kostenübernahme in Rechtsstreitigkeiten an, was sich nicht auf ökologische Themen beschränkt (9). Walter Geyer war auch in regem Austausch mit Justizsprecherin Terezija Stoisits (10), die sich 2005 in einer abweichenden persönlichen Stellungnahme zur Reform der Strafprozessordnung explizit auf ihn bezog (11).
Walter Geyer gehört gemeinsam mit Hubert Sickinger von Transparency International dem Beirat des Forum Informationsfreiheit an (12), das sich zu aktueller Politik z.B. dann äußert, wenn es um Datenlöschung geht (13). Das Forum strengte auch Verfahren an, über die es hier (14) berichtet und bei denen es u.a. um Eurofighter-Gegengeschäfte und danach um den Eurofighter-Vertrag geht.
Ehe Geyer im Dezember 2012 die Korruptionsstaatsanwaltschaft verließ, verwehrte er sich in Interviews der Bezeichnung „Chefankläger“, da er eine relativ junge Behörde aufbaute (15). Als im Herbst 2012 die Entscheidung über einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Geyer anstand, war davon die Rede, dass er als Personalvertreter mitbestimmen konnte (16).
Als seine Favoritin wurde Ilse-Maria Vrabl-Sanda genannt, der er das Amt im Dezember 2012 übergab (17). Geyer begann 2009 mit zwei weiteren Mitarbeitern, während Vrabl-Sanda dann in Aussicht gestellt wurde, 2014 von 19 auf 40 Beschäftigte aufzustocken.
Geyers Amtszeit wird unter anderem mit Ermittlungen gegen den Kärntner FPÖ-Politiker Uwe Scheuch in Verbindung gebracht, der einem Russen die Staatsbürgerschaft verkaufen wollte.
Außerdem kümmerte sich Geyer um die BUWOG-Ermittlungen und um jene gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser (18). Im Jänner 2013 wurde Strasser, der einem vorgetäuschten Bestechungsversuch der „Sunday Times“ in die Falle ging, zu vier Jahren Haft verurteilt. Für Geyer war dies wegen der generalpräventiven Wirkung im sensiblen Bereich Politik-Wirtschaft begrüßenswert, und es hebe auch das Ansehen Österreichs im Ausland (19).
Als feststand, dass Alma Zadić Justizministerin wird, riet ihr Peter Pilz in seinem Medium „ZackZack“, Walter Geyer zum Generalsekretär zu machen (22). Geyer sollte ein Gegengewicht bilden zu Sektionschef Christian Pilnacek, der inzwischen suspendiert ist. Geyer und Pilnacek hatten natürlich kooperiert, als er die WKStA aufbaute (23).
Wenige Wochen, nachdem die neue Regierung angelobt worden war, wies die ÖVP mit einem Aktenvermerk von 1997 aus der Kanzlei Lansky auf rote Netzwerke in der Justiz hin. Dies geschah bei einem Hintergrundgespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (24), an dem der „Falter“ nicht teilnahm, dessen Inhalt sich Florian Klenk aber erzählen ließ, um darüber zu berichten (25). Es war bisher Usus, Hintergrundgespräche vertraulich zu behandeln.
Dabei ging es unter anderem darum, junge Juristen für das Richteramt zu begeistern. Walter Geyer wies die Vorstellung zurück, die WKStA sei rot, weil doch die letzten Justizminister von der ÖVP nominiert wurden (26). Er lobte Justizministerin Alma Zadić für ihren festen, klaren Standpunkt (27).
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch fühlte sich von Geyer in seiner Kritik an der ÖVP bestärkt (28), während ÖVP-Generalsekretärin Gabriele Schwarz empörte, dass Geyer Sebastian Kurz mit Silvio Berlusconi verglich (29).
Anfang dieses Jahres forderte Walter Geyer einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt (30), im Oktober legt Alma Zadić mit einer „entpolitisierten Weisungsspitze“ nach (31). Die Grünen machten ja Wahlkampf mit Slogans wie „100 % bio – 0 % Korruption“ oder „Saubere Umwelt – saubere Politik“ (2019 nach Ibiza-Gate).
Im April dieses Jahres lud Zadić zu einer Expertenrunde, was Änderungen bei Hausdurchsuchungen bei Politikern betrifft, mit u.a. Walter Geyer, Heinz Mayer und Bezirksrichter Oliver Scheiber (32). Über die zivilgesellschaftliche Plattform Aufstehn.at wurde außerdem Unterstützung mobilisiert (33).
Geyers zweite Ehefrau Christa ist bei Raiffeisen beschäftigt (34) und wurde von Infrastrukturministerin Leonore Gewessler in den Aufsichtsrat der ASFINAG entsandt (35).
Im Juni 2021 wurde das Antikorruptionsbegehren gestartet, zu dessen Proponenten auch Walter Geyer gehört. Er nimmt an Veranstaltungen für das Antikorruptionsbegehren teil, das den Film „Hinter den Schlagzeilen“ vorführte, in dem u.a. die „Ibiza-Aufdecker“ Bastian Obermayer und Frederik Obermaier von der „Süddeutschen Zeitung“ zu Wort kommen (36).
Oliver Scheiber erklärt die Notwendigkeit des Begehrens anhand von Ermittlungen der WKStA im Umfeld von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und verweist auf Unterstützer wie Walter Geyer und die mit Ibiza-Ermittlungen betraute Oberstaatsanwältin Christina Jilek (37). Am 29. Oktober 2021 fand ein Austausch zwischen Ministerin Alma Zadić und den Vertretern des Antikorruptionsbegehrens Jilek, Werner Doralt, Martin Kreutner, Michael Ikrath, Heide Schmidt und Hubert Sickinger statt (38).
Die Grünen versicherten dem Begehren sofort ihre Unterstützung (39), für das sich auch die Mitarbeiter der Kanzlei Lansky, Michael Ikrath und Heinz Mayer, engagieren (40).
Die Inhalte des Volksbegehrens sind allgemein gehalten (41), doch in konkreten Stellungnahmen beziehen sich die Proponenten auf Vertreter der ÖVP und Ermittlungen, die diese Partei betreffen. Natürlich ist auch Walter Geyer ein gefragter Gesprächspartner etwa für die „Zeit im Bild 2“ des ORF (42). Nach den Hausdurchsuchungen am 6. Oktober 2021 sprach die „Kronen Zeitung“ mit Walter Geyer, der erneut „die Reflexe von Kurz und Co.“ mit jenen Silvio Berlusconis verglich (43).
Ebenfalls im Oktober nahmen Geyer und Scheiber gegenüber Thomas Walach, dem Chefredakteur von Pilz‘ „ZackZack“, Stellung zum geplanten Aus für die Kronzeugenregelung (44).
1) https://www.oe24.at/oesterreich/politik/wolfgangfellner/die-neue-minister-liste/410953243
2) https://www.heute.at/s/fix-grune-gewessler-fuhrt-superministerium–44604519
Geyer zu den Koalitionsverhandlungen:
5) https://profil.at/oesterreich/peter-pilz-muehlen-ebene-8246505
6) https://profil.at/oesterreich/peter-pilz-schurkenschreck-eurofighter-8016738
7) https://books.google.com/books/about/Nur_ein_Zwischenspiel.html?hl=de&id=g0FbDwAAQBAJ
Am Server des Parlaments kann man die eingescannten Wortprotokolle der Zeugenbefragungen im Lucona-U-Ausschuss finden:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XVII/I/I_01000_U1/index.shtml
9) https://www.derstandard.at/story/2461501/gericht-politiker-muessen-fuer-umweltsuenden-haften
Webseite des Vereins: https://www.buergerinitiativen.at/
11) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_00406/fnameorig_016818.html
12) https://www.informationsfreiheit.at/wer-wir-sind/
13) https://www.informationsfreiheit.at/blog/
14) https://www.informationsfreiheit.at/die-verfahren/
15) https://kurier.at/politik/inland/korruptionsjaeger-ueber-gier-und-macht/1.418.275
16) https://www.diepresse.com/1290036/ermittlungen-streng-geheim-wer-wird-korruptionsoberjager
18) https://kurier.at/politik/inland/korruptionsjaeger-neu-bewaffnet/736.022
19) https://www.wienerzeitung.at/archiv/korruption/516225-Ein-Urteil-mit-Vorbildwirkung.html
20) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/KOMM/KOMM_00049/index.shtml
21) https://www.krone.at/172822
22) https://zackzack.at/2019/12/30/noten-fuer-kuenftige-minister-top-oder-flop/
24) https://orf.at/stories/3153338/
Falter“-Podcast im Februar 2021 mit Walter Geyer, Stephanie Krisper, Peter Michael Lingens und Raimund Löw:
Der „Falter“ sprach im März 2021 mit Geyer über Kritik an der WKStA:
https://www.falter.at/zeitung/20210302/korrupt-wer-ist-hier-korrupt
32) https://www.tt.com/artikel/18032040/expertenrunde-zu-geplantem-razzien-aus
35) https://www.oe24.at/oesterreich/politik/umfaerbung-der-republik-die-liste-der-gruenen-jobs/449112883
37) https://ziff.at/das-volksbegehren-fuer-rechtsstaatlichkeit-und-antikorruption/
40) https://www.derstandard.de/story/2000127438325/anti-tuerkises-volksbegehren
41) https://antikorruptionsbegehren.at/der-inhalt/
42) https://orf.at/stories/3217458/
43) https://www.krone.at/2526040
44) https://zackzack.at/2021/10/15/kronzeugenregelung-steht-vor-dem-aus/
Walter Geyer hat sich in einem Interview klar dafür ausgesprochen, dass Chats veröffentlicht werden und nicht analog dem Briefgeheimnis zu behandeln sind. Er hat gemeint, dass z.B. bei Drogendealern Chats unbedingt heranzuziehen sind.
Er befürwortet die Veröffentlichung von Chats auch ohne Straftatbestand!!!
Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen.
Vielen Dank EU-Infothek !
Durch Zufall stieß ich heute auf eine Journalistin ANDREA BADER- auch sie hat hoch Interessantes in dieser Causa mitzuteilen.
Die CREW :PILZ, KLENK, WKStA, ZADIC ,…scheinen sich ordentlich vergallopiert zu haben
Wie sagte schon LINCOLN, man kann eine Zeit alle Welt zum Narren halten, aber nicht alle Zeit alle Welt.