Während eine EZB-Studie die Vermögen der zentraleuropäischen Haushalte weit niedriger ansetzt als jene im Süden, liegt der Kapitalstock pro Kopf im Zentrum oft bei mehr als dem Doppelten des Südens.
[[image1]]Die im jüngsten Monthly Bulletin der EZB erschienene und von der Bundesbank detailliert veröffentlichte Analyse der Haushaltsvermögen in den einzelnen Ländern hat für einiges Aufsehen gesorgt. So erschienen darin die Privathaushalte gerade in den europäischen Krisenländern besonders wohlhabend und insbesondere deutlich reicher als etwa in Deutschland, wo sich das mittlere Vermögen der Hausalte auf nur rund 51.400 Euro belaufen solle. Demgegenüber läge das Netto-Vermögen in Zypern bei 266.900 Euro, in Spanien bei 182.700 Euro und in Italien bei 173.500 Euro, während selbst in Griechenland das Durchschnittsvermögen mit 101.900 Euro noch immer doppelt so hoch wie in Deutschland sei und immerhin auch um ein Drittel höher als in Österreich, für das 76.400 ausgewiesen wurden.
Aber nicht nur weil Deutschland ohnehin nicht viel Freude daran hat, den Zahlmeister für die südeuropäischen Pleiteregierungen zu spielen, drängte sich – wohl weil die Studie etwa zeitgleich bekannt wurde wie die Beteiligung der Privatanleger an der zypriotischen Bankenpleite – die Vermutung auf, diese Veröffentlichung solle die Europäer schonend darauf vorbereiten, wie Staats- und Bankenpleiten künftig ablaufen werden.
Auch dass die Bundesbank gerade den wenig aussagekräftigen „Median“ (eine Hälfte der Haushalte ist ärmer, die andere reicher als der Medianhaushalt), der Deutschland an die letzte Stelle reiht, ins Zentrum der Analyse stellt, fällt auf. So sagt die Studie offenbar mehr über die ungleiche Verteilung der Vermögen aus, die sich in Deutschland besonders stark auf die obersten Schichten konzentrieren und so den Median nach unten drücken. Darüber hinaus dürfte auch das im Süden viel stärker als in Deutschland verbreitete Wohnimmobilieneigentum und die höheren Haushaltsgrößen die Ergebnisse verzerrt haben, wie etwa die Welt längst klargestellt hat.
So sieht die Bilanz schon ganz anders aus, wenn man die Mittelwerte heranzieht, wie der Ökonom Paul De Grauwe von der London School of Economics empfiehlt. Dann liegt Deutschland bereits klar vor Griechenland und Portugal, aber noch immer hinter Italien und Spanien.
Da substantielle Teile besonders des produktiven Vermögens nicht von Haushalten, sondern von Unternehmen oder dem Staat gehalten werden, stellt sich für De Grauwe die Frage, ob sich der Wohlstand einer Nation tatsächlich in den Haushaltsvermögen ausdrücken lässt, und ob es nicht sinnvoller wäre umfassendere Maßstäbe zu verwenden und diese Eigentümer in eine Bilanz aufzunehmen, jedenfalls sofern als es darum geht, aus diesem Wohlstand Transferzahlungen an das Ausland zu finanzieren.
Zu diesem Zweck viel besser geeignet wären laut Grauwe also der pro Kopf betrachtet gesamte Kapitalstock einer Nation, sowie die Netto (Auslands-)-Vermögensposition. Denn diese generieren zusammen mit menschlicher Arbeitskraft die Einkommensströme, die für etwaige Hilfszahlungen zur Verfügung stehen, und werden noch dazu in praktisch jedem Land laufend erhoben.
Aber egal, ob man nun nur den inländischen Kapitalstock, das Auslandsvermögen oder die Summe dieser beiden berechnet (die Grauwe als „total capital stock“ bezeichnet), Deutschland landet immer in der Spitzengruppe, und wird beim „total capital stock“ nur von den Niederlanden und beim inländischen Kapitalstock nur von Österreich auf den zweiten Rang verwiesen, während Italien, Spanien, Portugal, Irland und Griechenland sich hier in jeder Hinsicht die letzten Plätze teilen.
So ist das für produktive Zwecke genutzte Kapital in Zentraleuropa überwiegend mehr als doppelt so hoch wie im Süden, wobei Deutschland, Österreich und Holland die absolute Spitzengruppe bilden, gefolgt von Finnland und Belgien und Frankreich.