Bedenkt man, dass allein in den drei Jahren von 2012 bis 2014 weltweit insgesamt 994 Katastrophen mehr als 326 Mio. Menschen betroffen haben, [1] wobei die Beseitigung der Schäden jährlich an die 100 Mrd. $ gekostet hat, [2] dann kann man ermessen, welche Bedeutung einer zivilen Krisenbewältigung in Form des Katastrophenschutzes zukommt. Obwohl der Katastrophenschutz vordringlich in Händen der betroffenen Staaten liegt, bedarf es der Mithilfe vieler nationaler und internationaler Einrichtungen, um die überaus komplexen Probleme der Krisenprävention und -beseitigung wenigstens annähernd zu lösen. Auf der universellen Ebene bemühen sich dabei vor allem die Vereinten Nationen, auf der regionalen Ebene hat die Europäische Union das ambitionierteste Katastrophenschutzverfahren eingerichtet, das zwischen 2010 und 2014 in mehr als 80 Krisenfällen weltweit zum Einsatz kam. [3] Nachstehend sollen die beiden wichtigsten Krisenbewältigungsverfahren kurz dargestellt werden.
Katastrophenschutz als neuer primärrechtlicher Politikbereich in der EU
Im Rahmen der zivilen Krisenbewältigung in der EU nimmt der Katastrophenschutz eine markante Position ein, die durch den Vertrag von Lissabon erstmals als neuer Politikbereich ausgestaltet wurde. So fördert die Union die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, um die Systeme zur Verhütung von Naturkatastrophen oder von vom Menschen verursachten Katastrophen und zum Schutz vor solchen Katastrophen wirksamer zu gestalten (Art. 196 Abs. 1 AEUV).
Die Tätigkeit der Union verfolgt dabei vor allem drei Ziele:
- a) Unterstützung und Ergänzung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene im Hinblick auf die Risikoprävention;
- b) Förderung einer schnellen und effizienten Zusammenarbeit in der Union zwischen den einzelstaatlichen Katastrophenschutzstellen;
- c) Verbesserung der Kohärenz der Katastrophenschutzmaßnahmen auf internationaler Ebene (Abs. 2).
Was genau unter einer „Katastrophe“ zu verstehen ist, ist primärrechtlich nicht definiert und dementsprechend der weiteren sekundärrechtlichen Ausgestaltung vorbehalten.
Gem. Art. 6 lit. f) AEUV fällt der Katastrophenschutz unter die Durchführung von Maßnahmen der Union zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der mitgliedstaatlichen Maßnahmen, sodass die Ausübung dieser Politik – auch unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips gem. Art. 2 Abs. 5 UAbs. 1 AEUV – lediglich dann in Betracht kommt, wenn die Mitgliedstaaten mit der Bewältigung der Katastrophensituation überfordert sind. Die Union darf daher keinen eigenen, von den Entscheidungen der Mitgliedstaaten unabhängigen, Katastrophenschutz betreiben, sondern nur unterstützend, koordinierend und ergänzend dazu tätig werden.
Diesbezüglich erlassen das Europäische Parlament und der Rat, unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die erforderlichen Maßnahmen (Art. 196 Abs. 3).
Daneben fordert die sog. „Solidaritätsklausel“ des Art. 222 AEUV ein solidarisches Vorgehen sowohl der Union, als auch ihrer Mitgliedstaaten für den Fall, dass ein Mitgliedstaat von einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist. In diesem Fall mobilisiert die Union alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen (Abs. 1 lit. b). Dieselbe Verpflichtung trifft auch die anderen Mitgliedstaaten, die sich zu diesem Zweck im Rat absprechen (Abs. 2).
Die Einzelheiten über die Anwendung der „Solidaritätsklausel“ durch die Union werden durch einen Ratsbeschluss festgelegt, den dieser aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik erlässt. Hat dieser Beschluss Auswirkungen im Bereich der Verteidigung, so beschließt der Rat nach Art. 31 Abs. 1 EUV und unterrichtet davon das Europäische Parlament. Dabei wird der Rat sowohl vom „Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee“ (PSK) als auch vom ständigen Ausschuss im Rat (Art. 71 AEUV) unterstützt (Abs. 3).
Sekundärrechtliche Ausgestaltung des Katastrophenschutzes
Konkret wurde erstmals durch die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 8. Juli 1991 zur Verbesserung der gegenseitigen Hilfeleistung zwischen Mitgliedstaaten bei natur- oder technologiebedingten Katastrophen [4] ein solidarisches Verhalten in Katastrophenfällen eingemahnt. 1998 übernahm die Europäische Gemeinschaft auch das Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (VN/ECE). [5] Zur ersten umfassenden Ausgestaltung auf sekundärrechtlicher Ebene kam es dann durch die Entscheidung 2001/792/EG, Euratom des Rates vom 23. Oktober 2001 [6], die ein Gemeinschaftsverfahren zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen einrichtete.
Da es zwischenzeitlich zu einem deutlichen Anstieg der Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen sowie von Menschen verursachter Katastrophen kam, die den massenhaften Verlust von Menschenleben und Sachwerten, einschließlich Kulturgütern, die Zerstörung wirtschaftlicher und sozialer Infrastrukturen sowie Umweltschäden zur Folge hatten, kam es zu einer Neufassung der Entscheidung 2001/792/EG, Euratom durch die Entscheidung 2007/779/EG, Euratom des Rates vom 8. November 2007 über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz, [7] durch das ein Verfahren zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bei Katastrophenschutzeinsätzen in schweren Notfällen oder unmittelbar drohenden schweren Notfällen eingerichtet wurde. Die Finanzierung dieses Verfahrens wurde durch die Entscheidung 2007/162/EG, Euratom des Rates [8] sichergestellt, mit der ein Finanzierungsinstrument für den Katastrophenschutz – gem. Art. 16 mit einer Geltungsdauer von Anfang Jänner 2007 bis Ende Dezember 2013 – eingerichtet wurde, gemäß dessen die finanzielle Unterstützung entweder in Form von Zuschüssen oder öffentlichen Beschaffungsaufträgen gem. der Haushaltsordnung erfolgen konnte (Art. 6 Abs. 2).
Den vorläufigen Abschluss dieser Bemühungen stellt der Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastrophenschutzverfahren der Union [9] dar, der das bisherige Gemeinschaftsverfahren in ein Katastrophenschutzverfahren der Union umgewandelt hat, das mit 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist und die Periode von 2014-2020 umfasst. Gem. Art. 19 des Beschlusses steht für die Finanzierung des Katastrophenschutzverfahrens der Union in dieser Periode ein Finanzrahmen von 368,4 Mio. Euro zur Verfügung.
Das Katastrophenschutzverfahren sollte außerdem bei der Umsetzung der vorerwähnten „Solidaritätsklausel“ des Art. 222 AEUV eine wichtige Rolle spielen, indem dessen Ressourcen und Kapazitäten, je nach Erfordernis, zur Verfügung gestellt werden. [10] Ebenso kann das Katastrophenschutzverfahren auch für die Katastrophenschutzhilfe im Rahmen der konsularischen Protektion für Unionsbürger bei Katastrophen in Drittländern angewendet werden, sofern die konsularischen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten darum ersuchen. [11]
Seit Juli 2016 findet dieses Verfahren gem. Art. 28 des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU nicht nur auf die 28 Mitgliedstaaten der Union, sondern auch auf die drei EFTA-Mitgliedstaaten des EWR, die Beitrittsländer, die Kandidatenländer sowie die potenziellen Kandidatenländer, Anwendung, sodass dieses auch für Island, Montenegro, Norwegen, Serbien, die FYROM [12] und die Türkei gilt. Der Mechanismus kann aber auch auf Ersuchen der Vereinten Nationen und deren Untereinheiten sowie von anderen internationalen Organisationen aktiviert werden.
Seit Jänner 2014 gelten damit, wie vorstehend erwähnt, neue Rechtsvorschriften für den Katastrophenschutz, die den Rahmen für eine engere Zusammenarbeit bei der Katastrophenvorbeugung, der Risikobewertung und der Notfallvorsorge und -planung –einschließlich regelmäßigerer gemeinsamer Schulungen und Übungen für europäische Katastrophenschutzteams bilden.
Auch auf der sekundärrechtlichen Ebene ist es zu keiner präzisen Definition des Begriffs „Katastrophe“ sowie zu dessen genauer Abgrenzung zum „Notfall“ gekommen. So bezeichnet gem. Art. 4 Ziff. 1 des Beschlusses Nr. 1313/2013 der Ausdruck „Katastrophe“ „jede Situation, die ernsthaft Auswirkungen auf Menschen, Umwelt oder Eigentum, einschließlich Kulturgütern, hat oder haben kann“ und Art. 1 Abs. 2 erweitert den Schutz vor Naturkatastrophen und vom Menschen verursachten Katastrophen um die „Folgen von Terroranschlägen, technischen, radiologischen und Umweltkatastrophen, Meeresverschmutzung oder akute Krisen im Gesundheitsbereich“.
Die Entscheidung 2007/162/EG wiederum spricht von „Notfall“, der gem. Art. 3 lit. a) jede Situation bezeichnet, „die schädliche Auswirkungen auf Menschen, die Umwelt oder Vermögenswerte hat oder haben kann“.
Institutionelle Ausgestaltung des Katastrophenschutzverfahrens
Das Katastrophenschutzverfahren der Union auf der Basis des vorerwähnten Beschlusses Nr. 1313/2013/EU umfasst gem. Art. 2 Präventions- und Vorsorgemaßnahmen innerhalb der Union und – sofern Art. 5 Abs. 2, Art. 13 Abs. 3 und Art. 28 betroffen sind – auch außerhalb der Union, und Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung der unmittelbar schädlichen Folgen einer Katastrophe innerhalb oder außerhalb der Union, einschließlich in den in Art. 28 Abs. 1 genannten Ländern, nach Eingang eines Hilfeersuchens im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens. Gem. Art. 3 werden mit dem Katastrophenschutzverfahren die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützt und ergänzt und ihre Koordinierung erleichtert, wobei eine Reihe gemeinsamer spezifischer Ziele verfolgt werden (Abs. 1).
In Summe wird dadurch ein hochwertigeres, stärker integriertes und kosteneffizienteres Konzept für das Katastrophenmanagement durch die Union eingeführt. Institutionell wird im Rahmen des Verfahrens ein „Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen“ (Emergency Response Coordination Centre, ERCC) [13] mit Sitz in Brüssel eingerichtet, das von der Kommission verwaltet wird und das im Jahr 2013 das frühere „Beobachtungs- und Informationszentrum“ (Monitoring and Information Centre, MIC) ersetzte. Zusätzliche Instrumente sind ua das „Gemeinsame Kommunikations- und Informationssystem für Notfälle“ (Common Emergency and Information System, CECIS) sowie die „Europäische Notfallbewältigungskapazität“ (European Emergency Response Capacity, EERC), ein freiwilliger Pool von bereitgehaltenen Kapazitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der Katastrophenbewältigung, [14] der im Jahr 2014 eingerichtet wurde und dessen Einheiten nach einem Hilfeersuchen verbindlich abgerufen werden können.
Seit 2001 wurde das Katastrophenschutzverfahren mehr als 200 Mal angefordert, das dabei auch weltweit zum Einsatz kam, wie zB in der Taifun-Katastrophe Haiyan, der die Philippinen 2013 verwüstete, bei den Überschwemmungen in Serbien und Bosnien & Herzegowina (2014), dem Ausbruch von Ebola in Westafrika (2014), aber auch dem Konflikt in der Ostukraine (seit 2014) und der Flüchtlings- und Migrationskrise in Europa (seit 2015) uam.[15]
Zusätzliche Entschädigungsleistungen für Naturkatastrophen
Neben dem vorerwähnten Finanzierungsinstrument für den Katastrophenschutz bestehen aber noch weitere Möglichkeiten für die finanzielle Abgeltung von Schäden, die durch Naturkatastrophen verursacht wurden. So sieht die Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der EU [16] die Möglichkeit der Finanzierung von Vorhaben vor, die auf den Wiederaufbau als Reaktion auf Naturkatastrophen größeren Ausmaßes oder regionale Naturkatastrophen hin abzielen. Gem. deren Art. 2 Abs. 2 ist dabei unter einer „Katastrophe größeren Ausmaßes“ grundsätzlich eine solche zu verstehen, die in zumindest einem der betroffenen Staaten Schäden verursacht hat, die auf über 3 Mrd. Euro zu Preisen von 2002, oder mehr als 0,6% seines BIP, geschätzt werden.
Gem. Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 [17], mit der die gemeinsamen und allgemeinen Bestimmungen über die europäischen Struktur- und Investitionsfonds, einschließlich des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), festgelegt wurden, war für die Unterstützung der von Naturkatastrophen betroffenen Mitgliedstaaten noch keine spezielle Priorität vorgesehen. Durch die auf Art. 177 AEUV gestützte Änderungs-Verordnung (EU) 2017/1199 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2017 im Hinblick auf spezifische Maßnahmen zur Bereitstellung zusätzlicher Unterstützung für von Naturkatastrophen betroffenen Mitgliedstaaten [18] wird nunmehr aber – rückwirkend ab dem 1. Januar 2014 – eine gesonderte Prioritätsachse mit einem Kofinanzierungssatz von bis zu 95% unter speziellen Voraussetzungen [19] möglich gemacht.
„Humanitäre Hilfe“
Flankierend zu den vorstehend geschilderten Maßnahmen des Katastrophenschutzes gem. Art. 196 AEUV enthält Art. 214 AEUV die wichtigste Rechtsgrundlage für humanitäre Hilfe durch die EU an Dritte. Er ermächtigt die Union, Einwohnern von Drittländern, die von Naturkatastrophen oder von vom Menschen verursachten Katastrophen betroffen sind, gezielt Hilfe, Rettung und Schutz zu bringen, damit die aus diesen Notständen resultierenden humanitären Bedürfnisse abgedeckt werden können. Die Maßnahmen der Union und die der Mitgliedstaaten ergänzen und verstärken sich dabei gegenseitig (Abs. 1).
Die Maßnahmen der humanitären Hilfe werden im Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechts sowie den Grundsätzen der Unparteilichkeit, der Neutralität und der Nichtdiskriminierung durchgeführt (Abs. 2). Die Union trägt dafür Sorge, dass ihre Maßnahmen der humanitären Hilfe mit den Maßnahmen der internationalen Organisationen und Einrichtungen, insbesondere derer, die zum System der Vereinten Nationen gehören, abgestimmt werden und im Einklang mit diesen stehen (Abs. 7).
Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (ECHO)
Die humanitäre Hilfe wird durch ECHO auf der Basis der Verordnung (EG) Nr. 1257/96 des Rates vom 20. Juni 1996 über die humanitäre Hilfe [20] finanziert, die eine Bedeckung von Hilfsmaßnahmen außerhalb der Union zur Hilfe, Rettung und zum Schutz von Menschen erlaubt, die von Katastrophen und ähnlichen Notsituationen betroffen sind.
Die Generaldirektion (GD) Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations, ECHO) der Europäischen Kommission ist für die Bereitstellung von Hilfen für die Opfer von Krisen und von durch Menschen verursachten Katastrophen zuständig. ECHO verwaltet außerdem das EU-Katastrophenschutzverfahren und bekam 2016 auch die Zuständigkeit für die Organisation der Soforthilfe übertragen. Seit November 2014 ist Christos Stylianides der zuständige Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement.
Quantitativ gesehen sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten der weltweit größte Geber humanitärer Hilfe. Jedes Jahr hilft die Union über 120 Mio. Menschen, wobei diese Hilfe weniger als 1% des gesamten EU-Haushalts eines Jahres ausmacht, was – umgelegt auf die mehr als 500 Mio. Unionsbürger – etwas mehr als 2 Euro je EU-Bürger entspricht. [21] Die Union hat seit 1992 in mehr als 120 Ländern humanitäre Hilfe geleistet, wobei sich das Jahresbudget für humanitäre Maßnahmen auf fast eine Mrd. Euro beläuft. Die humanitäre Hilfe wird dabei in praxi von mehr als 200 Partnerorganisationen und -agenturen vor Ort geleistet. Was die Verteilung der humanitären Hilfe nach Bereichen betrifft, so stellte sie sich 2013 folgendermaßen dar: Lebensmittel und Ernährung 40%, Unterkunft 19%, Gesundheitswesen und medizinische Versorgung 14%, Wasser und Hygiene 13%, Schutz 7%, Koordination und Unterstützung 5%, Katastrophenvorsorge 1% und Verkehr 1%. [22]
„Europäisches Freiwilligenkorps“ und „Europäisches Solidaritätskorps“
Im Rahmen des in Art. 214 Abs. 5 AEUV vorgesehenen „Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe“ erhalten in der aktuellen Freiwilligeninitiative (2014-2020) rund 18.000 EuropäerInnen die Möglichkeit, weltweit als Freiwillige an EU-finanzierten Projekten teilzunehmen. Am Ende dieser Initiative 2020 werden etwa 4.000 Freiwillige ausgebildet und humanitären Organisationen zugeordnet sein bzw. in Katastrophengebieten eingesetzt werden können; 4.000 Freiwillige und NGO-Mitarbeiter werden von der Ausbildung und dem Kapazitätsaufbau profitieren und 10.000 Online-Freiwillige werden Projekte in ihren jeweiligen Heimatländern unterstützen. [23]
Parallel dazu muss das von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner „Rede zur Lage der Union“ vom 14. September 2016 [24] angeregte „Europäische Solidaritätskorps“ erwähnt werden, das zwar vordringlich für die Vermittlung von Arbeitsstellen und Praktika von jungen Menschen zwischen 17 und 30 Jahren ausgelegt ist, aber deswegen gewisse Überschneidungen mit dem „Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe“ aufweist, da in dessen Rahmen Freiwillige zwischen zwei und zwölf Monaten ua auch die Möglichkeit bekommen, ihre Solidarität ua mit Armen, Opfern von Naturkatastrophen oder Flüchtlingen zu zeigen. Dementsprechend hat die Kommission am 7. Dezember 2016 auch den Startschuss für das „Europäische Solidaritätskorps“ gegeben, für das sich bis Mitte Juli 2017 bereits mehr als 32.000 junge Menschen angemeldet haben. Bis Ende 2020 sollen sich insgesamt 100.000 Menschen dem Europäischen Solidaritätskorps angeschlossen haben.
Am 30. Mai 2017 legte die Kommission zur Festlegung des rechtlichen Rahmens des Europäischen Solidaritätskorps einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vor, [25] um dieses auf eine eigene Rechtsgrundlage zu stellen und mit einem Budget von 341,5 Mio. Euro für den Zeitraum von 2018 bis 2020 auszustatten.
„Soforthilfe“
Neben der humanitären Hilfe für Dritte existiert in der EU aber auch das Instrument der Soforthilfe für EU-Mitgliedstaaten. Diesbezüglich gestattet die Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union [26] der EU die Leistung von Soforthilfe für EU-Mitgliedstaaten, die von außergewöhnlich schweren durch Menschen verursachten Katastrophen oder Naturkatastrophen betroffen sind, die gravierende und weitreichende humanitären Folgen haben, wie zB Erdbeben, Überschwemmungen und Industrieunfälle. Die Soforthilfe soll dann zum Einsatz kommen, wenn sich andere Hilfsinstrumente als unzureichend erweisen. Sie soll die Maßnahmen des betroffenen Mitgliedstaates unterstützen und ergänzen.
Das „Sendai Framework for Disaster Reduction (2015-2030)“
Auf universeller Ebene haben sich unter der Patronanz der Vereinten Nationen eine Reihe von Weltkonferenzen mit der Problematik der „Disaster Risk Reduction“ beschäftigt, die allesamt in Japan abgehalten wurden. Beginnend mit der ersten World Conference on Natural Disasters 1994 in Yokohama, auf der eine eigene „Yokohama-Strategie“ für eine sicherere Welt mit zehn Prinzipien aufgestellt wurde, kam es 2005 in Kobe zur zweiten World Conference on Disaster Reduction, als deren wichtigstes Ergebnis das „Hyogo Framework for Action 2005-2015: Building the Resilience of Nations and Communities to Disasters“ beschlossen wurde. Das „Hyogo Framework“ war der weltweit erste Plan einer detaillierten Beschreibung und Abgleichung aller notwendigen Schritte, die von den beteiligten Einrichtungen zur Reduzierung der Verluste, die im Gefolge von Katastrophen eingetreten sind, gesetzt werden müssen. Der Plan richtete sich an speziellen fünf Handlungsprioritäten aus. [27]
Vom 14. bis 18. März 2015 kam es schließlich zur Dritten World Conference on Disaster Risk Reduction in Sendai/Japan, an der 6.500 Delegierte von 187 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen teilgenommen und weitere 50.000 Personen die Parallelveranstaltung eines „Public Forum“ besucht haben. Die Konferenz nahm am Tagungsende, dh am 18. März 2015, das „Sendai Framework for Disaster Reduction (2015-2030)“ [28] an, das sich als innovatives Nachfolgeinstrument des „Hyogo Framework“ versteht und eine freiwillige, nicht-bindende Übereinkunft über eine zwar vordringlich beim betroffenen Staat selbst gelegene, aber auch mit anderen stakeholders geteilte Katastrophenprophylaxe und -bekämpfung für die fünfzehnjährige Periode bis 2030 darstellt. Das Sendai Framework, das auf sieben speziellen Zielsetzungen und vier Handlungsprioritäten aufruht, wurde in der Folge am 23. Juni 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. [29]
Gem. Paragraph 48 lit. c) des Sendai Framework wird das „United Nations Office for Disaster Risk Reduction“ (UNISDR) aufgefordert, im Anlassfall einer Katastrophe die Implementierung des Sendai Framework zu unterstützen und zu überwachen und anschließend auch eine abschließende Bewertung der Vorgangsweise des betroffenen Staates und seiner Hilfsorganisationen zu erstellen. Vor allem aber soll das UNISDR die Kooperation und Kohärenz der einzelnen nationalen bzw. regionalen Programme im Rahmen des Sendai Framework, wie zB Katastrophenhilfe, Entwicklungshilfe, Klimaschutz, uam, herstellen bzw. verbessern.
Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf die vom UNISDR mitorganisierte 2017 Global Platform for Disaster Risk Reduction (GPDRR) in Cancún/Mexiko verwiesen, die am 26. Mai 2017 endete und für die 79 daran teilnehmenden AKP-Staaten – 48 davon aus Afrika/Subsahara, 16 aus der Karibik und 15 aus der Pazifik-Region – wichtige Erkenntnisse hinsichtlich Krisenprävention und Katastrophenverhütung brachte. [30] Die Tagung wurde mitfinanziert vom EU-Programm „Building Disaster Resilience to Natural Hazards in Sub-Saharan African Regions, Countries and Communities“, das eine Laufzeit bis 2020 hat und mit 80 Mio. Euro dotiert ist.
In engem Zusammenhang mit den vorerwähnten World Conferences on Disaster Reduction stehen die World Reconstruction Conferences, die erstmals im Mai 2011 und danach im September 2014 stattfanden. Die dritte World Reconstruction Conference (WRC3), die vom 6. bis 8. Juni 2017 in Brüssel unter dem Motto „Promoting Resilience Through Post-Crisis Recovery“ organisiert wurde, nahm ausdrücklich Bezug auf die Ergebnisse der Global Platform for Disaster Risk Reduction (GPDRR) in Cancún und widmete sich vor allem der Implementierung der „Priority 4: Enhancing disaster preparedness for effective response and to „Build Back Better“ in recovery, rehabilitation and reconstruction“ des Sendai Framework. [31]
Schlussbetrachtung
So ambitioniert das Anfang 2014 durch die Entscheidung Nr. 1313/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates eingerichtete neue Katastrophenschutzverfahren der Union auch ausgestaltet wurde, so sehr hinkt es in einigen wichtigen Bereichen dem Sendai Framework for Disaster Risk Reduction (2015-2030) noch nach. Wenngleich letzteres unverbindlich ist und damit nur indikativen Charakter hat, dient es doch als weltweite Orientierungshilfe auch für einschlägige regionale Verfahren und entfaltet damit einen speziellen Mehrwert („added value“) auch für das Katastrophenschutzverfahren im Schoß der Union, das sich daran ausrichten sollte. Eine diesbezügliche Studie, die vom Ausschuss der Regionen der EU angeregt wurde, konnte bereits 2016 vorgelegt werden. [32] In ihr sind eine Reihe von Hinweisen auf die jeweils zu übernehmenden Elemente des „Sendai Framework“ enthalten.