Neue Einsichten und neue Erkenntnisse. Das sind die Hoffnungen relevanter Stakeholder in Sachen europäischer Energie- und Klimapolitik nach 2020. Eine Konsultation zum Grünbuch soll helfen, die aktuellen Positionen zu klären und zugleich als wertvolle Entscheidungshilfe für die Kommission fungieren.
[[image1]]Das aktuelle Grünbuch für Klima- und Energiepolitik bis 2030 spaltet die Gemüter. Der Vorschlag der Kommission befindet sich in der Konsultationsphase. Stakeholder sind angehalten, Position zu beziehen. Mangelnde Einbindung von BürgerInnen in die Gesetzgebung und ausgeprägte Komplexität der Vorgaben aus Brüssel sind Vorwürfe, mit welchen die EU nur allzu oft konfrontiert wird. Brüssel setzt fortan auf Information und Partizipation. Auch wenn die Periode 2020 – 2030 noch weit entfernt scheint, ist es angebracht, die Weichen für die Zukunft neu zu stellen. Bürgerrechte sollen verstärkt in die Gestaltung der neuen Richtlinien integriert werden. EU-Umweltbüro, Umweltdachverband und involvierte Stellen Äußern erste Bedenken, Konflikte scheinen vorprogrammiert.
Nationale Flexibilität fragmentiert Binnenmarkt
Der Handel mit Emissionszertifikaten funktioniert. Zumindest aus technischer Sicht, wie Peter Zapfel, Leiter Politische Koordination, DG Climate Action der Europäischen Kommission, selbstbewusst verkündet. Die geringen Preise für Zertifikate sind bewusst gesteuert, jedoch kaum geeignet, innovative Technologien zu forcieren. Eine Zweckbindung der Erlöse aus den Zertifikaten wäre durchaus angebracht. Die Ziele für 2030 sollen helfen, ein geeignetes Umfeld für Investoren zu schaffen und die Nachfrage nach effizienten Technologien zu erhöhen. Es geht um die Kohärenz der Massnahmen, um die Beiträge für Umweltschutz zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Koordinierte Subventionsprogramme sollen die erforderlichen Anreize schaffen, wobei unterschiedliche nationale Voraussetzungen bis zu einem gewissen Grad berücksichtigt werden müssen. Zuviel an nationaler Flexibilität verursacht einen fragmentierten Binnenmarkt. Sektorale Differenzen sind geeignet, Unsicherheiten aufkommen zu lassen, was wiederum die Wettbewerbsfrage in den Mittelpunkt der Überlegungen rückt.
Kohle aus ökologischer Sicht zu billig
Ilse Schindler, Umweltbundesamt, kann den Preisen für Emissionspapieren wenig abgewinnen. Diese sind kaum geeignet, importierte Kohle durch umweltfreundliche Energiequellen zu ersetzen. Kohle ist aus ökologischer Sicht einfach zu billig. Die Roadmap hätte zudem wesentlich höhere Preise für Emissionen vorgesehen, auf Risikotechnologien zu vertrauen ist unangebracht. Österreich ist im privaten Bereich auf EU-Kurs, lediglich die Industrie steht hintan. Doch das ist ein europaweites Problem. Am aktuellen Grünbauch ist kein Zielkurs erkennbar, die geplanten Massnahmen sind denkbar ungeeignet, auch nur die 80 %-Marke zu erreichen. Schindler hält subsidiäre Lösungen ebenfalls für angebracht.
Zielaspekte im Sinne der Nachhaltigkeit
Treibhausgase sind ein globales Problem. Europa ist an der globalen Erwärmung nur mit 12 % beteiligt. Es liegt an der internationalen Gemeinschaft, ein geeignetes Abkommen zu schließen, bereits 2015 könnte es so weit sein. Dabei dürfen die erkennbaren Bemühungen aus nichteuropäischen Ländern keineswegs abgewertet werden. Sogar aus dem weit entfernten China sind erste ernsthafte Bemühungen in Sachen Umweltschutz erkennbar. Es geht auch um Wirtschaftsräume, was entsprechende Flexibilität in den Zielen erfordert. Im Europäischen Rat ist eine einseitige Haltung erkennbar, es geht um Energie alleine. Die Umstände drängen jedoch zu einem integrativen Ansatz von Energie und Klima, was auf strukturelle Fonds schließen lässt. Versorgungssicherheit zu leistbaren Energiepreisen auf nachhaltige Weise, so lautet die Vorgabe von Christian Schönbauer, Wirtschaftsministerium. 80 000 Stromabschaltungen sind zu viel, Energie muss leistbar sein. Zugleich gibt es Kritik für den Schiefergasboom in USA, welcher zu einer Renaissance von Kohlekraftwerken in Europa führt und jeden Ansatz von Nachhaltigkeit in Frage stellt.
Signale für Erneuerbare Energie
Das Grünbuch kommt zur rechten Zeit, so Helmut Hojesky, Lebensministerium, Abteilung Immissions- und Klimaschutz. Der Zielhorizont 2050 ist relativiert, da müssen alle ran, die EU kann ein globales Problem nicht alleine lösen. Er verlangt nach einer Reform des Emissionshandels, für Kernkraft gibt es eine klare Absage. CCS und Schiefergas stehen erst nicht zur Debatte. Eine Differenzierung der Mitgliedstaaten darf zudem nicht mit Kohäsionspolitik verwechselt werden. Ein Zuwachs an CO2-Emmission in den Mitgliedstaaten der EU ist untragbar, da die EU in diesem Fall an Glaubwürdigkeit verliert. Hojesky hält Sektorziele für denkbar ungeeignet, es braucht eindeutige Impulse für erneuerbare Energieträger.
Symptombekämpfung statt Lösungen
Michael Proschek-Hauptmann, GF Umweltdachverband, drängt auf saftige Energiepreise. Die aktuellen Preise haben eine durchwegs sedative Wirkung auf Innovation, die Umwelt bleibt nachhaltig auf der Strecke. Ziele müssen ambitioniert, erreichbar und rechtsverbindlich sein, 500 Milliarden Euro für Energieimporte sind eindeutig zu viel. Zudem gibt es heftige Kritik am Steuersystem, eine ökologische Steuerreform wäre angebracht. Die Wirtschaftskrise liefert einen guten Grund für neue Ziele und Lösungsansätze. Solange Energie zu billig ist, wird nicht gespart. Effizienzvorgaben werden ad absurdum geführt, obwohl gerade in diesem Bereich enormes Potenzial steckt.
Global 2000: Dialog auf niederem Niveau
Bürgerbeteiligung ist ein zentraler Aspekt in der strategischen Diskussion. Geht es nach den Umweltschützern, so sind Effizienz, Erneuerbare Energie und verbindliche Energieverbrauchsrichtlinien zu forcieren. Es fehlt an erkennbarer Kontinuität und Ernsthaftigkeit, die Risiken werden mittlerweile höher eingeschätzt als zuletzt. Es geht um die Umwelt, Global 2000 verlangt schärfere Ziele. Prompt ist seitens der WKO das Argument der Wettbewerbsfähigkeit zu vernehmen. Energie ist eine Standortfrage, es braucht deutliche Wachstumsimpulse, zumal höhere Energiepreise ein Abwandern der Industrie verursachen. Die energieintensive Papierindustrie befürchtet durch hohe Energiepreise enorme Nachteile. Ein Energielabel für alle Produkte könnte Billigimporte aus China vermeiden.
Umweltschutz, Energiepreise und Wettbewerb münden in eine Gewissensfrage. Die Ziele 2030 an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu koppeln kann nicht schaden, es sind viele Szenarien denkbar. Border-Measures sprich Strafzölle für Importe wären eine letzte Möglichkeit, stehen jedoch konträr zum Binnenmarkt. Großbritannien und Frankreich torpedieren die Energiewende mit geradezu penetranter Verweigerung der Ökostromziele, zudem ist das Thema Kernkraft nach wie vor nicht vom Tisch, zumindest auch Sicht der EU.
Die Energiepolitik mutiert zur Zerreißprobe. Die Konsultation läuft bis 2. Juli 2013.