Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz, Energie. Bergbau, Tourismus, Raumordnung und Regionalförderung: Die Kompetenzen von Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sind umfassend. Im Interview mit der EU-Infothek erläutert die Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz, wie sie die heimischen Bauern fit für die Zukunft und Österreich wieder auf Klimaschutz-Kurs bringen will.
Die Bekanntgabe Ihrer Schwangerschaft hat in Österreich ein großes Echo ausgelöst. Geht damit für Sie ein Lebenstraum in Erfüllung?
Wir freuen uns sehr auf unser Baby, ich bitte am um Verständnis, dass ich dieses sehr private Thema auch privat behandeln und mich öffentlich dazu nicht äußern möchte.
In Österreich ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Vollerwerbsbetriebe zurückgegangen, in welchen Bereichen haben Bauern die besten Überlebenschancen?
Österreich hat eine sehr kleinstrukturierte und familiengeführte Landwirtschaft. Wir verfolgen den Weg der Qualitätsstrategie sowie einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zur Steigerung der Wertschöpfung konsequent weiter. Die Nischen- und Spezialmärkte entwickeln sich für Österreich sehr positiv. Viele Bäuerinnen und Bauern nutzen auch die Möglichkeiten der Betriebsdiversifizierung oder verfolgen innovative Betriebsstrategien.
Bei der Anzahl der Biobetriebe besteht noch Luft nach oben, in manchen Bereichen kann die Produktion mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Wie könnte man die Bauern motivieren, hier zu investieren?
Mit dem Programm für die ländliche Entwicklung haben wir sehr attraktive Rahmenbedingungen, um landwirtschaftliche Betriebe bei ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen, das zeigen unter anderem auch die steigenden Betriebszahlen im Bio-Bereich. Wir unterstützen eine marktkonforme Weiterentwicklung und Steigerung, die Nachfrageentwicklung ist in vielen Bereichen sehr gut. In einer stärker vernetzten Welt ist es unsere Aufgabe, Produktinnovationen und Alleinstellungsmerkmale der heimischen Landwirtschaft stärker hervorzuheben und uns damit zu positionieren. Das betrifft sowohl die Flächenzahlungen als auch die Unterstützung bei Investitionen und Innovationen, speziell bei den Junglandwirten, im Qualitäts- und Bio-Bereich. Auch im konventionellen Bereich können wir in Österreich mit hohen Standards eine nachhaltige Wirtschaftsweise garantieren und produzieren hervorragende Qualitätsprodukte.
Befürchten Sie, dass es durch den Brexit künftig weniger Geld für das EU-Agrarbudget zur Verfügung stehen wird?
In unserem Regierungsprogramm steht, dass die Sicherung der nationalen und europäischen Mittel im Agrarbereich zentrale Punkte in den GAP-Verhandlungen sein werden. Für uns ist der Ländliche Raum absolute Priorität. Die viel wesentlichere Frage, die wir aber auf EU-Ebene stellen müssen ist, welches Agrarmodell wir wollen. Ist es wirklich ‚immer mehr, immer billiger‘ oder kann es auch eine Weiterentwicklung der Vielfalt kleiner Strukturen sein?
Die Forderung nach einem Glyphosat-Verbot hat bei etlichen Bauern Unmut ausgelöst. Haben Sie Verständnis für die Bedenken?
In Österreich gibt es eine Ministerbindung an das Votum gegen eine EU-Zulassung auf Grundlage eines Parlamentsbeschlusses. Wir haben mit dem Koalitionspartner einen gemeinsamen Weg gefunden. Dazu gibt es eine Machbarkeitsstudie und einen Aktionsplan zum Ausstieg von Glyphosat in Österreich.
Bauernvertreter beklagen immer wieder die Marktmacht des Handels in Österreich und die Tatsache, dass ausländische Billigprodukte als Lockangebote eingesetzt werden. Wie stehen Sie zu der Kritik?
Unlautere Geschäftspraktiken sind in der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ein Thema, insbesondere aufgrund von fortschreitenden Marktkonzentrationen. Zu diesem Bereich läuft bereits ein Diskussionsprozess, sowohl auf EU-Ebene, als auch auf nationaler Ebene. Eine anonyme und unbürokratische Beschwerdestelle, an die sich Bauerinnen und Bauern wenden können, um unlautere Praktiken zu melden, wird so rasch als möglich eingerichtet. Denn auch die Bäuerinnen und Bauern brauchen einen gewissen Schutz und mehr Sicherheit.
Bereich Verkehr als Schlüssel zum Erfolg beim Klimaschutz
2016 sind die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) in Österreich um rund ein Prozent gestiegen. Wie wollen Sie hier gegensteuern, muss man vor allem beim Verkehr ansetzen?
Die aktuelle Treibhausgas-Bilanz ist kein Grund zur Freude, aber auch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Erreichung der Klimaziele 2030 wird extrem schwer. Umso wichtiger ist die Erarbeitung einer integrierten Klima- und Energiestrategie. Das ist eines der wichtigsten Projekte dieses Jahres für mich. Dass eine große Summe an Einzelmaßnahmen nicht zum gewünschten Ziel führt, das haben wir in den letzten Jahren gesehen. Eine gemeinsame Strategie wird das Fundament für die Handlungsweisen der nächsten Jahre sein. Und ja, der Verkehr ist einer der größten Emissionsverursacher. Wir arbeiten hier gemeinsam mit dem Verkehrsminister an Konzepten, wie wir die Emissionen in diesem Bereich reduzieren können, das wird ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg sein.
Kann mit der Förderung neuer Technologien – Stichwort E-Auto – der Tournaround in Sachen Klimaschutz gelingen?
Die Elektromobilität spielt in unseren Planungen eine wichtige Rolle. Kurze Wege, nicht nur innerstädtisch, sondern auch im ländlichen Raum, könnte man mit E-Autos sehr gut bewältigen. Voraussetzung dafür sind dichte Netze an Ladestationen und Bewusstseinsänderungen bei den Menschen.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2030 Strom nur mehr aus erneuerbaren Energieträgern bezogen wird. Wie kann dieses sehr ambitionierte Vorhaben realisiert werden?
Diese Frage ist ebenfalls wichtiger Teil der Klima- und Energiestrategie. Wenn es uns gelingt, ein „100.000-Dächer-Programm“ für Photovoltaik umzusetzen, dann kommen wir diesem Ziel einen großen Schritt näher. Je mehr Wohnhäuser und Dächer zu kleinen Sonnenkraftwerken mit Speichermöglichkeit werden, desto mehr steigt unser Selbstversorgungsgrad aus nachhaltigen Energieträgern.
Sie haben viel Lob für die angekündigte Klage gegen den Ausbau des AKW Paks bekommen. War es ein Fehler der EU, dass die Atompolitik Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsländer ist?
Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen. Wir sind der Auffassung, dass die Finanzierung von Paks in dieser Form nicht rechtmäßig ist, deshalb klagen wir. Wir würden das nicht tun, wenn wir das nicht für aussichtsreich halten würden. Dass Österreich immer einen vehementen Anti-Atomkraft-Kurs verfolgt hat, ist ebenfalls kein Geheimnis. Atomkraft ist keine nachhaltige und auch keine sichere Technologie, das ist meine feste Überzeugung und deshalb kämpfe ich dagegen an. Unter anderem auch, weil diese Gefahr keine nationalstaatlichen Grenzen kennt. Bei einem Störfall ist eben nicht an unseren Staatsgrenzen Schluss mit der Bedrohung.
Die angekündigte Senkung der Nächtigungssteuer von 13 auf 10 Prozent freut die Tourismusbranche, für die sie ebenfalls zuständig sind. Derzeit scheint das Problem der Betriebe aber eher zu sein, dass sie kein Personal, v.a. Köche bekommen?
Diese Senkung ist für die Betriebe sehr wichtig, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das hilft vor allem auch den Klein- und Mittelbetrieben. Die Suche nach qualifiziertem und gutem Personal im Tourismus ist tatsächlich in manchen Regionen ein Problem. Hier leiden wir auch darunter, dass der Arbeitsmarkt in Österreich nicht sehr flexibel ist. Daran müssen wir auch arbeiten.
Sie waren viele Jahre EU-Abgeordnete. Wo sehen Sie rückblickend Stärken und wo Schwächen des EU-Parlaments, was sollte dringend verbessert werden?
Für mich war das politisch eine großartige Zeit. Man bekommt da eine starke Prägung und ein Sensorium dafür, dass gemeinsame Lösungen sehr wichtig sind. Ich kann nur jedem empfehlen, einige Jahre im Ausland zu verbringen, wenn man diese Möglichkeiten hat. Das schärft auch den Blick dafür, auf welch hohem Niveau wir hier in Österreich leben, auch im europäischen Vergleich. Verbessern kann man vieles, in Summe ist das europäische Projekt aber eine Erfolgsgeschichte, dazu noch das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Menschheit.
Sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt
Wie empfinden Sie persönlich die metoo-Debatte, die insbesondere durch den Fall Pilz hierzulande kontrovers diskutiert wird?
Diese Debatte war wichtig und hat viel bewegt. Ich habe noch als Nationalratspräsidentin eine Anlaufstelle im Parlament initiiert, die mein Nachfolger Wolfgang Sobotka nun umsetzen wird. Es ist extrem wichtig, dass diese Debatte nicht aufhört. Sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt, das gilt für die Politik genauso wie für jedes Wirtshaus. Menschen müssen Grenzen kennen und respektieren, das ist essentiell für unsere Gesellschaft.
Hätten Sie es für möglich gehalten, dass in einer österreichischen Burschenschaft Liederbücher mit derart abstoßendem antisemitischem Inhalt kursieren?
Ich habe das nicht für möglich gehalten und verurteile das. Das sind widerliche und menschenverachtende Texte, dafür habe ich keinen Funken Verständnis. Für mich steht außer Frage, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.