Die Politik hat die Gleichberechtigung entdeckt. Und schießt gleich übers Ziel.
Die letzten Wochen waren symptomatisch. Als es um die Nominierung von Ursula von der Leyens zur Kommissionspräsidentin ging, war für Österreichs Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein das wichtigste Argument, dass eine Frau die Nachfolgerin von Jean Claude Juncker wird. Die SPÖ Chefin Pamela Rendi-Wagner stimmte zwar der Verlängerung von Johannes Hahn als EU Kommissar zu, hätte aber lieber eine Frau an dieser Position gesehen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum bestimmte, dass der vakante Posten der Verteidigungsministerin mit der erfolglosen und in Punkte Sicherheitspolitik völlig unerfahrenen Annegret Kramp Karrenbauer besetzt wird. Ob sie damit ihre eigene Nachfolge geregelt oder erst recht für ein Aufbrechen massiver innerparteilicher Diskussionen gesorgt hat, darf aufgrund der ersten Reaktionen bezweifelt werden.
Probleme mit Fifty-fifty
Als ein heute anerkanntes Prinzip gilt, dass etwa bei Postenbesetzungen unabhängig vom Geschlecht, der oder die Bessere zum Zug kommen soll. Was – eine Folge persönlicher Bindungen und Befindlichkeiten – nicht immer der Fall ist, früher oftmals zum Nachteil der Frauen geschah, heute aber auch Männer betreffen kann. In der Politik erleben wir,zudem, dass der Auftrag, Fifty-fifty Besetzungen durchzuführen, nicht immer zu glücklichen Lösungen führt. So etwa auch bei der letzten türkis blauen Regierung. Die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck galt als Fachfrau, brachte aber in der Causa Digitalisierung nicht wirklich etwas weiter.
Grenzen der Amtszeit
Dass Frauen vieles bewegen können, ist aber ebenso unbestritten. Das zeigte sich in Österreich bei Liese Prokop, die es als noch dazu erste Innenministerin schaffte, die Zusammenführung der Gendarmerie mit der Polizei zustande zu bringen. Und das ohne größere Probleme. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel war für Deutschland, indem sie Rot-Grün beendete, und für Europa, indem sie Führungsstärke bewies, zunächst eine gute Wahl. Bis sie in der Flüchtlingspolitik mit dem Slogan „wir schaffen das“ schlichtweg das falsche Signal setzte. Bei ihr macht sich nur jetzt deutlich, dass es Sinn macht, die Amtszeit von Spitzenpolitikern auf zwei Legislaturperioden zu beschränken. Mittlerweile zeigt sich an den Problemen Deutschlands, so bei der Auseinandersetzung mit den rechts- und linkspopulistischen Bewegungen, im Bereich der Infrastruktur, an der Krise der großen Koalition wie dringend eine Veränderung in Berlin wäre.
Wenn die Hypothek zur Chance wird
Genau das ist aber auch bei Von der Leyen in Brüssel zu hoffen. Der ganze Zirkus, dass ein zentrales Wahlversprechen gebrochen wurde, keiner der Spitzenkandidaten zum Zug für EU Spitzenpositionen kam, eine nicht gerade erfolgreiche Verteidigungsministerin aus dem Hut gezogen wurde, ist zusammen mit dem hauchdünnen Wahlergebnis, zunächst eine Hypothek. Trotzdem aber auch eine Chance. Zeigt sich doch in der Politik, dass gerade die oftmals im Voraus so hoch gepriesenen Politiker – siehe Emmanuelle Macron in Frankreich – nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Das kann auch der Vorteil für die neue EU Kommissionspräsidentin sein. Und das beginnt schon bei der Auswahl der Kommissare und Kommissarinnen. Da sollte das Prinzip der Kompetenz vor dem des Geschlechts Vorrang haben