Sonntag, 22. Dezember 2024
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Künstliche Aufregung um Liebesgrüße aus Moskau

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

Die Aufregung um den Besuch des russischen Präsidenten bei der Hochzeit der österreichischen Außenministerin zeigt, wie dünn das Nervengerüst ist, wenn es um die Beziehungen mit Moskau geht

Für die nachrichtenarme Sommerzeit, war der überraschende Besuch von Russlands Präsidenten Wladimir Putin bei der Hochzeit von Österreichs Außenministerin Karin Kneissl für viele Besserwisser ein „gefundenes Fressen“. Besonders alterierte man sich über den Knicks, den Kneissl vor Putin tat, als beide einen gemeinsamen Hochzeitstanz wagten. Für den Benimm-Experten Thomas Schäfer-Elmayer steht freilich außer Diskussion, dass sich die Ministerin „total der Etikette entsprechend“ verhalten habe. Und er fügt auch noch hinzu, dass das Compliment ein fixer Bestandteil der Quadrille sei. Kneissl habe das „perfekt gemacht“ und damit ein Beispiel für österreichische Kultur geliefert, stellte Elmayer klar.

Keine Kursänderung

Was vor allem viele Medien quer durch den Kontinent und bis hinüber an die US-Ostküste nicht daran hinderte, von einem Kotau der österreichischen Regierung vor Russland zu sprechen. Und vor einer Beeinträchtigung der laufenden EU-Ratspräsidentschaft zu warnen. Dabei hatte das Außenministerium sofort nach Bekanntwerden, dass Putin am Weg zum Gipfeltreffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel einen Zwischenstopp in der Steiermark einlegen werde, unmissverständlich erklärt, dass Österreich unverändert zur Russland-Politik der EU steht und daran festhält. Sogar die EU folgte nun dieser Wortwahl, um zu betonen, dass es keine Änderung bezüglich des Verhältnisses zwischen Brüssel und Moskau gibt.

Dialog statt Ausgrenzung

Intern sieht die Situation freilich schon etwas anders aus. Das demonstrierte das dreistündige Gespräch von Merkel mit Putin auf Schloss Meseburg nahe bei Berlin im Anschluss an den Abstecher in die Südsteiermark. Sehr deutlich wurde damit demonstriert, dass man mit dem Ausgrenzen von Russland auf Dauer nicht weiterkommt. Umso mehr als die Politik von US-Präsident Donald Trump zu einem Unsicherheitsfaktor par excellence geworden ist. Die Verschärfung der Sanktionen durch Washington führt nur in eine Sackgasse. Das hat auch Merkel erkannt und lud daher zu einem Treffen nach Deutschland, um den blockierten Gesprächsfaden wieder aufzugreifen. Denn „ich bin der Meinung, dass auch kontroverse Themen nur im Gespräch und durch Gespräche gelöst werden können“.

Zweierlei Maß

Irgendwie erinnern die Reaktionen auf Kneissls Hochzeitsevent an das alte Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Oder anders ausgedrückt, was Merkel richtigerweise tut, gilt bei Kneissl als ein Abweichen vom gemeinsamen Weg. Gar nicht zu reden, dass zwischen einem offiziellen Meeting und einer letztlich privaten Geste ein Unterschied besteht. Kneissl hatte im Juni bei einem Treffen mit Putin so en passant die Bemerkung fallen gelassen, ihn gerne zu ihrer Hochzeit einladen zu wollen – und war dann selbst überrascht, dass er diese Einladung annahm. Und dabei natürlich auch einen Hintergedanken hatte. Nämlich der Rolle Österreichs als Brückenbauer eine Ankerkennung zu zollen.

Krim ein Sonderfall

Keine Frage, die Annexion der Krim und die Kampfhandlungen in der Ostukraine waren ein Verstoß gegen das Völkerrecht und führten zu Recht zu Sanktionen. Zu bedenken gilt allerdings auch, dass das Drängen der Ukraine nach einem Beitritt zur NATO für Beunruhigung im Kreml sorgt. Schließlich will man keine NATO-Raketen 500 Kilometer vor Moskau stehen haben und sieht darin einen Angriff auf die eigenen Sicherheitsinteressen. Wobei im Falle der Krim auch noch hinzu kommt, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung Russen sind und die Halbinsel ein ganz wichtiger Zugang für Russland zum Schwarzen Meer darstellt.

Abstecken der Claims

Gerade in diesen Tagen, da man des Einmarsches der Warschauer Pakt Staaten in die CSSR vor 50 Jahren gedenkt, womit dem so genannten Prager Frühling ein gewaltsames Ende bereitet wurde, sieht man in diesem Ereignis auch das Abstecken des politischen Einflussbereichs. Dass Moskau am 21. August 1968 gleich mehr als 30 Divisionen einmarschieren ließ, die Gefahr eines Durchmarschierens bis zur einstigen Demarkationslinie bestand, Moskau es aber bei der Drohgebärde beließ, wird heute als eine klare und unmissverständliche Grenzziehung zwischen West und Ost, als ein Abstecken der Claims bewertet. Etwas ähnliches, so Militärexperten, sei auch die Annexion der Krim gewesen. An dieser Tatsache wird wohl nicht mehr zu rütteln sein. Anders die Situation in der Ostukraine, dort wird es zu einem Friedensschluss kommen müssen.

Sonderstellung Moskaus

Was man in Brüssel und Washington sowie in anderen Hauptstädten nicht vergessen sollte, ist die Tatsache, dass die alte UdSSR immerhin eine der vier Staatsvertragsmächte war. Daraus ergibt sich bis heute eine besondere Beziehung zwischen Wien und Moskau. Das zeigt sich auch in der Politik der Wirtschaftskammer Österreich, die nicht nur Wert auf die an sich guten wirtschaftlichen Beziehungen beider Staaten und deren Ausbau legt sondern sich immer wieder auch dafür ausgesprochen hat, anstelle einer Verschärfung der Sanktionen einen Dialog mit Putin & Co. zu beginnen. Auch unter dem Aspekt, dass Russland nicht nur geografisch ein Teil Europas ist.

Kostenfaktor Demonstrationen

Die Aufregung der Oppositionsparteien, deren parlamentarische Anfragen bezüglich der Kosten der Security für den russischen Präsidenten, sind nur der Versuch, politisches Kapital aus einem Event (das war es genau genommen und nicht mehr) zu schlagen, das in der Bevölkerung mehrheitlich auf Sympathie stieß und den Eindruck einer gewissen Wertschätzung durch den russischen Präsidenten hinterließ. International gesehen sind, und dessen sollten sich die Kritiker bewusst sein, angesichts so vieler Konfrontationen Brückenbauer gefragter denn je. Dass in Zeiten wie diesen Spitzenpolitiker eines entsprechenden Schutzes bedürfen, ist nun einmal ein notwendiges Faktum. SPÖ und Grüne sollten aber auch vor der eigenen Türe kehren und daran denken, was die Polizeieinsätze kosten, um die links-grünen Protestbewegungen in Schach zu halten, wöchentlich Demonstrationen in der City zu be- und überwachen. Gar nicht zu reden von den Zerstörungen, die Ausschreitungen der Hooligans und anderer Chaoten anrichten.

Werbung für steirische Toskana

Und nur als Post Scriptum angemerkt: Österreichs Tourismus freut sich über die Werbung für prächtige Urlaubsgegenden, für die diverse TV-Sendungen sorgen. Das reicht in die Vergangenheit zurück, wie etwa das „Schloss am Wörthersee“ belegt, und zeigt sich ganz aktuell beim „Bergdoktor“ und den Pilgerfahrten der Zuseher in die Region des Wilden Kaisers. Das russische Fernsehen hat nun das Augenmerk auf Gamlitz und die steierische Toskana gelegt. Russische Touristen sorgen übrigens schon seit längerem für wachsende Frequenz bei den Übernachtungen. Mit Putins Stell-Dich-ein bei Kneissl wurde das Augenmerk auf eine weitere Destination gelegt. Genau dabei sollte man die vermeintlichen Liebesgrüße aus Moskau belassen.

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