Die Sozialpartner starten im Vorfeld der EU-Wahlen im kommenden Jahr eine EU-Kampagne. Im Fokus steht der Dialog zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern, sagt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.
[[image1]]Sie haben kürzlich in Alpbach eine gemeinsame EU-Kampagne der Sozialpartner für den Herbst angekündigt. Wie soll diese angelegt sein, um die Zustimmung der Österreicher zur Europäischen Union anzuheben?
Das was zwischen der Europäischen Union und Ihren Bürgern fehlt, ist ein echter Dialog. Hier sollen Information, Fragestellungen und auch Kritik gesammelt werden – nicht im Sinne von Propaganda, sondern im Sinne von einem Gespräch über Ziele und Aufgaben der EU und den Erwartungen und Hoffnungen der Bürger.
Sind die Sozialpartner bereit, die von den Österreichern geäußerte Kritik bzw. Verbesserungsvorschläge umzusetzen?
Ja. Es sollen ja auch in dieses Dialogforum die heimischen EU-Abgeordneten und unsere Experten in Brüssel einbezogen werden. Das heißt, es soll zwischen denjenigen, die ausführen und denjenigen, die Erwartungen haben, ein Dialog entstehen. Letzten Endes geht es nicht um die da draußen in Brüssel und uns in Österreich, sondern es geht um unsere Mitwirkung in Europa.
Sehen das alle Sozialpartner gleich, denn schließlich gibt es etwa innerhalb der Gewerkschaft und der Wirtschaftskammer unterschiedliche Zugänge zur EU?
Das ist schon richtig und ist ja auch das Spannende daran. Es waren aber gerade die Sozialpartner, die im Jahr 1994 bei der Abstimmung über unseren EU-Beitritt sehr positiv engagiert waren. Sie haben auch das Projekt Euro und die EU-Erweiterung tatkräftig begleitet und sie sollen jetzt, wenn es darum geht, neue Perspektiven für Europa aufzuzeigen, selbst verantwortlich in Europa mitwirken. Und wenn man sagt, die Sozialpartner sollen stärker einbezogen werden bei Themen wie Jugendarbeitslosigkeit, dann müssen sie sich einbringen und im Dialog mit der Bevölkerung sein, um ihre Erwartungen vertreten zu können.
Aktuell sind die EU-Befürworter in Österreich knapp in der Mehrheit. Wie hoch soll die Zahl der positiv zu Brüssel eingestellten Personen nach der Kampagne sein?
Es geht mir nicht darum, das Ganze nach Befürwortern zu messen. Wir wissen, dass im Falle einer Abstimmung nur 20 Prozent aus der EU austreten wollen. Das heißt, man sieht überwiegend Vorteile in der EU als Zukunftssicherung und im Euro als Schutzmantel gegen internationale Spekulanten. Das spüren die Menschen instinktiv und wissen es zu schätzen. Dennoch sind die Österreicher mit manchem nicht einverstanden und wollen es zum Ausdruck bringen. Diese Kritik zu transportieren, um damit Europa den Menschen näher zu bringen, ist die Aufgabe der Kampagne.
Euro hat vor allem bei jungen Menschen ein positives Image
Der Euro leidet laut Umfragen unter seinem schlechten Image. So glauben nur 41 Prozent der Österreicher, dass die Gemeinschaftswährung für sie persönlich von Vorteil war. Was kann man hier verbessern?
Zwei Drittel wollen den Euro nicht abschaffen. Wir müssen den Leuten sagen, dass uns der Euro geholfen hat, als Österreich von einem US-Nobelpreisträger zum Pleitekandidaten erklärt wurde. Da wäre es uns mit dem Schilling schlecht gegangen, wenn die Währung zum Spekulationsopfer geworden wäre. So war die Verankerung im Euro ein Schutzschild für uns Österreicher. Weiters muss man sagen, dass die Euro-Dollar-Relation unverändert geblieben ist. Das Image des Euro ist vor allem bei den jungen Menschen positiv. Sie schätzen vor allem den Wegfall der hohen Wechselspesen.
Hierzulande spricht sich eine klare Mehrheit gegen eine bedingungslose Vergemeinschaftung der Schulden in der EU aus. Was leiten Sie daraus ab?
Die Menschen haben recht. Das würde dazu führen, dass jeder den bequemen Weg geht, indem er seine Schulden in der Gemeinschaft abgibt und übersieht, dass irgendwer dann für die Schulden geradestehen muss. Mein Zugang ist ein völlig anderer: Wenn es eine gemeinsame Aufnahme von Darlehen am Kapitalmarkt gibt – dafür bin ich, weil es sehr zinsgünstig ist -, und wenn wir von diesem zinsgünstigen Geld etwas weitergeben, dann müssen damit auch klare Auflagen mit Sanktionsmöglichkeiten verbunden sein. Dann wäre ein so genannter Eurobond auch ein Steuerungsinstrument für eine Europäische Union.
Wie kann Europa den Spagat schaffen, die notwendigen Einsparungen vorzunehmen und gleichzeitig die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln?
Das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabenstellung, die Europa hat. Auf der einen Seite muss man wachsen, weil nur Wachstum sichert Beschäftigung und die notwendigen Einnahmen für den Staat. Auf der anderen Seite stehen notwendige Veränderungen. Und deshalb bin ich dafür, dass man diese Veränderungen in einer nicht für das Wachstum schädlichen Art und Weise vollzieht, weil sonst der Patient während der Operation stirbt. Daher kein Aufschieben, sondern die Veränderungen Schritt für Schritt so umsetzen, das das Wachstum gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht wird.
Das heißt, dass bei allen Sparbemühungen auch Maßnahmen etwa gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit notwendig sind?
Diese ist in der Tat neben der Spekulation als Bedrohung von außen die stärkste Bedrohung von innen. Ich habe hier namens der Wirtschaftskammern beim Staats- und Regierungschefgipfel in Berlin den Vorschlag gemacht, bis 2020 die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu halbieren. Konkret soll jeder Betrieb, der einen arbeitslosen jungen Menschen aufnimmt, eine Kreditgarantie in Höhe von 10.000 Euro für das Wachstum des Unternehmens erhalten. Diese Kreditgarantie bringt Wachstum und Beschäftigung. Weiters bin ich dafür, die duale und schulische Ausbildung zusammenzuführen, damit die jungen Menschen in das Wirtschaftsleben hineinwachsen. Bis zur Fortsetzungskonferenz in Paris im November werde ich meinen Vorschlag schriftlich ausarbeiten, und hoffe, dass er dann Gehör und Umsetzungsverbündete findet.
Ein Teil der Hypo-Kosten wird am Steuerzahler hängenbleiben
Die EU hat Österreich mehr Zeit für die Sanierung der Kärntner Hypo gegeben. Glauben Sie, dass die hohen Kosen für die Sanierung am Steuerzahler hängenbleiben werden und ein weiteres Sparpaket notwendig wird?
Ich glaube, dass ein Teil der Kosten an uns hängenbleiben wird. Wie viel das ist, wird davon abhängen, wie klug mit den verbliebenen Trümmern umgegangen wird. Es war das Ziel der Finanzministerin, von Brüssel mehr Zeit für den bedachtsamen Umgang damit zu bekommen, wodurch der Schaden minimiert werden kann.
Sie haben mir ihrem Sage vom „abgesandelten“ Wirtschaftsstandort Österreich viel Staub aufgewirbelt. War das ihr Ziel?
Wenn ein Karikaturist etwas zum Ausdruck bringen will, muss er überzeichnen, sonst wird die Karikatur fad. Genauso ist es mir gegangen. Wenn man einen Weckruf starten will, muss er laut sein, sonst wird er überhört. Natürlich ist Österreich nicht schlecht, aber wir haben Terrain verloren. Wenn wir uns jetzt Gedanken über die kommenden fünf Jahre machen, und dazu ist eine Nationalratswahl da, dann sollte man sich eigentlich damit beschäftigen, was wir tun müssen, damit wir wieder Spitze werden und nicht verlieren. Ist etwa ein Schulsystem, bei dem 20 Prozent der Pflichtschulabsolventen nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, zukunftsstauglich? Ich sage: nein. Hier müssen wir von anderen Ländern, die besser sind, lernen.