In Berlin tobt seit Jahren ein erbitterter Konflikt um die Nutzungsrechte für das Berliner Ensemble. Vordergründig geht es, wie die lokalen Medien der deutschen Hauptstadt immer wieder suggerieren, um persönliche Rivalitäten zwischen dem großen, österreichischen Theatermacher Claus Peymann, einst Chef des Burgtheaters und dem nicht weniger grandiosen, radikalen Urgestein deutschsprachigen Theaters, Rolf Hochhuth.
[[image1]]Ob und wie viel von dieser Rivalität zwischen dem Intendanten des Berliner Ensembles, vom Senat auf Lebenszeit bestellt, und dem über seine Stiftung Eigentümer des Berliner Ensembles bzw. des Theaters am Schiffbauerdamm Rolf Hochhuth wirklich besteht, mag dahinstehen.
Unbestritten, aber für verständige Zeitgenossen kaum nachvollziehbar, ist der Streitgegenstand. Es geht um schlichtweg nicht mehr und nicht weniger als die Bespielungsrechte der Stiftung, die sich beim Erwerb des Theaters gegenüber den Wertheim-Erben dazu verpflichtet hat, zur Erinnerung an die Judendeportation in Rom 1943 dreimal jährlich das Stück „Der Stellvertreter“ aufführen zu lassen. Zusätzlich geht es um eine Sommerbespielung während der Theaterferien, in denen Hochhuth laut Mietvertrag, den er mit dem Senat von Berlin geschlossen hat, das BE nutzen darf.
Seit Jahren sind sich der Regierende Bürgermeister als Kultursenator, sein in der Kulturszene beflissentlich wirkender Staatssekretär Schmitz in trauter Gemeinsamkeit mit ihrem West-Berliner Rechtsanwalt Prof. Peter Raue in einem einig: Hochhuth behält Hausverbot in seinem eigenen Theater.
Einmal liegt es angeblich daran, dass Hochhuth nicht angemeldet habe. In den meisten anderen Fällen wird einfach zu der Zeit, in der die Bespielung stattfinden soll, das Theater renoviert. Weder der verständige Zeitgenosse noch das berlinische und angereiste Theaterpublikum können verstehen, warum ein zusätzliches Bespielungsangebot, zudem noch kostenlos, in der Sommerzeit für ein so berühmtes Haus wie das BE, vom Senat nicht dankend angenommen wird. Als es Hochhuth mit viel anwaltlichem Aufwand 2011 gelungen war, seine „Inselkomödie“ als Musical herauszubringen, war das angereiste und heimische Publikum für diese leichte Kost sehr dankbar. Und natürlich genoss es der alte Tiger Rolf Hochhuth, neben dem mit seinen Werken geschmückten Büchertisch, das eine oder andere Autogramm zu geben. Selbst der griechische Botschafter schien zufrieden.
Die Kulturgewaltigen in Berlin instrumentalisieren weiterhin den Kulturbetrieb
Aber die Kulturgewaltigen in Berlin instrumentalisieren weiterhin den von ihnen beherrschten, weil finanzierten Kulturbetrieb. Und Hochhuths Werke stehen ganz offensichtlich auf dem Index. Dass von der Kritik hochgelobte, von Claus Peymann erstmals inszenierte Stück, „Sommer 14 – ein Totentanz“, wollte Hochhuth bereits in diesem Sommer am BE auf die Bühne bringen. Pustekuchen! Ihm wurde per Ukas mitgeteilt, dass der Brandschutz im BE dringend überholt werden müsse und für den Fall, dass er sich zahm zeige, könne man ihm im September die Probebühne mit 60 Plätzen anbieten. Jedenfalls, so ließ die Epigone des Kulturbetriebs, Ass. jur. Staatssekretär Schmitz ihn wissen, könne eine Sommerbespielung nicht „gewährt werden“.
Heimische, wie Zugereiste, wähnen sich in Berlin im Musentempel und die etablierte Berliner Politik ist stolz auf ihr – staatlich subventioniertes – Kulturangebot. Das Berliner Ensemble ist in sofern ein Leuchtturm geblieben, weil es den Versuchungen des Regietheaters weitgehend widerstanden hat. Während in der Komischen Oper Berlin oder der Volksbühne die Regisseure mit den Stoffen spielen und die Schauspieler sich nicht mehr Mühe geben müssen, Stücke zu interpretieren, steht das Berliner Ensemble – dank Claus Peymann – für die große Tradition des Autorentheaters. Warum also dann die fortgesetzte Kulturzensur der Hochhuth-Stücke, noch dazu bei der „Stellvertreter“- Aufführung, durch Herrn Wowereit und seine Gehilfen?
Die feine Wiener “Presse“ meldete durch ihren gescheiten Korrespondenten Karl Gaulhofer zutreffend eben solche Zweifel an. Aber in Berlin ticken die Uhren anders und Herr Wowereit sitzt weiter fest im Sattel: trotz eines Flughafens, der nicht zu nutzen ist und den Steuerzahler 25 Mio. Euro monatlich kostet, trotz kartellrechtlich festgestellter Preismissbräuche der kommunalen Wasserunternehmen und schließlich auch trotz der systematischen, jahrelangen Unterdrückung eines privaten, qualitativen, zusätzlichen Kulturangebots gerade in der Sommerzeit. Auf dem Weg zur bürgerlichen Gesellschaft sind die Berliner noch längst nicht angekommen.