Und ewig grüßt das Murmeltier: Immer mehr Stimmen fordern (wieder einmal) eine Senkung der Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit. Dies kommt einer Forderung nach weniger Wohlstand und noch mehr sozialen Spannungen gleich.
[[image1]]Österreichs Privatgewerkschafter wollen die Überstunden reduzieren, ÖGB-Chef Foglar will die 40-Stundenwoche im Staatsdienst abschaffen, Oberösterreichs AK-Chef Kalliauer will dies für alle Angestellten und Christian Felber von Attac fordert gleich die 20-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Und alles mit dem Argument nach mehr Beschäftigung und Wohlstand. Dabei könnten beide Prämissen bei mehr Arbeit besser erfüllt werden. Wie unser Schweizer Nachbarn zeigt.
Lasst uns wie die Schweizer werden!
Wir befinden uns im Jahr 2013. Ganz Europa ist von Abstiegsangst und Mieselsüchtelei besetzt („Alles wird ungerechter!“, „Die Kluft wächst!“, „Früher war der Himmel blauer!“). Ganz Europa? Nein. Ein von unbeugsamen Schweizern bevölkertes Land hört nicht auf, viel zu arbeiten und wenig zu jammern. Das Leben ist nicht leicht für die Regierungen der benachbarten Länder Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien. Denn deren Untertanen entfliehen dem öffentlich organisierten Dauer-Gejammere ihrer Gesellschaften, um beim Schweizer Klassenfeind härter zu arbeiten und zufriedener zu leben. Schon 70.000 Deutsche sind auf Dauer in die Schweiz gewandert.
Wer viel arbeitet, der hat auch mehr
Nur harte Arbeit führt zu Wohlstand – und nicht die Verteilung eines virtuell herbeigerechneten. Nachfolgend sieht man den Vergleich von Jahresarbeitszeit und Nettogehalt in wichtigen Städten von sowohl eher kapitalistisch und eher sozialistisch orientierten Gesellschaften.
Die Antwort ist eindeutig: In eher „fleißigen“ Ländern wie der Schweiz, Japan und Amerika werden zwischen 1.900 und 2.100 Stunden gearbeitet.
Deshalb laufen die Maschinen dort um bis zu 40% länger als in Frankreich. Schweizer Verkäufer bleiben um bis zu 40% länger in ihren Büros und verkaufen − ohne dass teure Überstunden anfallen. Damit produzieren sie auch um 40% mehr Güter und Dienstleistungen, die Schweizerische Nationalbank druckt um 40% mehr Banknoten und bringt diese in Umlauf. Es werden um 40% höhere Umsätze und Gewinne erzielt – und mehr als doppelt so hohe Nettolöhne. Damit hat eine Gesellschaft mehr Güter, mehr Geldnoten und mehr Kaufkraft. Und sie ist zufriedener und sozial stabiler. Und jammert nicht permanent, wie schlecht es ihr denn nicht ginge, und um wie viel mehr der andere doch hätte.
Schweiz: Schlanker Staat und dickes Portemonnaie
Warum verdienen Schweizer netto um 130% mehr, wenn sie brutto „nur“ doppelt so viel bekommen? Weil die Ausgaben für das Staatswesen auf mehr „produzierte“ Arbeitsstunden umgelegt werden können. Sowohl die Einkommenssteuern als auch die Lohnnebenkosten sind daher wesentlich niedriger als etwa in Deutschland oder Österreich. So nimmt der Staat den Eidgenossen 30 Prozent vom Bruttogehalt, den Österreichern aber 43.
Außerdem schieben die Schweizer ihre soziale Verantwortung z. B. für die Altersvorsorge nicht auf einen ineffizienten Staatsapparat ab, sondern tragen diese in Form privater Vorsorgeprodukte selber. Der Staat fördert großzügig Wohnungseigentum und Altersvorsorge.
Als am Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2009 die meisten Euro-Länder große Budgetdefizite erleiden, verzeichnen die Schweizer einen Budgetüberschuss von 1,8 Milliarden Euro. Und reduzierten damit ihre Staatsschulden auf 39% (gemessen am BIP). Österreichs Schulden sind doppelt so hoch: 78% − bei halbem Lebensstandard. Insgesamt sorgt der hohe Schweizer Wohlstand für großes Selbstvertrauen und Optimismus. Kein Wunder, dass die Mischung aus Bergidyll und Manchester-Kapitalismus die Jugend aus den angrenzenden Ländern absaugt.
Französisches Modell für Österreich?
Nirgendwo auf dieser Welt wird weniger und kürzer gearbeitet als in Frankreich (Stammt „Das Recht auf Faulheit“ nicht vom Franzosen Paul Lafargue?). Nirgendwo sind Europas Gewerkschafter noch so mächtig. Mit der Einführung der 35-Stundenwoche durch die Sozialisten im Jahr 2000 zählt das Land heute aber endgültig zum wirtschaftspolitischen Notstandsgebiet. Frankreichs Arbeitslosigkeit erklimmt immer neue Rekordhöhen, die Reallöhne stagnieren auf dem Niveau von Schwellenländern und die zweithöchsten Arbeitskosten der Welt haben Frankreichs Produkte derart verteuert, dass selbst jene Franzosen, die noch einen Job haben, lieber aus dem Ausland importieren.
Abenteuerliche Handelsbilanzdefizite sind die Folge. Und ebensolche Tipps französischer Politiker an Deutschland, die Kaufkraft deutscher Konsumenten nach „französischem Rezept“ zu erhöhen.
Irgendwann muss Österreich über seine Grenzen hinausblicken. Und es muss sich entscheiden: Wollen wir gut verdienen oder wenig arbeiten – beides geht sich halt nicht aus.