Griechenland konnte zwar den Euro-Rettungsschirm abwerfen – aus dem Wasser ist das Land aber noch lange nicht.
Die dramatische Rettungsaktion ist zu Ende – vorerst einmal. In Brüssel ertönt Jubel, dass die Griechen das auf drei Jahre angelegte Nothilfeprogramm aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)abgeschlossen haben. Das Land, das erstens mit Krediten in Höhe von insgesamt 289 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet wurde und zweitens sowohl der EU als auch der Euro-Zone erhalten blieb, soll nunmehr programmgemäß auf eigenen Beinen stehen.
Der Patient hat jedenfalls vor wenigen Tagen die Intensivstation verlassen können, aber gesundet, nein, das ist er wahrlich nicht. In Athen ist folglich alles andere als eine euphorische Aufbruchstimmung angesagt: Das achtjährige Reform- und Sparprogramm, das dem Inselstaat von den Gläubigern abverlangt wurde, hat für die Bürgerinnen und Bürger tiefe Blutspuren hinterlassen. Sie sind tief frustriert, weil überzeugt, dass sie kaputtgespart wurden: Bei den Rentnern etwa sind seit 2015 die Pensionen fünfzehn Mal gekürzt worden. Mit wenigen Ausnahmen sind praktisch alle Griechen ärmer geworden, viele unter die Armutsgrenze abgerutscht.
Freilich mussten am Höhepunkt der Krise schier ewige, tief verwurzelte Strukturprobleme, die zur Wirtschaftskrise beigetragen hatten, endlich angegangen werden, und mit den auferlegten Reformen sollte die Grundlage für eine nachhaltige Erholung geschaffen werden, um nachhaltiges Wachstum, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu ermöglichen. Der hohe Preis, der für derartige Maßnahmen fällig wurde, musste naturgemäß vom griechischen Volk bezahlt werden.
Die Regierung unter dem einstigen Linksradikalen Alexis Tsipras hat sich dem Diktat der vermeintlichen Retter bedingungslos unterworfen und auf diese Weise das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler sukzessive verspielt. Es ist ihr zwar etwa gelugen, den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo von einem schauderhaften Defizit in einen Überschuss im Jahr 2017 zu drehen, doch noch lange wird in Griechenland nicht alles paletti sein.
Die griechischen Teilerfolge
Dass es in Griechenland aufwärts geht, ist allerdings nicht zu übersehen – und drei illustrative Fakten zum Status Quo belegen das auch:
- Das Wirtschaftswachstum, das 2011 zum Beispiel noch minus 9,1 Prozent betrug, liegt seit 2017 wieder im positiven Bereich – heuer dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,9 Prozent ansteigen, für das nächste Jahr werden laut (hoffentlich nicht zu optimistischen) EU-Angaben 2,3 Prozent prognostiziert.
- Die Arbeitslosenquote sank vom Rekordwert 27,5 Prozent (2013) auf derzeit 20 Prozent, 2019 sollen es nur noch 18,4 Prozent sein – immerhin noch deutlich mehr als 2010 (12,7 %).
- Der griechische Schuldenberg, der vor vier Jahren noch 179 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen hatte, änderte sich kaum, soll aber im kommenden Jahr auf 170 Prozent sinken.
Für übertriebenen Optimismus, was die nähere Zukunft Griechenlands betrifft, ist indes kein Platz: In einem Land, wo jeder Fünfte keinen Job hat bzw. in dem die Löhne in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sind, die Steuerlast jedoch gleich geblieben ist, wird es immens schwer sein, die Daumenschraube auf Geheiß Brüssels weiter anzuziehen. Angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaftsleistung pro Kopf um 25 Prozent niedriger ist als vor acht Jahren, sind auch von den Unternehmen, die etwas zaghaft ihre Exportgeschäfte anzukurbeln versuchen, keine Wunderdinge zu erwarten. Schließlich wird ein Staat, in dem es immer noch keine professionelle Bürokratie, beispielsweise eine gut funktionierende Steuerverwaltung, das traditionelle Desaster nicht schlagartig bereinigen können.
Das heißt im Klartext: Der Turnaround ist beileibe noch nicht geschafft, fraglich ist obendrein, ob und zu welchen Konditionen Griechenland an den Finanzmärkten wieder Geld auftreiben wird können, und lediglich in den Sternen steht zu schlechter Letzt, ob der griechische Schulden-Mount Everest jemals zurückgezahlt werden kann – ohne Rettungsring wird Schwimmen bekanntlich nur komplizierter…