Ungarn gegen Soros: Das ist Brutalität. In diesem publizistischen Ringen zweier Männer verbirgt sich freilich eine sehr ernste und grundsätzliche Frage: Hat Ungarn das Recht, gegen den Mann und die von ihm unterstützten Organisationen vorzugehen, die sich für offene Grenzen und freie Migration einsetzen? Die ungarische Anti-Soros-Kampagne klingt nämlich ganz massiv nach einem Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.
Alle, die sich dazu äußern, haben eine klare und eindeutige Antwort auf diese Frage. Dabei ist in Wahrheit weder die bei der Linken automatische Totalverdammung Ungarns gerechtfertigt noch die blinde Reinwaschung Orbáns, die manche als ebenso automatische Reaktion setzen.
Ungarn und seinem Premier Viktor Orbán wird ständig ein Verstoß gegen das Prinzip der Meinungsfreiheit vorgeworfen. Damit haben die Kritiker zum Teil auch Recht – aber eben nur zum Teil, zum kleineren Teil:
Orbán hat die Kritik an George Soros und die Kampagne gegen ihn tatsächlich als parteipolitisches Wahlkampfvehikel über alle Fakten hinaus inszeniert und instrumentalisiert. Das ist unseriös. Das ist auch sachlich falsch, selbst wenn es wahltaktisch für Orbán hilfreich gewesen sein sollte, selbst wenn er damit unterschwellig antisemitische Emotionen angesprochen haben sollte. Was ja als weiterer nicht beweisbarer, aber auch nicht widerlegbarer Vorwurf im Raum steht.
Denn egal, wie man zu Soros steht: Die Völkerwanderung ist nicht seine Erfindung. Sie wäre auch ganz ohne ihn in Gang gekommen. Sie hat – leider – viel tiefer sitzende Ursachen.
- Diese hängen vielmehr und ganz besonders mit der Attraktivität der europäischen Wohlfahrtsstaaten und ihren „dank“ der Sozialdemokraten schier grenzenlosen Sozialleistungen zusammen.
- Sie hängen damit zusammen, dass Verbrecherbanden viel Geld mit dem Schleusen von migrationswilligen Menschen nach Europa verdienen.
- Sie hängen mit der grenzenlosen Naivität von Angela Merkel zusammen.
- Sie hängt mit der weltfremden und von linken Richtern geprägten Judikatur europäischer Höchstgerichte zusammen.
- Sie hängt damit zusammen, dass viele europäische Sozialisten von Spanien bis Schweden ideologische Lust an der Massenmigration haben, deren Folgen sie nicht begreifen.
All diese und noch viel mehr Gründe sind für die Völkerwanderung entscheidend. Und sie alle wirken mit oder ohne Soros.
Also tut Orbán dem amerikanischen Investor und gebürtigen Ungarn Unrecht? Aber auch dieser Schluss wäre total falsch. Unrichtig ist nur, dass Orbán die Bedrohung durch die Völkerwanderung allzusehr simplifiziert, wenn er sie als bloßes Soros-Problem darstellt. Unrichtig ist auch, dass Orbán so tut, als ob Soros deswegen ein Paria zu sein hat, weil er mit Währungsspekulationen sein Geld gemacht hat. Soros hat dabei jedoch gegen kein Gesetz verstoßen (überdies tun auch alle Unternehmen und Banken, speziell die Notenbanken wie die EZB, dasselbe, allerdings oft erfolgloser als Soros: Sie alle wollen aus den ständigen Währungskursschwankungen einen Vor- und keinen Nachteil ziehen).
Orbán hat aber gleich auf zwei anderen Ebenen Recht, wenn er gegen Soros beziehungsweise die von ihm finanzierten Organisationen vorgeht.
Erstens: Soros ist ein ausländischer Staatsbürger. Ungarn hat wie jeder Staat das Recht, politische Aktivitäten von Ausländern besonders zu beschränken. Auch Österreich hat (im Konsens aller Parteien!) alleine in den letzten Wochen mehrfach genau dasselbe Recht für sich in Anspruch genommen:
- Österreich verbietet Wahlkampf-Auftritte des türkischen Machthabers Erdogan und anderer türkischer Politiker auf seinem Boden.
- Österreich verbietet die Betätigung von aus dem Ausland finanzierten Imamen.
- Österreich bestimmt auch ganz nach nationalem Interesse selbst darüber, ob und wie weit eine ausländische Universität, eine ausländische NGO auf seinem Gebiet aktiv werden darf.
In all diesen Punkten ist nicht nur die schwarz-blaue Regierung, sondern auch die gesamte Opposition der Meinung, dass Österreich handeln darf (und soll). Daher ist es nur doppelbödige Heuchelei, wenn Orbán-Kritiker jetzt so tun, als dürfte der ungarische Ministerpräsident das nicht ebenso.
Etwas ganz anderes ist die Abwägung, ob Orbán mit einem Hinausdrängen der Soros-Universität auch klug und im ungarischen Interesse handelt. Eher nicht. Denn Ungarn ist (noch) nicht so reich, dass es leichtfertig auf eine von einem reichen Ausländer finanzierte Universität verzichten sollte. Aber das Recht dazu hat Ungarn ganz eindeutig.
Zweitens: Noch auf einer zweiten Ebene hat die ungarische Regierung jedes Recht – und wäre ich Ungar, würde ich auch sagen: auch die Pflicht –, gegen Soros-finanzierte Organisationen vorzugehen. Das gilt aber nur, solange diese Regierung auch genauso gegen alle anderen ungarischen (oder nicht-ungarischen) Organisationen vorgeht, die das Gleiche tun, aber nicht von Soros unterstützt werden. Was Ungarn offensichtlich tut – auch wenn es nur von Soros redet.
Ein Land darf, ja soll gegen alle vorgehen, die Beihilfe zu rechtswidrigen Aktionen leisten. Also etwa:
- wenn NGOs illegale Migranten verstecken,
- wenn sie diese über Grenzen schmuggeln,
- wenn sie diese zu unrichtigen Aussagen vor den Behörden verleiten,
- wenn sie Propaganda für die illegale Migration machen,
- wenn sie Abschiebungen zu verhindern trachten,
- oder wenn sie Spendengelder missbrauchen, um Asylverfahren unendlich in die Länge zu ziehen.
Die anderen europäischen Länder sollten also weniger darüber nachdenken, ob das ungarische Vorgehen gegen solche NGOs nicht vielleicht doch unkorrekt ist. Sie sollten vielmehr auch in ihren eigenen Grenzen gegen sie vorgehen.
Freilich muss dabei eines klar sein: Es muss bei jeder einzelnen Organisation, die wegen solcher Tätigkeiten in Ungarn oder sonstwo verboten wird, wirklich klar nachgewiesen sein, dass sie das tut. Einfach nur daraus, dass dass eine Organisation von Soros unterstützt wird, den Schluss zu ziehen, dass sie daher illegale Immigration fördert, ist absolut inkorrekt.
Daran ändert die Tatsache nichts, dass es einen sehr problematischen Text von Soros zum Thema Asyl gibt, den er einmal selbst als „Plan“ bezeichnet hat. In diesem Plan steht – neben viel Vernünftigem – auch die ungeheuerliche Forderung: Die EU „muss(!) … mindestens(!) eine Million(!) Asylsuchende jährlich(!) aufnehmen“. Das ist eine für die meisten Europäer schlimme und unerträgliche Forderung. Und deshalb ist es legitim, Soros scharf zu kritisieren.
Aber dennoch wäre es absolut illegitim, deswegen jede Organisation, die Geld von Soros bekommt, als automatisch an der Umsetzung dieses Plans und an illegalen Aktionen beteiligt anzusehen. Eine solche Beteiligung muss schon bei jedem einzelnen Verein getrennt geprüft werden.
Ein Kollektiv-Schluss auf alle unterstützten Vereine und Universitäten wäre ebenso unseriös und untergriffig, wie es etwa die ständige Denunziationsversuche der Grünen und Sozialisten sind, die jeden Autor irgendeiner Zeitschrift als Neofaschist oder Nazi beschimpfen, nur weil in dieser Zeitschrift auch ein ganz anderer Autor einmal etwas geschrieben hat, was – wirklich oder vermeintlich – diese Qualifikation verdient. Ein solcher Kollektiv-Schluss wäre ebenso unseriös, wie es die linken Denunziationskampagnen gegen irgendwelche Verbindungen sind, aus denen in den 30er Jahren Nazis hervorgegangen sind.
Denn wäre ein solcher kollektivierender Vorwurf korrekt, dann müsste ja als erstes gegen die SPÖ vorgegangen werden, aus der viel mehr Nazis herausgewachsen sind als aus jeder Studentenverbindung. Ähnlich müsste die evangelische Kirche verboten werden, weil Martin Luther einst wilde antisemitische Pamphlete verfasst hat.
Solche Generalverdächtigungen sind völlig unakzeptabel. Aber ebenso sind das auch Generalreinwaschungen, wie sie etwa Alexander van der Bellen unlängst in seinem täglichen ahnungslosen Gebrabbel versucht hat, als er behauptet hat, dass Soros mit der Einwanderungswelle gar nichts zu tun hätte.
Und wie ist es mit dem Vorwurf des Antisemitismus gegen Orbán, den jeder zweit- bis drittklassige Journalist außerhalb Ungarns schon in die Tasten gehämmert haben dürfte? Nun, beweisbar ist der nicht, auch wenn er unterschwellig mitgespielt haben könnte. Aber unbeweisbare Vorwürfe zu publizieren, ist immer problematisch.
Zugleich ist es absolut nicht hinnehmbar, wenn an einzelnen Personen keine scharfe Kritik geübt werden dürfte, nur weil diese Kritik als antisemitisch denunziert werden könnte. Gerade die ständige verbale Errichtung solcher A-Priori-Tabuzonen droht neuen Antisemitismus anzufachen – auch wenn Soros zugute zu halten ist, dass er zumindest meines Wissens selbst nie das Antisemitismus-Argument verwendet hat.
Die Haltung des Milliardärs hängt auch sicher nicht mit seiner jüdischen Abstammung zusammen. Es ist vielmehr die Haltung eines typischen naiven Linksliberalen, der das Gute will und doch so oft das Böse schafft. Und es ist ja auch kein Zufall, dass es nach der ungarischen Regierung gerade die israelische gewesen ist, die Soros am schärfsten kritisiert hat.