Samstag, 21. Dezember 2024
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Portugal: Coelho will auf Kurs bleiben

Es kam so, wie es zu erwarten war: Auch in Portugal hat die bisherige Regierung bei der Parlamentswahl am Sonntag einen Denkzettel erhalten. Premier Pedro Passos Coelho, der sich in den vergangenen Jahren als konsequenter Sparmeister profiliert hatte, verlor mit seiner liberal-konservativen „Partido Social Democrata“ (PSD) die absolute Mehrheit.

Zur Ehrenrettung der portugiesischen Wählerschaft darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass sie Coelho zumindest zum Wahlsieger gemacht hat. Der clevere Taktiker hat nämlich rechtzeitig mit der rechten CDS auf das Bündnis „Portugal à Frente“ (PaF) – auf Deutsch: „Portugal voran“ – gesetzt und letztlich noch etwas mehr als 100 der 230 Mandate geschafft. In anderen EU-Ländern ist es – wie die Erfahrung lehrt – nicht selbst-verständlich, dass ein Regierungschef, der für einen rigiden Sparkurs steht, zumindest Erster bleibt. Anderswo hätten obendrein rechtsextreme Partei von der angespannten Lage, in der sich das krisengeschüttelte Land befand, wohl eindrucksvoll profitieren können.

Nicht so in Portugal, wo die populistisch-nationalistische „Partido Nacional Renovador“ (PNR) über 0,50 Prozent der Stimmen nicht hinauskam: Dafür konnte zum einen die sozialistische PS unter ihrem leutseligen Chef Antonio Costa um fast fünf Prozentpunkte zulegen. Zum anderen gelang es dem „Block der Linken“, sich stimmenmäßig auf mehr als zehn Prozent zu verdoppeln. Schließlich kam das aus Kommunisten und Grünen bestehende Wahlbündnis CDU auf mehr als acht Prozent. Die politischen Kräfteverhältnisse haben sich also massiv geändert, denn die drei Linksparteien halten nunmehr bei knapp über 50 Prozent der Wählerstimmen. Dennoch wird die Regierungsbildung ungeheuer schwierig: Coelho, dem es zu danken ist, dass Portugal im Mai 2014 früher als geplant den Rettungsschirm der Troika – EU, EZB und IWF – verlassen konnte, weiß nur zu gut, dass Costa für ihn nicht unbedingt Steigbügelhalter spielen möchte. Zugleich sind die drei Linksparteien alles andere als in Harmonie verbunden, weil sie viel zu unterschiedliche Positionen puncto Austerität vertreten, sodass eine linke Dreier-Koalition eher unwahrscheinlich sein dürfte. Ein deutlicher Linksruck wie in Griechenland ist folglich nicht zu befürchten.

Der Koalitions-Poker

Coelho, gelernter Ökonom und Ex-Manager, ist jedenfalls mit einem  riesigen Dilemma konfrontiert: Er hat zwar sein Land dank eines Hilfspakets in Höhe von 78 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet, doch derzeit nützt es ihm überhaupt nichts, dass die portugiesische Wirtschaft heuer nach drei Jahren Ebbe wieder wachsen wird. Oder dass das Haushaltsdefizit laut aktuellen Prognosen auf rund drei Prozent sinken wird.  Oder dass das Land drauf und dran ist, die Staatsverschuldung, die bei rund 130 Prozent des BIP liegt, endlich in den Griff zu kriegen.  Oder dass die Arbeitslosenquote von früher 18 auf derzeit 12 Prozent gesunken ist. Denn seine „Erfolgsbilanz“ nahmen ihm letztlich zu wenige Wählerinnen und Wähler ab. Vor allem jene, die ihren Job verloren und massenhaft ins Ausland abwandern müssen, haben gegen die Folgen des Sparkurses votiert. Und jene Erwerbstätigen, die mit dem Mindestlohn – monatlich etwa 500 Euro – auskommen müssen, haben ebenfalls gegen die bisherige Regierung protestiert. Coelho ist auch für jene Portugiesen unten durch, die an oder unterhalb der Armutsgrenze leben – immerhin sind das gleich 27 Prozent der Bevölkerung.

Costas Sozialisten, die bis 2011 an der Macht waren, konnten aus der großen Unzufriedenheit nicht wirklich einen Nutzen ziehen.  Sie fordern zwar das Aus für die Austeritätspolitik und moderate Ausgaben- steigerungen.  Es ist ihnen aber nicht gelungen, sich klar zu positionieren und damit etwa die Schatten der Vergangenheit abzuschütteln: Der frühere Premierminister José Socrates, der von 2005 bis 2011, zunächst mit absoluter Mehrheit, regiert hatte, musste zurückgetreten, weil ihm das Parlament das vierte Sparpaket nicht abgesegnet hatte. Im November 2014 wurde er dann wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption festgenommen. Inzwischen wieder aus dem Gefängnis freigelassen, dürfte Socrates für die Sozialisten eine beträchtliche Belastung gewesen sein, weil sein Fall bis heute ungeklärt ist. Costa, der schon wie der Sieger ausgesehen hatte, blieb einer ironischen Selbsteinschätzung von früher treu – als „Spezialist für knappe Wahlniederlagen“.

Wie kann es also weitergehen? Dass es in Portugal nur ein einziges Mal – und das vor mehr als dreißig Jahren – eine Koalition der beiden großen Lager gab, mag ein Signal sein, dass sie auch diesmal nicht zusammenfinden werden. Womöglich wird sich daher Staatspräsident Cavaco Silva, einst konservativer PSD-Vorsitzender und zehn Jahre lang Premierminister, besonders ins Zeug legen müssen, um diese Konstellation doch noch zu erzwingen: Denn ein links-radikaler Kurs, für den sowohl Linksblock als auch Kommunisten als Coelhos Koalitionäre eintreten würden, täte dem Land keineswegs gut, weil das womöglich u. a. Diskussionen über die Renationalisierung der eben privatisierten Staatsbetriebe nach sich zöge. Es ist jedenfalls enorm wichtig, dass das ärmste Land Westeuropas auf Kurs bleibt, um finanziell weiterhin wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Immerhin rentieren portugiesische Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit derzeit bei rund 2,5 Prozent, und die Ratingagentur Standard & Poor‘s stufte das einstige Problemland der Währungsunion kürzlich um eine Stufe auf BB+ hoch. Coelho, der eine Tragödie wie in Griechenland abwenden konnte, ist mit Sicherheit der oberste Garant, dass es mit Portugal weiter aufwärts geht – bleibt zu hoffen, dass er möglichst bald eine stabile Koalition formen kann. Nur schade, dass er gleich in der Wahlnacht versprochen hat, Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst teilweise rückgängig machen zu wollen…

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