Samstag, 21. Dezember 2024
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Prof. Mag. Erich Wolf: Keine Corona-Unterstützung ohne fachmännische Begleitung durch den Antragsdschungel

Bilder © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitte)

Es trifft alle gleich: die Unternehmer-Einzelkämpfer, die KMUs, die großen Betriebe: sie müssen die überbordenden, sich oft stündlich ändernden Anforderungen erfüllen, um überhaupt als Antragsteller für Kurzarbeit oder eine Förderung anerkannt zu werden.

Foto: Prof. Mag. Wolf

Bitte lesen Sie – als Praxisbeispiel für diesen wichtigen Beratungsguide – auf EU-Infothek.com die Erfahrungen und Eindrücke des gemeinsam mit zahlreichen seiner Kollegen an vorderster Front kämpfenden Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Prof. Mag. Erich Wolf (www.steuerwolf.at).

 

 

 

  1. COVID 19-Maßnahmen

Die gesetzlichen Regelungen, Verordnungen, Erlässe, etc. mögen zum damaligen Informationsstand unter den seinerzeitigen Prämissen (Mitte März 2020) naheliegend und richtig gewesen sein. Mit dem heutigen Wissensstand erweisen sich jedoch vor allem die Schließung der Geschäfte und die Ausgangssperren als überschießend. Die Problemlösungen schaffen höhere Lösungsprobleme mit hohen wirtschaftlichen und psychosozialen Schäden (1 Mrd. Verlust des Bruttonationalproduktes pro Tag!, Depressionen, Suizide, Vereinsamung, Suchtkrankheiten, etc.). Ökonomie und Gesundheitspolitik sind keine Widersprüche, sondern sie bedingen einander.  Wir brauchen eine starke Wirtschaft für Investitionen in Impfstoffe, Gesundheitsversorgung, Heilmittel, etc. – umgekehrt schafft eine Wirtschaftsrezession gesundheitliche Probleme der Bevölkerung!

Kann man das ganze Land wegen einem Heckenschützen einsperren? Oder sollte man die möglichen Risikogruppen gezielt identifizieren und – unter menschlichen Bedingungen – isolieren!?

Jeder Machthaber wählt das für ihn geringste Risiko? Der komplette „Shutdown“ birgt das geringste Risiko – für die Bundesregierung. CV-Tote sind nämlich messbar – aber auch diese Datenlage ist höchst unsicher (stirbt man wegen CV 19 oder mit CV 19 – wie viele Tote wären ohnehin wegen Vorerkrankungen gestorben?).  Tote, Suchtkranke, depressive Österreicher durch CV-19 Maßnahmen sind überhaupt nicht messbar! Ein Dilemma – auch wegen der fehlenden Datensicherheit. Es gibt keine richtige Lösung, es gibt nur Lösungsversuche.

  1. Budgetäre Maßnahmen

Die Corona-Budgets umfassen 50 % der gesamten Steuereinnahmen eines Jahres. Wer soll das bezahlen? Es sind die jungen Generationen, die diese neuen Schuldenberge abtragen müssen. Die Schulden eines Staates sind die Sparpakete und die Steuerzahlungen von morgen!  Welche Investitionen in den Klimaschutz, in die Ausbildung, Kultur, Medienförderungen, etc. wären in Höhe von 44 Mrd. möglich gewesen?

  1. Auswirkungen in der Beratungspraxis

Wir erleben einen Ansturm zu den Fördertöpfen (Härtefonds, Notfallfonds, Kredite). Die derzeitige Beratungspraxis erinnert an Kriegs- oder Nachkriegszeiten – unsere Großeltern haben diese Zeiten erlebt, jetzt können ihre Enkel diese Gefühle ein bisschen nachempfinden. Die Formulare für die Förderungen ändern sich täglich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Förderrichtlinien) ändern sich noch schneller als die Formulare. Wenn ich heute meinen Klienten eine Auskunft erteile, stimmt diese Information morgen nicht mehr! Die Förderrichtlinien enthalten bis zu 200 Zweifelsfragen (zB wie definiert man Umsatz?, was sind Fixkosten, diese werden vom „Corona-Hilfs-Fonds“ ersetzt – nach welchen anderen Rechtsgrundlagen können Fixkosten und Umsatzerlöse definiert werden? Was sagt die betriebswirtschaftliche Fachliteratur dazu, jetzt habe ich keine Zeit nachzulesen?- aber der Steuerberater muss die Fixkosten garantieren – also auch die Haftung für die Richtigkeit übernehmen!). Daneben gibt es Landesförderungen. Kann man einzelne Förderungen kombinieren – oder schließen sie sich aus?! Viel mehr Fragen als Antworten.

Korruption entsteht immer dann, wenn zwei Personen (zB Arbeitnehmer und Arbeitgeber) einen Vorteil zu Lasten eines Dritten (Fiskus) zu erwirtschaften. Die Kurzarbeitsbeihilfe ist grundsätzlich positiv – aber leider für Fördermissbrauch anfällig. In der Krise muss schnell geholfen werden, die Behörden haben keine Zeit für eine genaue Prüfung. Noch dazu sind die Förderrichtlinien oft unklar und erlauben unzählige Zweifelsfragen. Angst und Panik schaffen die Gemütslage für die Unternehmer, eher mehr als weniger Förderungen zu beantragen. Als Steuerberater hat man natürlich einen Zielkonflikt, wir wollen die wirtschaftliche Situation unserer Klienten optimieren – aber im Sinne der Gesetze! Fördermissbrauch kann zu Gefängnisstrafen führen – davor wollen wir unsere Klienten bewahren.

Stichwort Kurzarbeit: Die Bedingungen für die Förderungsanträge für Kurzarbeit haben sich in kurzen Abständen immer wieder verändert (Krankenstände, Sozialversicherungsbeiträge werden nach gesetzlichen Änderungen vom Fiskus anteilsmäßig doch übernommen, frühere Berechnungsvarianten erwiesen sich als unrichtig), die Formulare haben sich daher auch ständig verändert (zB neue Tabstopps im Formular selbst, es gibt Zugangsbarrieren via online-Formulare, Serverabbrüche und Internetüberlastungen sind an der Tagesordnung, etc.). Die Klienten möchten allerdings schnell positive Erledigungen – eh klar.

Die Förderungen werden von den Wirtschaftskammern abgewickelt – und nicht von den Finanzämtern. Die Finanzämter haben aber ein jahrzehntelanges Know-How für das Formularwesen, die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist nicht in der Gestaltung der Antragsformulare eingebunden gewesen. Ich bin Mitglied im Fachsenat – niemand hat uns von der Bundesregierung gefragt, ob wir mitarbeiten wollen. Es fehlt schlicht ergreifend an Zeit, um das Förderwesen effizienter zu gestalten – eh klar – Krisenzeiten. Man kommt erst im Nachhinein auf die Fehler darauf.  Fehler machen alle – die Behörden, die Klienten – und natürlich auch wir Steuerberater (Wer muss unterschreiben? Wer muss alles gefragt werden zB Betriebsrat oder alle Mitarbeiter, soll man alle Mitarbeiter oder nur bestimmte Gruppen in Kurzarbeit schicken, muss ein vorhandener Urlaubsstand vorher aufgebraucht werden etc.?). Der letzte Fauxpas: Rückwirkende Anträge für COVID-19-Kurzarbeitsbeihilfe mit einem Beginn im Monat März sind noch bis Ende Mai 2020 möglich – in der Vorwoche hat es noch geheißen, die Frist läuft bis heute, am 20.4.2020 – CHAOS pur! Und das obwohl die Regierung ja versprochen hat, dass niemand zurückbleibt und in Stich gelassen wird!

In der Krise ist der asiatische Lebensstil (kollektive Solidarität) der europäischen Kultur (Individualismus, Wettbewerb und Konkurrenz im Sinne von Adam Smith: Der individuelle Egoismus schafft als unsichtbare Hand das Beste auch für die Gesellschaft) überlegen. In einer prosperierenden Wirtschaft ist ein gewisses Maß an Egoismus positiv für die gesamte Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft, in der Krise ist Konkurrenz und Individualismus allerdings kontraproduktiv.  In der CV-19—Krise sollten Förderungen (geförderte Kredite, Zuschüsse, Stundungen von Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen) nur beantragt werden, wenn tatsächlich eine Notsituation vorliegt.  Eine Wettbewerbssituation um Förderungen führt allerdings dazu, dass die Mittel nicht effektiv eingesetzt werden („first come-first serve“).

  1. Chaos in der Steuerberatungskanzlei pur

Wir befinden uns in Chaoszeiten.

Die „normalen“ Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen, Zahlungsfristen werden von Klienten nicht mehr ernst genommen, da die Finanzbehörden selbst diese Fristen ausgesetzt haben! Wer will es dem Unternehmer übelnehmen, wenn Finanzamtsfristen jetzt wurscht sind? Der vorsorgliche Steuerberater denkt sich aber, was tun wenn nach der Krise alle aufgeschobenen Fristen gleichzeitig fällig werden?

Klienten drängen wegen Förderungen, Stundungs- oder Rückzahlungsanträge an. Wer soll als erster serviciert werden? – Diejenigen die den extremsten Druck ausüben – dh am Lautesten schreien oder jene, die die Förderungen am Nötigsten brauchen? – hat auch ein Arzt in der Intensivstation solche Entscheidungen zu treffen?!). Der Stress in der Steuerberatungskanzlei entsteht auch dadurch, dass unsere Klienten zwar noch stärker als in Normalzeiten Aufträge vergeben – aber wir nicht wissen, ob unsere Honorare auch bezahlt werden können? In Krisenzeiten, in denen Künstler gratis auftreten, Masken verschenkt werden und die Republik Österreich Gelder aus den diversen Hilfsfonds verschenkt, wer hat noch Verständnis für ein angemessenes Stundenhonorar eines Steuerberaters? Andererseits, so ist unser System? Auch wir Steuerberater haben Familie und Privatausgaben?  An eigenen sportlichen Aktivitäten oder Hobbys ist da ohnehin nicht mehr zu denken, ein geplanter Urlaub Ende März in St. Anton ist coronabedingt ausgefallen – aber solche Sorgen hätten jetzt viele Unternehmer gerne.  Ist egal, wir sollen ohnehin zu Hause bleiben – sagt der Gesundheitsminister! Hoffentlich setzen wir nicht zu viel Bauchspeck an, der in Normalzeiten wieder mühsam  heruntertrainiert werden muss. Wir leben auch für die Zeit danach…. Die Krisenzeiten sind ein interessantes Erlebnis – aber wir hätten gut und gerne auch darauf verzichten können.

Zur Person:

Professor Mag. Erich Wolf ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und Lektor auf der Fachhochschule. Er ist als Fachschriftsteller und Vortragender bekannt. Er lebt und arbeitet in Wien.

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