Erfreut darüber, dass die ÖVP bei der EU-Wahl trotz Verlusten als Erster über die Ziellinie gegangen ist, zeigt sich Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer. Im Gespräch mit der EU-Infothek erläutert er seine Erwartungen an die künftige Politik in Brüssel und sagt, wie die Bundesregierung aus ihrem Tief herauskommen kann.
[[image1]]In der SPÖ gibt es nach dem mäßigen Abschneiden bei der EU-Wahl Kritik an der Parteiführung und die Forderung nach einer raschen Steuerreform. Drohen damit wieder neue Spannungen mit dem Koalitionspartner?
Ich hoffe nicht. Dass es nach einer Wahl, die nicht sehr erfolgreich verläuft, Diskussionen gibt, war zu erwarten. Eine rasche Steuerreform wollen alle.
Die ÖVP hat sich gegen eine Steuerreform bereits 2015 ausgesprochen, wann ist für Sie der richtige Zeitpunkt gekommen, um die österreichischen Arbeitnehmer zu entlasten?
So schnell wie möglich, wenn die Steuerreform darstellbar ist und wenn sie nicht auf Pump geht. Denn Steuerreformen auf Pump haben die Folge, dass es bald nach der Entlastung ein Belastungspaket gibt. Das macht die Politik unglaubwürdig und nützt auch den Menschen nicht. Ich kann noch keine Jahreszahl nennen.
Sie haben das gute Abschneiden der Pro-Europa-Parteien als gutes internationales Signal bezeichnet. Trotzdem haben Rechtspopulisten, die von der EU nichts wissen wollen, in Frankreich und Großbritannien massiv zugelegt. Soll jetzt die EU weniger sparen und mehr gegen die Arbeitslosigkeit tun, wie das Frankreichs Präsident gefordert hat?
Ich habe diese Aussage auf Österreich bezogen und da ist es ein gutes Signal und ein gutes Zeichen für die heimischen Wähler, wenn mehr als 70 Prozent Pro-Europa-Parteien wählen. Was den Kurs der EU anlangt, so ist sicher der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Europa und vor allem der Kampf für mehr Jugendbeschäftigung ein zentrales Thema. Wenn diese Fragen nicht gelöst werden können, bekommt die EU ein großes Glaubwürdigkeitsdefizit.
In der ÖVP haben sich bereits etliche Spitzenfunktionäre für einen Verbleib von EU-Kommissar Hahn ausgesprochen. Schließen Sie sich dieser Ansicht an?
Johannes Hahn hat seine Sache gut gemacht. Die Entscheidung wird fallen, wenn der neue Kommissionspräsident Österreich auffordern wird, jemanden zu benennen und das Ressort bekannt geben wird.
Haben Sie Verständnis dafür, dass der britische und der ungarische Regierungschef Widerstand gegen einen EU-Kommissionspräsidenten Juncker leisten?
Ich bin dafür, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Soviel ich weiß, hat es eine Vereinbarung gegeben, dass die stärkste Fraktion den EU-Kommissionspräsidenten stellt und daran sollen sich alle halten. Auch das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Handschlagqualität.
EU soll sich um europäische Themen wie Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit kümmern
Was erwarten Sie sich vom künftigen Chef der EU-Kommission, welche Reformen soll er umsetzen?
Ich erwarte von Jean-Claude Juncker, den ich persönlich gut kenne, und er wird es auch tun, dass er die EU dorthin führt, dass sie sich um die wirklich europäischen Themen kümmert wie um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Sie soll sich nicht um jedes und alles kümmern, was Nationalstaaten und Regionen selbst regeln können. Wenn die Regelungswut der europäischen Institutionen nicht reduziert wird, dann habe ich Angst um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Gemeinschaft.
Sie haben zum Minus des Wahlsiegers ÖVP gemeint, dieses sei kein Grund sich zurückzulehnen, es sei aber auch nicht dazu angetan, entmutigt in die nächsten 17 Monate zu gehen. Mit welchen Themen wollen Sie beim Landtagswahlkampf 2015 bei den Oberösterreichern punkten?
Indem wir glaubwürdig nachweisen, dass wir für Oberösterreich arbeiten und gearbeitet haben, dass Oberösterreich auf der richtigen Spur ist. Wir wollen auch signalisieren, dass wir zur Erneuerung in manchen Bereichen und zu einem ständigen Reformprozess bereit sind.
Zum Abschneiden der NEOS haben Sie gesagt, dass die Bäume der NEOS nicht in den Himmel wachsen. Tatsache ist aber, dass diese neue Partei – so wie auch die Grünen – der ÖVP vor allem in den Städten Wähler abspenstig macht.
Das ist bei der EU-Wahl sicherlich passiert. Allerdings waren die Erwartungen der NEOS – und darauf hat sich meine Antwort bezogen – ein zweistelliges Ergebnis. Davon sind sie entfernt. Aber ich nehme natürlich die NEOS als politischen Mitbewerber sehr ernst und wir unterschätzen das keinesfalls.
Muss die Politik der ÖVP in den Ballungszentren urbaner werden?
Selbstverständlich, wir müssen uns intensiv um die Menschen und ihre Anliegen in diesen Räumen kümmern.
Politik muss endlich Reformen weiterbringen
Mit der Arbeit der Bundesregierung – insbesondere in Sachen Hypo Kärnten – sind viele Österreicher unzufrieden. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass die Bundesregierung wieder mehr Zuspruch durch die Bevölkerung bekommt?
Indem endlich das Kapitel Hypo Alpe Adria abgeschlossen wird, bei dem die ÖVP zum Handkuss gekommen ist bzw. der Finanzminister nur Feuerwehr spielen konnte und die Brandstifter eindeutig andere sind. Man muss sich in der Politik wieder intensiv jener Themen annehmen, bei denen in der letzten Zeit nichts weiter gegangen ist. Man muss vor allem die Reformen weiterbringen, denn wenn die Bevölkerung den Eindruck hat, es wird nur blockiert und es herrscht Stillstand und es geht nichts weiter, dann habe ich Verständnis dafür, dass man sich von der Politik abwendet.
Sie haben sich zuletzt für einen Bürokratieabbau und eine Verwaltungsvereinfachung in Österreich stark gemacht. Wie weit soll dieses Vorhaben gehen und wie viel könnte damit eingespart werden?
Ich kann nicht abschätzen, was man einsparen kann. Ich glaube, dass allein in der Doppelverwaltung im Schulbereich 20 Millionen Euro eingespart werden können. Man muss die Einsparmöglichkeiten angehen.
Wann wird die ÖVP den Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl nominieren und haben Sie einen Favoriten?
Zum richtigen Zeitpunkt. Es genügen einige Monate vor der Wahl.