Donnerstag, 21. November 2024
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Schwarz-Grün-Gelb ist out – Türkis-Blau die neue Modefarbe

Farbenspiele © CC Wikipedia/A. Ocram (Ausschnitt)

 

Sebastian Kurz ist derzeit in einer komfortableren Situation als Angela Merkel. Das könnte sich jedoch bald ändern…

Für Angela Merkel war es wohl die schlimmste innenpolitische Schlappe in ihrer 12-jährigen Kanzlerschaft. Als FDP-Chef Wolfgang Lindner am vergangenen Sonntag die wochenlangen Sondierungsgespräche mit der Union und den Grünen abbrach, war schlagartig klar, dass sie keine „Jamaika“-Koalition zu Stande bringen werde.

Auch wenn sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier redlich bemüht, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, dürfte feststehen, dass dem deutschen Wahlvolk Neuwahlen nicht erspart bleiben. Und das bedeutet: Von den Wählerinnen und Wählern wird ein deutlicheres Votum als am 24. September erwartet, damit das Land wieder eine handlungsfähige Regierung bekommen kann.

Aus heutiger Sicht könnte der „Mutti der Nation“- im Gegensatz zum letzten Mal – durchaus ein Wahl-Triumph gelingen: Denn zum einen ist nicht anzunehmen, dass SPD und FDP – jene beiden Parteien, die offensichtlich keine Verantwortung übernehmen möchten und für eine Koalition nicht zur Verfügung stehen – von den Bürgerinnen und Bürgern auch noch gestärkt werden. Und zum andern mutet es unwahrscheinlich an, dass die rechtspopulistische AfD (zuletzt 12,6 %) und die vielerorts ebenso gefürchtete Linke (zuletzt 9,2 %) angesichts dieser kritischen Situation, in die Deutschland gerasselt ist, zulegen werden.

Rot im Abseits

Damit zeichnet sich deutlich ab, dass die CDU und ihre Schwesterpartei CSU, vermutlich auch die Grünen, dazu gewinnen werden. Fraglich ist bloß, ob die drei Parteien auch die erforderliche Mehrheit im Bundestag schaffen können: Sie müssten sich zusammen um mindestens acht Prozentpunkte verbessern, um wieder Koalitionsgespräche führen und eine schwarz-grüne Partnerschaft schließen zu können.

Fest steht jedenfalls, dass Herr Lindner seiner FDP keinen guten Dienst erwiesen hat, denn die wird am nächsten Wahl-Sonntag die große Verliererin sein. Auch wenn es das gute Recht jeder Partei ist, eine Regierungsbeteiligung auszuschlagen – Lindner hat sogar auf den Job des Vizekanzlers verzichtet -, so dürfte das von den FDP-Wählerinnen und -Wählern letztlich negativ bewertet und ihm übelgenommen werden. Vielleicht fliegen die Liberalen – im Worst Case – nach einem kurzen Intermezzo gleich wieder aus dem Bundestag.

Dass sich die deutschen Sozialdemokraten beleidigt in den Schmollwinkel stellen, weil ihr neuer Chef Martin Schulz lediglich eine enttäuschende Performance schafft, irritiert wiederum selbst viele ihre eingefleischten Anhänger. Schließlich wählt man eine Partei, damit sie an die Macht kommt und ihr Programm umsetzen kann. Das Schicksal, sich von vornherein mit der Oppositionsrolle zufrieden zu geben und damit im politischen Abseits gelandet zu sein, teilt die SPD bekanntlich mit der SPÖ, die freilich in Gestalt von Christian Kern schon gerne an der Macht geblieben wäre, jedoch als Nummer Zwei letztlich keinen ernst zu nehmenden Polit-Partner vorgefunden hat, der selbiges hätte möglich machen können.

Ein Pakt mit vielen Fragezeichen

Freilich: Die politische Situation nach den jüngsten Wahlentscheiden da und dort sieht in Österreich völlig anders aus als in Deutschland: Die türkis eingefärbte ÖVP hat zwar mit einem Stimmenanteil von 31,5 % nicht ganz so gut abgeschnitten wie Angela Merkel mit ihrer Union, doch während es für letztere nur ein miserables Ergebnis war, durfte sich Sebastian Kurz als großer Wahlsieger feiern lassen.

Angesichts der realen Kräfteverhältnisse wäre sich im Nachbarland ein Da Capo der Großen Koalition ausgegangen, doch das wollten die Roten keineswegs. Folglich musste sich Merkel gleich zwei potenzielle Partner – Geld und Grün – anlachen, womit sich vom Start weg äußerst komplizierte Verhandlungen abzeichneten. Die ÖVP hingegen, die nach dem 15. Oktober theoretisch zwei bessere Optionen hatte, pfiff von sich aus auf die SPÖ und setzte wild entschlossen auf die Variante Türkis/Blau. Dabei kam ihr zu Gute, dass die Freiheitlichen, deren Wahlprogramm in vielen Passagen dem der ÖVP beinahe aufs Haar glich, im Unterschied zu Wolfgang Lindner offensichtlich unbedingt mitregieren möchten.

Man darf folglich davon ausgehen, dass die Koalitionsgespräche in Österreich erfolgreich abgeschlossen werden – egal, ob schon vor oder erst nach Weihnachten. HC Strache, der bereits zwölf Jahre lang dieser Chance entgegenfiebert, wird sich den Vizekanzler nämlich nicht mehr nehmen lassen.

Taktisch verhandelt der FPÖ-Boss seit Wochen nicht unklug, weil er seinem Gegenüber Kurz so viele Zugeständnisse wie möglich abzuringen versucht, wohl wissend, dass dieser keine Alternative mehr hat und baldige Neuwahlen vermutlich keiner der beiden Parteien etwas brächten. In Österreich wäre im (höchst unwahrscheinlichen) Fall des Falles wahrscheinlich die SPÖ der einzige Profiteur, doch die ist gerade damit ausgelastet, ihre eigenen Wunden zu lecken und sich, so gut es geht, auf die ungewohnte Rolle als Opposition vorzubereiten.

Wer bei dem von maximaler Vertraulichkeit abgeschirmten Wiener Macht-Poker am Ende des Tages gewinnen wird, ist vorerst eben so wenig abschätzbar wie die Frage, welche Bürgerinnen und Bürger zu den Gewinnern des neuen Kurses zählen bzw. welche Gruppen die Verlierer der türkis-blauen Reformvorhaben sein werden. Auch wenn im Zuge der Koalitionsgespräche mit den Blauen noch zahlreiche Unklarheiten zu Tage treten, befindet sich der Kanzler in spe derzeit in einer komfortableren Situation als die deutsche Langzeitkanzlerin.

Sebastian Kurz wird jedoch nicht am Ergebnis der Regierungsverhandlungen zu messen sein, sondern an seinen diversen Versprechen im Wahlkampf. Man darf jedenfalls gespannt sein, ob Österreichs jüngster Regierungschef aller Zeiten den Erwartungen, die er geweckt hat, halbwegs gerecht werden wird oder ob ihn das schwierige Amt nicht doch einigermaßen überfordern könnte. Anders bei Angela Merkel, die ihre Hauptrolle als „Misses EU“ nahtlos weiter zu spielen entschlossen ist: Falls die Kanzlerin eine schwarz-grüne Koalition zu Stande bringt, worauf wir wetten könnten, werden die Deutschen ganz genau wissen, was sie mit ihr bekommen…

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