Euro-Schwemme und Grexit lassen den Frankenkurs explodieren. Mit Negativzinsen will die Schweizer Nationalbank (SNB) entgegensteuern, in den 1970ern war dies gescheitert.
Wie sich doch die Umstände ähneln. Als das zentrale Währungssystem der Nachkriegszeit, „Bretton Woods“, wegen reformunwilliger Länder (wie England) im Sommer 1972 zerbrach, überrollte eine milliardenschwere Dollar-und-Pfund-Welle tsunamiartig den Finanzmarkt Schweiz.
Der Frankenkurs explodierte. Schweizer Güter preisten sich aus dem Markt, das BIP stagnierte. Das veranlasste den damaligen Finanzminister, Nello Celio, am 4. Juli 1972, -8% Negativzinsen auf ausländische Sparguthaben einzuheben (später waren es sogar -40%!). Das Kapital fand aber Schlupflöcher, 1979 musste man klein beigeben und strich die Zinsen wieder.
Warum flieht Kapital in die Schweiz?
Weil das „System Schweiz“ – „ordo-liberale Wettbewerbswirtschaft plus Bürgerrechte“ – nun einmal das stabilste demokratische Land der Welt hervorgebracht hat. In Zeiten wackelnder Währungen, wankender Schuldentürme und glühender Notenpressen grenzt es fast schon an Fahrlässigkeit, europäische Pensionsfond-Gelder nicht ins „Franken-Land“ in Sicherheit zu bringen (um damit Schweizerische Aktien, Anleihen oder Geldnoten zu kaufen).
Oder anders formuliert: Um den Euro zu stabilisieren, müsste Griechenland aus dem Währungsverbund austreten und seine neue Währung gleich um 50% abwerten. Erst dann entspräche der Wert griechischer Güter im Ausland deren Qualität bzw. Innovationsstärke.
Weil Griechenland aber krampfhaft im Euro gehalten wird, wertet nun der ganze Euro um 50% ab. Das sieht man am Beispiel Dollar. Gegenüber dem Greenback hat der schwindelsüchtige Euro seit 2008 (ab der ersten Hellas-Insolvenz) ziemlich genau 50% an Kaufkraft eingebüßt. Von 1,55 Dollar je Euro auf 1,05.
Wohin geht der Franken?
Alleine der Schuldenschnitt 2011 hatte den Frankenkurs in nur vier Monaten von 1,30 CHF je Euro auf Europarität „hochgedroschen“. Nur mit größter Mühe konnte die SNB einen Mindestkurs von 1,20 garantieren. Als dieser heuer am 15. Jänner nicht mehr zu halten war, schnalzte der Frankenkurs binnen Stunden auf 0,98.
Ein neuer, SNB-gestützter Mindestkurs wird so schnell nicht wieder kommen. Noch immer sitzt man in Bern und Zürich auf einem Devisenberg von 500 Milliarden Franken. Nun probiert man es – wie in den 1970ern – wieder mit Strafzinsen auf ausländische Franken-Investments.
Erste Erfolge zeigen sich schon, der Kurs stabilisierte sich bei 1,05. Weil die Wirtschaft sich nach mindestens 1,10 sehnt, ergibt das eine mittelfristige Range von 1,05 bis 1,10 – falls nichts Unerquickliches passiert (Stichwort „Grexit“ oder „Ukraine“).
Wie funktionieren Negativzinsen?
Negativzinsen stellen vieles auf den Kopf: So zahlt die SNB seit dem 22. Januar 2015 auf Spar-Einlagen von Banken keine Zinsen mehr, sondern hebt welche von –0,75% ein. Wer (im Franken) spart, der zahlt (also eine Sicherheitsprämie).
Genauso verkehrt läuft es für Kreditnehmer. Mussten die in den letzten paar Tausend Jahren Zinsen auf ihre Schulden bezahlen, so erhalten sie nun welche. Genau genommen sind es 0,8% im Jahr, wenn man sich bei der SNB Schweizer Franken leiht (3-Monats-Libor, CHF).
Will heißen: Wer bei seinem Frankenkredit als Kondition „1,5% Aufschlag auf den 3-Monats-CHF-Libor“ vereinbart hat, zahlt heute insgesamt nur mehr 0,7% (im Jahr!). Denn die Hausbank erhält für den Kredit von der staatlichen SNB ja 0,8% geschenkt.
Wo ist der Unterschied zu 1972?
In den 1970igern belastete man pauschal alle Sparbücher von Devisenausländern mit Strafzinsen. Viele steckten ihr Geld daher einfach in Aktien und Anleihen, was auf den Börsen Blasen entstehen ließ und die Realwirtschaft schädigte.
Heute werden nur Girokonten bei der staatlichen SNB mit Strafzinsen belastet, auf denen Geschäftsbanken ihre Barmittel zwischenparken (müssen). Damit ist eine Flucht unmöglich: Kauft ein Institut aus solchen Barmitteln beispielsweise Anleihen, so verringert sich zwar das Guthaben dieser Bank bei der SNB. Dafür erhöht sich aber das Guthaben jener Bank, welche die Anleihen verkauft hat.
Der einzige Weg, der Zinsfalle zu entkommen, ist der absolute Verkauf von Franken ins Ausland (etwa gegen Euro oder Dollar). Das würde den Frankenkurs schwächen und wäre damit hoch willkommen.
Was passiert im schlimmsten Fall?
Bei einem (chaotischen) Grexit – die Wahrscheinlichkeit dafür liegt sicher höher als die öffentlich angedeuteten 30% – würden auch Negativzinsen von 3% nicht mehr helfen. Franken-Sparer würden einfach auf Franken-Bargeld ausweichen. Und Ausländer würden panikartig und direkt die Zürcher Börse leerkaufen. Der Franken könnte auf 0,80 Euro explodieren. Glühende Notenpressen und heiße Finanzblasen wären die Folge.
Ähnlich schlimm auch ein heißer Krieg in Osteuropa oder der Kriegseintritt der (neuerdings europäischen) Türkei in Syrien.
Kommt das Bargeld-Verbot?
(Relativ) Geheime Dokumente Schweizer Ministerien sollen für solche Fälle neben der Ausdehnung der Strafzinsen von -0,75% auf -3% und strengen Devisenverkehrskontrollen auch die Besteuerung von Bargeld vorsehen. Das geht nämlich einfacher als man denkt: Hortet jemand 100 Franken bar unter dem Kopfkissen zu Hause und legt sie dann nach einem Jahr auf ein Sparbuch, werden ihm nur 97 Euro gutgeschrieben. Die 3 Euro entsprächen den Strafzinsen auf Girokonten.
Da die Regulierung des Bargelds dem freiheitlich-liberalen Bürgerrechtskanon der Eidgenossen aber arg zuwiderlaufen würde, stehen die Chancen dafür denkbar schlecht.
Was aber auch wieder gut ist. Denn sind es nicht gerade die Bürgerrechte, die die Schweiz zum sichersten Hafen dieser chaotischen Welt macht – und die Eidgenossen zu den glücklichsten Bürgern unseres Erdenrunds?