Dienstag, 3. Dezember 2024
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Sozialbericht: Österreich hat Krise im Vergleich besser gemeistert

Studien zeigen Handlungsbedarf bei Einkommensentwicklung. Unternehmens- und Vermögenseinkommen wachsen stärker als die Arbeitseinkommen.

[[image1]]Der alle zwei Jahre erscheinende Sozialbericht fasst die wichtigsten Maßnahmen und Entwicklungen im Sozialressort zusammen. Darüber hinaus enthält der aktuelle Bericht fünf Studien zu den Themenfeldern Entwicklung und Struktur der Sozialausgaben, Entwicklung und Verteilung der Einkommen, Lebensbedingungen, Armut und Ausgrenzungsgefährdung sowie soziale und wirtschaftliche Lage sechs Jahre nach Krisenbeginn, die vom Wirtschaftsforschungsinstitut, der Statistik Austria und dem Sozialministerium erstellt wurden.

Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen. „Die Studien zeigen jedoch viele Herausforderungen auf“, so der Sozialminister. So steigen etwa seit drei Jahrzehnten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker als die Einkommen aus Arbeit. Auch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zählen zu den höchsten der EU und bei Wohnen und Wohnkosten gibt es große Unterschiede.

Diese Ergebnisse des Sozialberichts verdeutlichen, dass eine Steuerreform unumgänglich sei. Ebenso wichtig sei eine Wohnbauoffensive, um eine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erreichen. Menschen mit geringen Einkommen müssen laut dem Sozialbericht bis zu 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben.

Armut in Österreich sinkt, während sie in Europa steigt

Im Jahr 2013 waren 24,5 Prozent bzw. 122,6 Mio. Menschen in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (2008: 23,7 Prozent). Österreich konnte die Zahl der armuts-oder ausgrenzungsgefährdeten Menschen hingegen um 127.000 verringern. Die Quote ist in Österreich damit von 20,6 Prozent auf 18,8 Prozent gesunken.

Im Sozialbericht wird auch deutlich, dass der Sozialstaat langfristig finanzierbar bleibt. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (Sozialquote) ist mit weniger als 30 Prozent (2013: 29,8 Prozent) seit Jahren stabil. Die Sozialquote ist von 1995 bis 2008 leicht gesunken, in Folge der Krise sprunghaft angestiegen und seit 2009 wieder stabil. Der Anstieg der Ausgaben für Frühpensionen und Invaliditätspensionen konnte bereits reduziert werden und wird sich durch die jüngsten Reformen weiter reduzieren. Es gibt eine steigende Anzahl an älteren Menschen, gleichzeitig steigt aber auch die Wirtschaftsleistung. Daher wird trotz eines Wachstums der Sozialausgaben der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt bis 2030 nahezu konstant bleiben.
Seit drei Jahrzehnten steigen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker als die Einkommen aus Arbeit: nur als Folge der Krise wurde dieses Muster zuletzt 2009, 2012 und 2013 unterbrochen. Die Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen ist jedoch wesentlich höher als die Abgabenbelastung auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen und der Unterschied hat sich seit 1995 noch verstärkt, d.h. die Abgabenbelastung auf Arbeit ist im Vergleich zu Unternehmens- und Vermögenseinkommen weiter gewachsen.

Auch die Einkommensverteilung bei den unselbständig Beschäftigten ist ungleich: Die obersten 20 Prozent der LohneinkommensbezieherInnen bekommen fast die Hälfte des „Kuchens“, die untersten 20 Prozent lediglich zwei Prozent. Das hängt auch mit der Verbreitung von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung und Saisonbeschäftigung zusammen. Auch die Einkommensunterschiede (auf Basis Stundenlöhne) zwischen Männern und Frauen zählen zu den höchsten der EU und zeigen sich auch entlang von Branchen (Stichwort: frauentypische Berufe). Die Teilzeitquote unselbstständig beschäftigter Frauen beträgt 47 Prozent. Das verfügbare mittlere Haushaltseinkommen (Median) bei Ein-Personenhaushalten inkl. aller Erwerbseinkommen, Sozialleistungen etc. und nach Steuern betrug 2013 1.840 Euro pro Monat.

Haushaltseinkommen weniger ungleich und wachsen

Auf die 20 Prozent Haushalte mit den niedrigsten Haushaltseinkommen entfallen acht Prozent des gesamten verfügbaren Einkommens, auf das oberste Einkommensfünftel 37 Prozent. Die Haushaltseinkommen sind seit 2008 um 13 Prozent und damit um drei Prozent stärker als die Inflation gestiegen. Die meisten Haushalte hatten reale Einkommenssteigerungen. Der Grund dafür liegt in der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen. Trotz der Krise gibt es seit 2008 um 66.000 Frauen mehr im Bereich der unselbständig Beschäftigten. Um 30.000 ist die Zahl der selbständig beschäftigten Frauen gestiegen und um 23.000 bei geringfügig Beschäftigten.

Einige Punkte des Sozialberichts hat die Agenda Austria unter die Lupe genommen. Sieht man sich das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen nach erhaltenen Transfers an, zeigt sich folgendes Bild: Die Ungleichheit ist in den vergangenen Jahren keineswegs gestiegen, sondern sogar zurückgegangen. Die Einkommen sind also gleichmäßiger verteilt als in früheren Jahren. Das bestätigen auch Untersuchungen der EU.

Auch bei einem anderen zentralen Punkt des Berichts lohnt es sich, einen zweiten Blick zu wagen. Und zwar an jener Stelle, an der beklagt wird, dass die Lohneinkünfte hinter den Kapitaleinkommen zurückbleiben, woraus Sozialminister Hundstorfer den politischen Auftrag ableitet, „bei den vermögensbezogenen Steuern etwas zu tun“. In absoluten Zahlen sind nicht nur die Kapitaleinkommen gestiegen, sondern auch die Arbeitseinkommen – Erwerbstätige erhalten spürbar mehr Lohn.

Dass Steuern und Abgaben zu viel von den gestiegenen Arbeitslöhnen wegfressen, steht leider nicht im Sozialbericht. Und bisher weigert sich die Regierung in der laufenden Debatte über eine Steuerreform ja beharrlich, auch einmal darüber nachzudenken, wie sie mit weniger Geld auskommen könnte. Vermögen stärker zu besteuern löst das Problem also nicht. Zumal der Anstieg der Einkünfte aus Kapitalvermögen ja nicht zuletzt den überhitzten Aktien- und Immobilienmärkten zu danken ist.
In Österreich ist die Verteilung von Einkommen in den vergangenen Jahren „gleicher“ geworden. Warum ausgerechnet das Sozialministerium diese Entwicklung nicht wahrhaben will, ist schwer zu erklären. Am ehesten wohl damit, dass es ein übergeordnetes Ziel verfolgt: auf Biegen und Brechen neue Steuern einzuführen.

 

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