Donnerstag, 26. Dezember 2024
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Soziologie: „Fake-Science“ oder „reine Lehre“?

Jahresbände der „Annual Review of Sociology“ © CC Wikipedia/Cécile Duteille (Ausschnitt).

Die Soziologie richtet all ihr Denken an einem abstrusen Gleichheitspostulat aus, das sich bewusst über wissenschaftliche Erkenntnisse stellt. Einen beträchtlichen Teil ihrer Energie verwendet sie, um die Wirklichkeit kunstvoll an ihr Ideal anzupassen.

Der Soziologe Nikolaus Dimmel steht mit einem Journalisten der Salzburger Nachrichten vor dem Salzburger Hauptbahnhof, einem sozialen Brandherd. Hier treffen gestrandete Syrer und Iraker auf Tschetschenen-Banden. Für den Soziologen ist klar: „Hier sieht man, was der Kapitalismus von den Menschen übriglässt“ [1]. Der SN-Journalist ist zufrieden. Was sonst sollten Soziologen auch sonst sagen, es ist nichts anderes da (P.S.: die Herkunftsländer der angesprochenen Personen waren allesamt sozialistisch).

Marxistisches Gleichheitspostulat

Dabei war die Soziologie bis zum Ersten Weltkrieg noch eine bürgerliche Wissenschaft. Heute sind Soziologen (mit wenigen Ausnahmen) die „Rechner“ des Marxismus. Für sie sind alle Menschen, Geschlechter und Kulturen exakt gleich talentiert, gleich ehrgeizig, gleich diszipliniert und gleich friedvoll (geboren). Unterschiede seien lediglich anerzogen („sozialisiert“). Und weil alle Weltenbürger ja „total gleich“ seien, müssten sie am Ende des Tages auch exakt gleich wohlhabend sein. Was sie – wie unschwer zu erkennen ist – aber nicht sind. Nie waren („und auch nie sein werden – aber: Psst!“).

Hier beginnt der Umdeutungsauftrag von Soziologen: Besitzt einer also mehr als der andere, dann hat der vom anderen gestohlen, ihn diskriminiert oder ihn zumindest ausgebeutet. Wie niemand anderer verdeutlicht der Kommunist Bert Brecht in seiner Dreigroschenoper das Weltunverständnis marxistischer Ökonomie: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm!“

Kindergarten-Ökonomie

So, als ob Wohlstand verteilt werden würde, wie die Jause einst im Kindergarten. Doch Wohlstand wird erzeugt. Nehmen wir an, von einem Brüderpaar wäre der erste freizeitorientiert, wollte nur 20 Stunden arbeiten und wäre mit einer kleinen Mietwohnung zufrieden, damit er seinen Hobbies (Radfahren und Schitourengehen) täglich frönen könne. Der andere hingegen macht neben seinem Fulltimejob noch Überstunden und zahlt eine Wohnung ab. Mit 65 besitzt der erste nichts, der andere aber ein Vermögen von einer Viertelmillion. Aber beide waren sie glücklich und zufrieden.

Nicht jedoch der Soziologe. Für ihn schrillen die Alarmglocken, mit saftigen Vermögenssteuern soll dem fleißigen Bruder nun wütend genommen werden, um es dem faulen zu schenken, damit alle Menschen wieder gleich wären. Die Schuld für diese „soziale Kluft“ sieht der Soziologe im „verbrecherischen Kapitalismus“, der es abstoßend emsigen Menschen ermöglicht, Vermögen zu erwirtschaften (auf Soziologisch: „andere Menschen zu bestehlen“). Dass der Fleißige mit seinen Steuerzahlungen die Krankenhausaufenthalte (wie auch die Pension) des in der Freizeit oft verletzten Bruders finanziert, das verstehen sie nicht.

Verschwörung gegen Afrika?

Mit Brecht´schem Unverstand gewappnet, teilt die Soziologie nun die ganze Welt in Ausbeuter und Ausgebeutete ein. Wohnungsbesitzer haben viel, Gemeindebau-Mieter wenig. Also haben Erstere sich auf Kosten Zweiterer bereichert. Nordeuropäer sind reicher als Südeuropäer und Industrieländer reicher als Naturgesellschaften (am Amazonas oder Kongo). Also hat der Norden vom Süden gestohlen. Aber welche Fabriken hätten die Schweden den Griechen genommen? Was hätten die Kolonialherren in Afrika gestohlen? [2] Es war ja nie was da [3].

Paradesoziologen wie Jean Ziegler haben da jederzeit die passende Verschwörungstheorie zur Hand: Konzerne finanzierten Tausende Spione, um Afrikas hoffnungsvolle Unternehmer und Techniker unauffällig um die Ecke zu bringen (solch‘ Tobak ist selbst Hollywood zu stark).

Frauen und Männer ident

Weil fast alle Konzerne und technischen Erfindungen auf Männer-Ehrgeiz zurückzuführen sind (und Frauen folglich weniger verdienen), tuscheln Soziologen nun von „gläsernen Decken“ und „Männer-Klüngeln“, mit denen Millionenschaften hoffnungsvoller Maschinenbauerinnen von den Futtertöpfen abgehalten würden. Dabei genügt ein Blick an die Technischen Hochschulen dieser Welt: Es sind dort schlicht keine Frauen (Maschinenbau 8%). Anders freilich bei sozialen Fächern wie der Pädagogik. Dort ist es gerade umgekehrt, aber leider weniger einträglich.

Dass im hochgelobten Kommunismus Frauen seinerzeit in Naturwissenschaften und Technik präsenter waren, ist schnell erklärt: DDR-BürgerInnen konnten ihr Studium nicht frei wählen. Und wer als junge Mutti begierig auf die Zweiraumwohnung eines Plattenbaues schielte, musste halt Physik studieren. Als die Menschen nach 1989 wieder frei wählen konnten, studierten Frauen sofort wieder soziale und technikferne Fächer.

WU Wien: Infantilisierung von Wissenschaft

Auch die Rektorin der sozialistischen WU Wien, Frau Hanappi-Egger, spricht nicht von „den Männern und den Frauen“. Da schwinge „eine biologisierende Beschreibung“ mit. Es gebe maximal unterschiedliche Geschlechterrollen, die durch „geschlechtsspezifische Sozialisationen“ entstünden [4]. Hanappi-Egger steht für einen besorgniserregenden, häretischen Trend im Wissenschaftsbetrieb, hinter die Erkenntnisse der Aufklärung zurückzuschreiten: Wissenschaftlich Erkämpftes durch esoterisch Ideologisiertes zu infantilisieren.

Dass der Millionen Jahre währende Einfluss von Östrogen und Testosteron Frau und Mann nicht nur bei Gewalt, Sexualität und sozialem Verhalten unterschiedlich ticken lässt, ist offensichtlich. Natürlich spielen auch die Kinderjahre eine Rolle. Aber nie so stark, als dass aus Frauen Serienmörderinnen und Vergewaltigerinnen würden und aus Männern Kindergärtner [5] (Das Word-Rechtschreibprogramm unterwellt die Begriffe für weibliche Kriminelle übrigens, weil sie nicht gebraucht werden).

Bildung erblich

Konsequenterweise wird die Erblichkeit von Intelligenz totgeschwiegen [6] und die Korrelation von Intelligenz und Bildungserfolg beharrlich geleugnet [7]. Denn weniger talentierte Schüler steigen nur deshalb nicht auf, weil sie von reaktionären Lehrern diskriminiert worden sind (laut OECD-Soziologen) [8].

Wer mit Hausverstand gesegnet ist (und diesen durch das österreichische Schulsystem bringen konnte), für den sind Vorlesungen in Soziologie die reine Qual. Dem Individuum spricht man die eigene Entscheidungskraft ab, „Gesellschaft“, „Kollektiv“ und „Erziehung“ würden jedem Menschen jene fixe Rolle zuweisen, die er dann zeitlebens brav zu spielen hätte. Ausbruch zwecklos.

Wie erfrischend positiv waren da die Denker der „Österreichischen Schule“ vor knapp 100 Jahren. Ronald Reagan und Alan Greenspan waren stolz, „Austrians“ zu sein. Für sie stand das Individuum im Mittelpunkt, bestimmte der Mensch über sein Leben: was er kaufte, wo er lebte und wie er sein Leben gestalten wollte.

Traurig, dass man heute nach Amerika fahren muss, um die „Austrians“ zu studieren, denn in Österreich ließ die Sozialdemokratie nur die Apologeten dumpfer Weltverschwörungstheorien an die Unis.


[1] „Hier lagern sich Probleme an“, Salzburger Nachrichten, 21. 04. 2015.
[2] Mit Ausnahme Südafrikas konnten bis 1945 nirgendwo nennenswerte Mineralien ausgebeutet werden.
[3] Äthiopien war nie Kolonie und konnte trotzdem keine modernen Strukturen entwickeln.
[4] „Größe und Qualität schließen sich nicht aus“, Raiffeisen-Zeitung, 26. 11. 2015, S. 7.
[5] Seit nunmehr 40 Jahren gibt es in vielen westlichen Ländern Programme, die verstärkt Männer in die Kindergärten holen wollen. Chancenlos. In keinem Land stieg der Anteil von Männern über 3%.
[6] Innere Merkmale (wie auch äußere, Stichwort: „Haarfarbe“, „Statur“) sind zu mindestens 80% erblich; brandaktuelle Massenstudien (Danielle Posthuma/Uni Amsterdam) mit Zehntausenden Probanden bestätigten dies zuletzt Mitte 2017.
[7] Im Jahr 2009 verdichtete Jochen Kramer von der Uni Bonn in einer Metastudie 244 Intelligenzstudien mit über 30.000 Probanden – beginnend 1928 bis 2006 – zur Metaaussage: Intelligenz korreliert mit beruflicher Lernleistung extrem hoch (r = 0.62), ebenso mit Einkommen (0,35) und beruflichem Erfolg (0.33).
[8] „Mädchen und Reiche bei Schulnoten bevorzugt“, Kleine Zeitung, 25. 07. 2013.

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