Donnerstag, 21. November 2024
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Sparer zwischen Blasen und Enteignung

Sparer werden schleichend enteignet, Aktieninvestoren fürchten allmählich das Platzen von liquiditätsgetriebenen Blasen, die private Altersversorgung gerät ins Wanken – und sogar gemeinnützige Organisationen bekommen Probleme. Die Risiken und Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik werden immer deutlicher. Sparer und Anleger dürfen sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.

[[image1]]Die Diskussionsrunde neigte sich ihrem Ende entgegen, der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte die Veranstaltung zur Einweihung des neuen Hauptsitzes der größten europäischen Direktbank in Frankfurt gerade verlassen, da beschrieb der Unternehmer Jürgen Heraeus sehr prägnant, was derzeit Sparern in Deutschland, Österreich und anderen Euro-Ländern mit vergleichsweise robuster Konjunktur widerfährt: „Die Staatsschulden werden auf die Sparer verlagert“.

So lässt sich die gewünschte Konsequenz der sogenannten finanziellen Repression auf den Punkt bringen. Dank künstlich extrem niedrig gehaltener Zinsen entschulden sich die Staaten, da sie immer weniger Zinsen für ihre Schulden zahlen müssen. Sparer hingegen werden schleichend enteignet. Wenn sie es bemerken, ist es in der Regel schon zu spät. Was die führenden Notenbanken derzeit als Krisenmanagement ausgeben, ist nichts anderes als eine dreiste Umverteilung vom Sparer zum Schuldner. Sie funktioniert, wenn die Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Und das ist heute in vielen Ländern außerhalb des südeuropäischen Krisengürtels der Fall. Obendrein müssen die Sparer von ihren Magerzinsen Steuern zahlen. Die Staaten greifen ihren Bürgern also sogar im Fall von realen Kaufkraftverlusten in die Tasche. Neu ist diese subtile Form der Enteignung allerdings keineswegs. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben bereits die USA und Großbritannien auf diese Weise ihre Schuldenlast verringert. Innerhalb von zehn Jahren wurden damals die US-Schulden in Höhe von 116 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nahezu halbiert.

Die Behauptung mancher Regierungen und Notenbanker, die „Rettung“ von Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien, Portugal und Zypern werde die Bürger in den Geberländern nicht belasten, muss vor diesem Hintergrund scheinheilig, wenn nicht gar volksverdummend erscheinen. Jahr für Jahr verlieren Sparer Geld. Und ein Ende der finanziellen Repression ist noch nicht absehbar.

Sparer verlieren weltweit 100 Milliarden Euro pro Jahr

Weltweit entgehen den Sparern durch die politisch gewollten Minizinsen nach Berechnungen der deutschen Deka-Bank mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Dadurch gerät nicht nur die Altersvorsorge der Bürger in akute Gefahr, es steigt zudem das Risiko von Blasenbildungen, wie sie bei Gold sowie auf dem Immobilien- und Aktienmarkt bereits zu beobachten sind.

Selbst glückliche Zeitgenossen, die eine Million angespart haben, können von den Zinserträgen längst nicht mehr leben, sofern sie eine möglichst sichere Anlageform wählen. Denn wer kommt schon mit 15.000 Euro pro Jahr aus, die er obendrein noch versteuern muss? Doch nicht nur private Anleger spüren die Folgen der finanziellen Repression.

Die Minizinsen stellen zudem viele Stiftungen vor Probleme. Jahrelang verfolgten die Staaten das aktive Stiftungswesen durchaus mit Wohlgefallen, solange es sich nicht um Steuersparmodelle handelte. Immerhin stehen Stiftungen für nachhaltiges bürgerschaftliches Engagement. Sie können dort einspringen, wo sich die klammen Staaten zurückziehen müssen. Das Problem: Dem in der Stiftungssatzung verankerten guten Zweck kommen grundsätzlich nur die Kapitalerträge zugute, die mit dem Stiftungskapital erwirtschaftet werden. Davon muss dann freilich noch der Verwaltungsaufwand abgezogen werden. Selbst bei einem Stiftungskapital von zwei Millionen Euro sind bei einer konservativen Anlagepolitik kaum mehr als 30.000 bis 35.000 Euro pro Jahr zu erzielen. Nach Abzug der Verwaltungskosten bleibt da nicht mehr viel übrig für den mildtätigen Stiftungszweck. Die Gründung von kleinen Stiftungen macht derzeit mithin kaum noch Sinn.

Wenn also Zinsen als Ertragsquelle für längere Zeit ausfallen, bleibt eigentlich nur, sich nach alternativen Formen der Kapitalanlage umzuschauen. Und die gibt es tatsächlich. Gefragt sind zum Beispiel Dividendenaktien von international aufgestellten Großunternehmen. Doch auch die bergen ein nicht zu unterschätzendes Risiko. In den vergangenen Monaten floss viel Geld in Aktien – in Europa ebenso wie in den USA und ganz besonders in Japan. Der Nikkei-Index an der Börse in Tokio ist seit November vergangenen Jahres geradezu explodiert. Er stieg von damals 8.700 auf zuletzt 15.600 Zähler, bevor es dann zu einer markanten Korrektur kam. Grund für diese zeitweise atemberaubende Hausse in Japan ist die von der dortigen Regierung und Notenbank ausgelöste Liquiditätsflutung. Japan gilt mittlerweile als das Land mit der aggressivsten Billiggeldpolitik.

Wenn Liquidität zur Droge wird

Aber natürlich profitierten auch die europäischen Aktienmärkte von der Politik des billigen Geldes. „Inflation ist wie eine Droge: Für kurze Zeit macht sie unser Gesellschaft ‚high’“, stellte einmal der ehemalige deutsche Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller (1911-1994) fest. Heute heißt die Droge „Liquidität“, und die macht die Finanzmärkte ‚high’. Sie verlangen nach immer höheren Dosen. Allein der Verdacht, eine der großen Notenbanken könnte die bisher so großzügige Versorgung der Märkte mit diesem Rauschmittel etwas reduzieren, löst – wie unlängst geschehen – ein mittleres Börsenbeben gerade auch in Europa aus. Mit der Sucht nach Liquidität steigt die Volatilität.

Die Aktienkurse würden weiter steigen, weil die Notenbanken an ihrer lockeren Geldpolitik festhielten, ist allenthalben zu hören. Doch die eigentlich logische Frage, was denn passiert, wenn die finanzielle Repression zu Ende geht, wird bemerkenswerterweise selten gestellt. Dabei ließe sie sich einfach beantworten: In diesem Fall wird die Blase mit einem lauten Knall platzen. Das Übermaß an billigem Geld führe zu Fehlinvestitionen und Spekulationsblasen, die in Tränen endeten, ist der Vermögensverwalter Thomas Pfetzing überzeugt.

Somit bleibt eigentlich nur die Frage, wer in Zeiten der finanziellen Repression das größere Risiko trägt – der schleichend enteignete Sparer oder der Crash-gefährdete Aktienanleger.

Bild: Thomas Klauer / pixelio.de/ © www.pixelio.de

 

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