Das Fernduell der beiden älteren Herren, die die heurige Wahl aufgemischt haben, ist entschieden: Obwohl an Stimmen und Mandaten überlegen, hat Parteigründer Frank Stronach gegen NEOS-Sponsor Hans Peter Haselsteiner schon jetzt das Nachsehen. Während die pinke Partei zunehmend Sympathien genießt und sich medial in Szene setzen kann, steuert das bereits heillos zerstrittene Team Stronach zielstrebig auf eine Aufspaltung zu.
[[image1]]Die beiden Neo-Gruppierungen, die mit elf (Frank) bzw. neun Mandataren (NEOS) im Parlament vertreten sein werden, wollen zwar im Prinzip das selbe Ziel erreichen – nämlich Impulse für eine neue Politik setzen – , doch Auftritt, Stil und ihre Chancen sind so unterschiedlich wie die zwei betagten Protagonisten, die dieses Wahlresultat erst ermöglicht haben. Abgesehen vom politischen Engagement, das durchaus Anerkennung verdient, und von ihren unternehmerischen Leistungen, denen Respekt zu zollen ist, sind der 81jährige Stronach und der um zwölf Jahre jüngere Haselsteiner nämlich so verschieden wie Nacht und Tag.
Der Industrielle Frank Stronach, dessen mittlerweile verkaufte Autozuliefergruppe Magna fast 31 Milliarden Dollar umsetzt und 123.000 Mitarbeiter beschäftigt, konnte sich zwar binnen Jahresfrist trotz seiner mühsamen Rhetorik zum Schutzpatron der Protestwähler hochstilisieren. Seine Pläne gingen jedoch am 29. September nicht wie erhofft auf. Der Baulöwe Hans Peter Haselsteiner wiederum, dessen Strabag-Konzern 14 Milliarden Euro schafft und 74.000 Beschäftigte zählt, hat weitaus weniger mit der persönlichen Eitelkeit kokettiert, sondern einer neuen Partei, die seinem Gedankengut nahe steht, moralische sowie finanzielle Hilfe angedeihen lassen, was ja keinem Wirtschaftskapitän untersagt ist. Am Wahl-Sonntag schafften die NEOS eine gewaltige Überraschung.
Wer das Gold hat …
Dass die aus privaten Mitteln finanzierte Mission des einen schon bald scheitern und die großteils auf Idealismus und Engagement basierende Vision des anderen mittelfristig aufgehen könnte, hat zweifellos eine Reihe von Ursachen:
Stronach, der bereits 1988 in Kanada mit einer Kandidatur für die Liberale Partei Kanadas gescheitert war, ist als Polit-Amateur ins kalte österreichische Wasser gesprungen und dabei trotz erstaunlicher Erfolge bei mehreren Landtagswahlen letztlich beinahe ertrunken. Haselsteiner hingegen saß immerhin in den Neunzigern schon vier Jahre für das Liberale Forum im Parlament und hatte als langjähriger Finanzier dieser Partei mehrfach große Enttäuschungen weggesteckt, ohne endgültig zu resignieren.
Der frühere Magna-Boss warb anderen Parteien etliche Abgeordnete ab, um coupartig in das Hohe Haus einziehen zu können. Die bunt gemischte Söldnertruppe bereitete ihm jedoch weniger Vergnügen als erwartet, und alsbald standen Streitereien an der Tagesordnung. Der langjährige Strabag-CEO indes unterstützt das neu formierte Bündnis aus vier Gruppierungen, das vor Engagement strotzt und frischen Wind einzubringen verspricht.
Der gelernte Werkzeugmacher legte die Latte für sein Team verblüffend hoch, als er frühzeitig mit einer Regierungsbeteiligung spekulierte und obendrein seiner blonden Assistentin bescheinigte, sie könnte eine gute Bundeskanzlerin abgeben. Der promovierte Handelswissenschafter signalisierte im Gegenzug lediglich seine Bereitschaft, bei Bedarf ein Ministeramt zu übernehmen, vermied aber sonst jegliche Anzeichen von Größenwahn und Überheblichkeit.
Der gebürtige Steirer Strohsack, der 1954 nach Kanada ausgewandert ist, hat es primär auf Korruption, Berufspolitiker und die so genannten „Funktionäre“ abgesehen. Seine Kernbotschaft „Wahrheit – Transparenz – Fairness“ ermüdete jedoch die Wählerinnen und Wähler offenbar rasch. Der gebürtige Tiroler Haselsteiner, der es vom Schwiegersohn zum Vorstandsvorsitzenden des größten rot-weiß-roten Baukonzerns gebracht hatte, musste als klassischer Liberaler keine starken Worte machen, um zu erläutern, wofür er eigentlich steht.
Der emotionale, stets unberechenbare Austro-Kanadier tappte bei seinen TV-Auftritten in jedes denkbare Fettnäpfchen, ließ keine mediale Todsünde aus („Wollen Sie mit mir streiten?“) und disqualifizierte sich letztlich mit kuriosen Vorschlägen wie Todesstrafe für Berufskiller selbst. Der eloquente Wahl-Kärntner dagegen hielt sich lieber im Hintergrund, blieb mit Ausnahme von kleinen Plakaten nahezu unsichtbar und irritierte als überzeugter Europäer folglich niemanden mit kuriosen Sagern à la Rückkehr zum Schilling.
Der Dollar-, Euro- oder Franken-Milliardär aus der kanadischen Kleinstadt Aurora, dem das US-Magazin „Forbes“ 1,2 Milliarden Dollar attestiert, steckte nahezu 25 Millionen Euro in sein politisches Abenteuer, das Gros davon in Form von Krediten. Er legte allergrößten Wert auf eine opulente Wahlwerbung und nahm dabei das Risiko in Kauf, dass seine zahllosen Inserate allmählich an Personenkult grenzten. Der Milliardär aus Spittal an der Drau, dessen Vermögen vom „trend“ auf 1,1 Milliarden Euro taxiert wird, erwies sich als weit weniger spendabel. Laut „NEOS“-Homepage, auf der jede gespendete Kaffeemaschine verzeichnet ist, stellte er den Pinken lediglich 260.000 Euro zur Verfügung – letztlich genug, um ins Parlament einziehen zu können.
Der passionierte Pferdefreund und notorische Weltverbesserer pflegt sein Team nach dem Motto „Wer das Gold hat, macht die Regeln“ zu behandeln, wobei eine gewisse Cholerik sowie autoritäre Entscheidungen schon jetzt laufend Missstimmung erzeugen. Anders als Stronach überlässt der Kunstmäzen und Philanthrop Haselsteiner, der laut eigenen Angaben nur relativ selten cholerisch zu reagieren pflegt, lieber seinem Frontman Matthias Strolz die Bühne – und die ganze Knochenarbeit.
Der einstige Autozulieferer wird zwar als Abgeordneter ins Parlament einziehen, dort jedoch höchstwahrscheinlich weder oft noch lange weilen, weil das sein bevorzugtes Steuerzahlmodell empfindlich derangieren würde. Seine etwaigen Reden versprechen allerdings schon jetzt hohen Unterhaltungwert. Im Gegensatz dazu wird der langjährige Baumagnat kein Mandat annehmen und stattdessen „sein“ Team möglichst in Ruhe fuhrwerken lassen.
Ohne Gold ka Musi‘
Jetzt kommt das Schlimmste: Stronach, der vielfach für einen großen Gönner und puren Idealisten gehalten wurde, will anscheinend sein Geld, konkret 10 Millionen, zurück, was an sich bei einem Kredit noch nichts Verwerfliches wäre. Seit er jedoch hochrangige Parteigänger durch persönliche Vertraute ersetzt, um Zugriff auf die Landeskassen zu haben, ist im Team Stronach der große Frust angesagt. So manches deutet darauf hin, dass der eine oder andere Abgeordnete oder Landesrat abspringen bzw. zu einer anderen Partei abwandern und Frank bald die Lust an seinem schrägen Polit-Projekt verlieren könnte. Dann würde wohl als neue Devise gelten: Ohne Gold ka Musi‘.
Das Team Stronach, das laut Ersatz-Parteichefin Kathrin Nachbaur auf Bundesebene gerade mal sechs Mitglieder hat – sogar weniger als Abgeordnete – , steht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur vor einer Zerreissprobe, sondern muss zugleich um seine Glaubwürdigkeit bangen: So mancher Wähler, der dem bissigen Frank eine Chance geben wollte, dürfte sich nunmehr gefrotzelt fühlen ob des politischen Stegreiftheaters vor aller Augen. Die Frage, ob Stronach eher seine Anhänger oder ob sich diese in ihm getäuscht haben, ist dabei schon sekundär. Kurzum: Wenn Stronach weiterhin den sturen Opa mimt, der die heimische Innenpolitik als persönliche Spielwiese betrachtet und seine Mandatare wie Marionetten behandelt, braucht ihn Österreich so dringend wie einen rostigen Nagel im Knie – selbst wenn er das Parlament mit einer ehemaligen Miss World verschönern will.
Die NEOS freilich, die sich in einer weitaus günstigeren Situation befinden, haben das Match ebenfalls noch längst nicht gewonnen. Sie werden erst abtesten müssen, ob ihre Bündnispartner LIF, JuLis (Junge Liberale) und OPÖ (Online Partei Österreichs) tatsächlich kompatibel sind oder eher ständige Rangeleien heraufbeschwören. Die Wahlplattform braucht weiters landesweit funktionierende Strukturen, die erst nach und nach aufzubauen sind. Schließlich ist der baldige Nachweis zu erbringen, dass die ambitionierten Programmpunkte der „Neuen Österreicher“, die bekanntlich „Klartext reden und die Demokratie beleben“ wollen, auch angepeilt werden und nicht leere Phrasen bleiben.