Donnerstag, 21. November 2024
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Syrien-Einsatz ohne Großbritannien – aber Frankreich macht mit

Frankreichs Präsident Hollande hat den USA seine Unterstützung zugesichert. Großbritannien – ehemals treuster militärischer Verbündeter Washingtons – beschäftigt sich jetzt mit der eigenen schweren Führungskrise.

[[image1]]Die erste Reaktion aus Washington klang versöhnlich: man werde Großbritannien „einen unserer engsten Verbündeten und Freunde“ auch weiterhin konsultieren, verlautete aus der US-Regierung. Das war allerdings nur ein Trostpflaster für den britischen Premier David Cameron, nachdem das britische Unterhaus in der Nacht zum Freitag mit  285 zu 272 Stimmen gegen eine britische Beteiligung an einem Militärschlag in Syrien gestimmt hatte.  Frankreichs Präsident Francois Hollande versicherte dagegen unverzüglich, das Votum des britischen Parlaments ändere nichts an seiner Überzeugung, dass die Notwendigkeit zum handeln auch weiterhin bestehe, notfalls auch ohne ein UN-Mandat. Deutschland erklärte – wenig überraschend – dass es nicht mitmachen werde: „Eine solche Beteiligung ist weder nachgefragt worden noch wird sie von uns in Betracht gezogen“, erklärte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. In London wird spekuliert, dass die USA sich aus politischen Gründen bei ihrem künftigen Vorgehen in der Syrienkrise nun verstärkt um Schützenhilfe aus befreundeten arabischen Staaten bemühen dürften. Die Waffeninspekteure der UN haben ihre Untersuchung des Giftgaseinsatzes vom 21. August in der syrischen Region Ghuta noch nicht abgeschlossen.

Was wird aus der Special Relationsship von Großbritannien und den USA?

Mit seinem Votum hat das britische Unterhaus Geschichte gemacht. Denn es gibt keinen einzigen Präzedenzfall in jüngster Zeit bei dem ein Premier in der Frage eines kriegerischen Einsatzes im Parlament niedergestimmt worden wäre. Britischen Medien zufolge geschah es zuletzt 1782, dass ein Premier eine derartige Abstimmung verlor. Zum ersten Mal seit dem Vietnam-Krieg wird Großbritannien nun militärisch nicht an der Seite seines Verbündeten USA kämpfen. Stets waren die Briten in den letzten Jahren dabei, wenn Amerika in den Krieg zog. Verteidigungsminister Philip Hammond räumte in einem Fernsehinterview nach dem Unterhausvotum deshalb ein: „Mit Sicherheit wird dies einigen Druck auf die Special Relationsship zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA ausüben“. In der konservativen „Times“ hieß es: „Das ist eine Katastrophe für die Regierungen in Washington und in London, am Schlimmsten aber ist es für die Menschen in Syrien“.

Großbritannien – obwohl nur eine Nation mittlerer Größe – betrachtete es bisher in der Tradition des British Empire als Teil der eigenen Identität, weltpolitisch Einfluss nehmen zu können.  Nun wird das Vereinigte Königreich seine außenpolitische Rolle neu überdenken müssen. Und Cameron selbst kann damit international nicht länger als ein politisches Schwergewicht gelten, denn nun hat er im eigenen Land die Kontrolle über die Außen- und Sicherheitspolitik verloren. Das ist besonders heikel, weil die USA in den vergangenen Monaten ja schon mehrmals angemahnt hatten, dass sie einen eventuellen Austritt Großbritanniens aus der EU als großen Fehler betrachten würden. Widerholt hatte Obama betont, ohne die EU-Mitgliedschaft werde die Bedeutung Großbritanniens für die USA geringer.

Camerons Autorität beschädigt

Cameron ist unversehens in die tiefste Krise seiner bisherigen Amtszeit getrudelt Nicht nur außenpolitisch sondern auch innenpolitisch hat das Ansehen des Premiers schweren Schaden genommen. Britische Kommentatoren sprachen einhellig von einer tiefen Demütigung und der Führungsschwäche des Premiers, nachdem es ihm nicht einmal gelungen war, alle Abgeordneten seiner eigenen konservativen Partei zu überzeugen. 44 Mitglieder der eigenen Partei stimmten gegen ihn oder enthielten sich der Stimme, zum Teil waren diese identisch mit den Europa-Rebellen, die ihm schon in der Vergangenheit in den Rücken gefallen waren. Ein Abgeordneter rief lauthals „Treten Sie zurück“ als das Abstimmungsergebnis im Unterhaus verlesen wurde. Doch enge Vertraute des Premiers zeigten sich zuversichtlich, dass es gelingen werde, ein Mißtrauensvotum zu vermeiden. Oppositionschef Ed Miliband triumphierte. „Mr Cameron kann das überleben, aber er wird seine Autorität von früher nie wieder zurückgewinnen“, kommentierte das Boulevardblatt „The Sun“.

Irak-Trauma verantwortlich

Eigentlich hätte Cameron das Parlament gar  nicht abstimmen lassen müssen, verfassungsrechtlich war dies jedenfalls nicht notwendig, denn aufgrund des „Royal Prerogative“ kann ein britischer Regierungschef auch ohne die Zustimmung des Parlamentes militärische Einsätze befehlen. Insofern war hatte die  Entscheidung nur symbolische Bedeutung, aber politisch machte sie Sinn, weil die britische Öffentlichkeit vom Trauma des Irak-Krieges gezeichnet eine wachsende Skepsis gegen einen Militärschlag in Syrien demonstrierte. Meinungsumfragen zeigten, dass Dreiviertel der Bevölkerung ernste Bedenken gegen einen britischen Einsatz in Syrien hegen. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Bisher ist ja noch nicht geklärt, ob das Assad-Regime wirklich für den Giftgaseinsatz am 21. August verantwortlich war. Kritiker warnen, eine eng begrenzte militärische Intervention könnte sich als kontraproduktiv erweisen, da das Regime seine Giftgasarsenale bereits in Sicherheit bringen und möglicherweise sogar menschliche Schutzschilde installieren konnte. Angesichts der Unübersichtlichkeit der Lage sei es auch möglich, dass ein Militärschlag des Westens gegen Assad unbeabsichtigt die Al-Kaida-Fraktionen innerhalb syrischen Rebellengruppen stärken könnte. Vor allem aber sind die geopolitischen Folgen eines Syrien-Einsatzes bisher nicht kalkulierbar.

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