Während ein militärischer Einsatz gegen Syrien näher rückt, sind sich die Europäer immer noch uneinig über ihre Haltung. Syrien könnte zum größten Testfall der gemeinsamen Außenpolitik werden, seit diese mit dem Vertrag von Lissabon im Dezember 2009 ins Leben gerufen wurde.
[[image1]]Die EU-Außenbeauftrage Catherine Ashton hat Anfang der Woche ihre Haltung deutlich gemacht. Sie beruft sich auf den Sicherheitsrat der UN, der eine Entscheidung treffen muss.
Andere Mitgliedsstaaten, vor allem Großbritannien und Frankreich, wollen sich dagegen auch ohne UN-Mandat an die Seite der USA stellen und in Syrien militärisch eingreifen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagt über den Giftgaseinsatz in Syrien: „Die einzige Option, die ich ausschließe, ist nichts zu tun.“ Großbritanniens Außenminister William Hague schlägt ähnliche Töne an: „Wir können den Einsatz chemischer Waffen im 21. Jahrhundert nicht einfach hinnehmen.“
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy plädiert wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle dafür, die Untersuchung der UN-Experten abzuwarten, um mit absoluter Sicherheit zu wissen, wer für den Giftgaseinsatz überhaupt verantwortlich war. Doch es könnte dauern, bis die Ergebnisse vorliegen. Die USA wollen so lange nicht warten. Die Regierung von Barack Obama sagt, sie verfüge über Geheimdiensterkenntnisse, die die Schuld des Regimes von Bashar Assad belegten.
Bürger sehen militärischen Einsatz sehr kritisch
In Großbritannien muss sich noch herausstellen, ob das Parlament den Kurs von Premier David Cameron deckt. Am Donnerstag Abend stimmen die Abgeordneten im Unterhaus über eine angemessene Antwort auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ab. Cameron hat inzwischen angekündigt, dass es eine separate Abstimmung geben wird zur Frage, ob sich Großbritannien am Einsatz militärisch beteiligen wird. Die Bevölkerung hat er nicht auf seiner Seite: Nur 25 Prozent unterstützen einer Meinungsumfrage zufolge Luftschläge gegen das Regime von Assad.
In Frankreich steht die Bevölkerung einem militärischen Einsatz ähnlich skeptisch gegenüber. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Ifop würden nur 41 Prozent diesen begrüßen, gefragt wurde allerdings nach einem Einsatz unter dem Dach der UN. Eine Beteiligung ohne UN-Mandat würde vermutlich noch kritischer gesehen.
In Dänemark, das sich interessanterweise auch auf Seiten von Frankreich und Großbritannien geschlagen hat, kann die Regierung ebenso wenig mit der Unterstützung der Menschen rechnen. 64 Prozent der Dänen haben sich in dieser Woche in einer Umfragen gegen eine Beteiligung an einem Militäreinsatz ausgesprochen.
Viele Staaten warten ab
Viele EU-Mitgliedsstaaten haben noch nicht eindeutig Stellung bezogen, so lange es keine Entscheidung der UNO gibt. „Italien wird ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrat nicht an militärischen Lösungen teilnehmen“, hat etwa die italienische Außenministerin und frühere EU-Kommissarin Emma Bonino wissen lassen und darauf hingewiesen, dass selbst ein beschränktes Eingreifen länger dauern könnte, als geplant. Spanien hat noch keine Entscheidung getroffen und wartet ebenfalls die Entwicklungen in der UNO ab. Portugal hält sich bedeckt.
Der größte EU-Mitgliedsstaat Deutschland drückt sich ebenfalls um eine klare Ansage. Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Außenministerium haben begrüßt, dass Großbritannien den Prozess für ein UN-Mandat angestoßen hat. Im Wahlkampf bemüht sich die Regierung das Thema kleinzuhalten.
Wenn die USA mit den drei potenziellen europäischen Verbündeten kommende Woche tatsächlich militärisch eingreifen will, dann wird das unter den europäischen Ländern erhebliche Spannungen auslösen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte seit Monaten betont, der syrische Konflikt könne nur diplomatisch, nicht aber militärisch gelöst werden. Ende Mai hatten die EU-Außenminister in einer dramatischen Sitzung in Brüssel erst nach langen Verhandlungen eine gemeinsame Linie zum Aufhebung des Waffenembargos gefunden, das vor allem Österreich verhindern wollte. Sollte es zum Militärschlag in Syrien kommen, wird sich eine gemeinsame Linie Europas nicht mehr finden lassen. Die Frage, welchen Wert die gemeinsame Außenpolitik hat, wird sich aufs Neue stellen.