Sonntag, 22. Dezember 2024
Startseite / Allgemein / Syrizas Griechenland: Wie Venezuela ohne Öl

Syrizas Griechenland: Wie Venezuela ohne Öl

Mit Syriza steht erstmalig seit dem Niedergang des Ostblocks wieder eine marxistische Partei an der Spitze eines europäischen Landes. Um den griechischen Sozialismus zu finanzieren, fehlen zwar Erdölvorkommen (wie in der Sowjetunion), dafür hat man aber Deutschland – glauben viele Griechen.

Die Mehrheit der Europäer wünscht sich ein „neues System“. Man hofft auf jene linken Utopien, mit denen unsere Jugend seit Jahrzehnten in Schulen, Universitäten und Kirchen konfrontiert wird. Aus dem Nahbereich grüner und sozialistischer Parteien hat die Eurokrise in Griechenland nun eine linksradikale Bewegung an die Spitze eines Landes gespült.

Rotgrüne Tagträume

So wie Christian Felber in seiner Gemeinwohl-Ökonomie von 20-Stunden-Wochen ohne Lohnausgleich, von profitlosen Banken ohne Zinsen und einer verstaatlichten Industrie ohne Armut phantasiert (was bei seiner wirtschaftsfernen Zuhörerschaft für frenetischen Jubel sorgt), so träumt Syriza vom roten Hellas als Speerspitze eines sozialistischen Europas.
Dabei ist das ohnedies fast immer sozialistisch regierte Hellas heute schlicht zahlungsunfähig. Trotzdem will Tsipras weitermachen wie bisher:
Zwei Milliarden Euro will er für neue Sozialleistungen (Stromzuschüsse und Krediterlässe  überschuldeter Haushalte) ausgeben. Privatisierungen als eigener Beitrag zur Geldaufbringung sollen gestoppt, 6.000 Beamte wieder eingestellt werden. Für jährlich fünf Milliarden Euro sollen 300.000 neue, subventionierte (Staats-)Jobs geschaffen werden.
Und die Renten, welche in acht Jahren Schulden-Party real verdoppelt wurden, sollen auch gleich kräftig erhöht werden. Selbstredend auch Beamtengehälter und Mindestlöhne.

Hausfrauen-Keynesianismus

Wer sich nun verwundert die Augen reibt, besitzt wohl wirtschaftlichen Sachverstand. Den anderen erklären es die „Keynesianer“ von der sozialwissenschaftlichen Fakultät: Die zusätzlichen Staatsausgaben sollen mit neuen Euro-Krediten (u.a. aus Deutschland und Österreich) bezahlt werden. Das solcherart stimulierte Wirtschaftswachstum soll dann jene Steuern generieren, mit denen man die Schulden wieder tilgen kann.
Unglücklicherweise hat nur genau dieser Plan noch nie funktioniert. Denn Griechenland hat ja (bis auf ein paar Lebensmittelwerke wie Brauereien) gar keine Industrie. Das von Nordeuropa geborgte und als Wahlgeschenk verteilte Geld hat nach Auszahlung an den braven griechischen Wähler stets sofort Kurs auf die alte Heimat genommen – um etwa schöne, deutsche Autos zu importieren. Lediglich die Schulden blieben im Süden.
2005  standen griechischen Exporten von 17 Milliarden Euro Importe von 50 Milliarden gegenüber. 800.000 Beamte und kaum Steuereinnahmen (Österreich: 300.000) – das hält kein Land der Welt auf Dauer aus.

Profiteur Deutschland?

Die Linke wirft „den Nord-Europäern“ vor, mit dem harten Euro die Wettbewerbsfähigkeit des Südens verschlechtert und damit die eigenen Exporte beflügelt zu haben. Das stimmt – war aber nicht beabsichtigt.
Tatsächlich hat der Euro die Zinsen spanischer oder griechischer Staatsanleihen (von 12%) auf das Niveau von DM-Anleihen (4%) heruntergebracht. Die verringerte Zinsenlast wurde dort aber nicht zur Schuldentilgungen oder für die Infrastruktur verwendet, sondern im Massenkonsum verbraten. Zusätzlich hatten die unwiderstehlich billigen Eurokredite Regierungen in Spanien, Griechenland und Co verführt, Pensionen, Beamtengehältern und Sozialleistungen auf nordeuropäisches Niveau anzuheben.

Hellas teurer als Deutschland

Dass die griechischen Lohnkosten in nur acht Jahren um über 30% explodiert waren (Deutschland 22%) – dafür konnte der deutsche Michel nichts. Auch nicht, dass seine Unis weniger Politologen, Sozilogen und Philosophen ausspuckten denn tüchtige Maschinenbauer, Elektrotechniker und Informatiker.
Und wer kann es dem Hersteller guter Produkte verübeln, wenn er in Griechenland immer bessere Geschäfte macht? Hätte Mercedes auf die griechische Regierung einwirken sollen, weniger gepumptes Geld an die eigenen Bürger zu verteilen?

GWÖ: Sündenbock Bank

Wie Europas Gewerkschaften hatte auch „Österreichs Tsipras“, Christian Felber, 2006 lautstark „Zinsen runter!“ gefordert, damit sich die Staaten für Sozialleistungen billiger verschulden konnten.  Es war genau diese Naivität, die Euro- und Schuldenkrise ausgelöst hatte.
Diese Schuld des Sozialismus an Finanzkrisen schiebt man in Europa traditionellerweise dann gerne listig auf den Kapitalismus. Im ökonomisch ungebildeten Europa braucht man dazu (wie 1929) nur das Bild von Banken konstruieren, welche durch die Kreditvergaben profitiert hätten.

Deutschland zahlt – nicht mehr

Natürlich ist die Europäische Union auch gegründet worden, um deutschen Wohlstand zur Wiedergutmachung an ehemalige Opferländer umzuverteilen. Das hat im Wege von Agrarsubventionen und Strukturhilfen bisher auch ganz gut (weil unauffällig) geklappt.
Und wer will es südlichen Ländern schon verdenken, auf diesem Wege von der nördlichen Tüchtigkeit zu profitieren? Deshalb aber auf eigene Reformen – etwa bei den Arbeitsmärkten – zu verzichten und sich stattdessen von Deutschland (das sehr schmerzhafte Arbeitsmarkt-Reformen umgesetzt hatte und dann aufblühte) aushalten zu lassen, übersteigt die Leidensfähigkeit des deutschen Wählers.
Da hilft es auch nichts, wenn man in Athen Plakate schwenkt, die Merkel mit Hitlerbärtchen zeigen und eine frustrierte Journaille alte Weltkriegshadern wieder aufwärmt. Deutschland lässt sich nicht mehr einschüchtern. Dazu hat es in der langen Zeit seit 1945 schon zu viele große (und großzügige) Taten vollbracht.

Die Rückkehr des Kommunismus

Syriza, Linkspartei, Podemos und Gemeinwohl-Ökonomie: Die neuen, linksradikalen Bewegungen Europas haben ihren ideologischen Ursprung in den seit den 1960ern massiv ausgebauten Gesellschaftswissenschaften. Syriza wurde 2004 als Sammelbecken kommunistischer, trotzkistischer und öko-marxistischer Splittergruppen geboren. Wie alle eint sie der Hass auf Kapital, Konzerne, Reiche und eine liberalisierte Welt.
Wie ihr Vorbild Marx haben sie zuerst meist ein Gymnasium, dann ein marxistisches Studium (vorzugsweise Politologie, Philosophie oder Soziologie) absolviert. Nun arbeiten sie (wieder) beim Staat, oft bei Medien. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu Naturwissenschaften, Zahlen  generell und sind –  ganz reaktionär formuliert – mit Hausverstand oft unterversorgt.

Erwachsen werden heißt, seine Rechnungen selber zu bezahlen. Syriza wiederbelebt gescheiterte Gesellschaftsmodelle, ohne dazu aber wie früher auf die Ausbeutung von Bodenschätzen oder mitteleuropäischen Steuerzahlern hoffen zu können.
Man ahnt (nicht zu Unrecht): Scheitert Syriza, wird der Kapitalismus – wie einst in der DDR – ja doch wieder aus der Patsche helfen. Sind wir denn schließlich nicht alle Europäer?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie auch interessieren

Brüssel macht mal Pause: Im August ist die EU geschlossen

Erster Lokalaugenschein, Dienstag, 04. August  2015: Die Spitzenmeldung auf der Homepage der EU-Kommission ist grade mal 14 Tage alt und lautet: „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“. Abgesehen von zwei erfreulichen Nachrichten vom Vortag -  „EU stellt weitere 116,8 Mio. Euro für Tunesien bereit“ bzw. „Kommission stellt 6 Mio. Euro für humanitäre Hilfe in Libyen bereit“ - ist kaum Aktuelles zu erfahren.