In einem Land wie Frankreich, von Friedrich Sieburg als „durch und durch katholisch und dem Genuss verfallen“ beschrieben[1], dürfen in puncto Moral besondere Maßstäbe gelten. Der ehemalige Präsident der Französischen Republik, Félix Faure, verschied im Elysée-Palast in den Armen seiner Geliebten. Francois Mitterrand brachte es fertig, per Testament anzuordnen, dass Ehefrau und Mätresse hinter seinem Sarg zusammen mit seinen drei Kindern Aufstellung nähmen. Mit Francois Hollande, dem Louis Philippe der Fünften Republik, hat das Sittengemälde der traditionsreichen demokratischen Monarchie mit dem Namen Frankreich eine neue Kolorierung erhalten.
[[image1]]Hollande, der mit der ehemaligen Ministerin Ségolène Royal vier Kinder in die Welt gesetzt hatte, erkürte die Paris Match Journalistin Valérie Trierweiler zur Première Dame de France. Letztere als politische Klatschjournalistin in Frankreich seit Jahren auf „Du“ mit der politischen Klasse, hielt es für müßig, sich von ihrem Ehemann offiziell zu trennen und begann so das frohgemute Leben an der Seite jenes Mannes, der als Generalsekretär der Sozialistischen Partei Frankreichs diese politische Organisation wie einen permanenten Vermittlungsausschuss geführt hatte. Hollande, ein Mann mit unverkennbar jovialer Körperform und schlechtsitzenden Krawatten, hatte es allen zeigen wollen. Wie schon bei der letzten Präsidentschaftswahl, bei der er als der ungeeignetste der Kandidaten der Französischen Sozialistischen Partei überraschend zum richtigen Zeitpunkt die passenden Worte fand. Er verfügt weder über Konzepte noch Inhalte, dafür aber umso mehr über den siebten Sinn für das politische Timing im Sinne von Jean La Fontaine, „Il ne sert à rien de courir il faut partir à point.“[2]
In dieser Erkenntnis überließ Hollande, seiner damals in den Umfragen hoch favorisierten Lebensgefährtin Ségolène Royal, die Präsidentschaftskandidatur 2007. Nach fünf Jahren Sarkozy hatte er dann ein leichtes Spiel. Denn dessen Bilanz war in allen Punkten negativ. Sein Wahlprogramm mit dem Titel „Der Wechsel jetzt“ war ein Sammelsurium von Bekenntnissen zu keynesianischer Wirtschaftspolitik sowie zur Entwicklung „des ländlichen Raums“ und dies stets verbunden mit den Treuebekenntnissen zum großen Kontinuum französischer Politik, seiner Atomstreitmacht und dem Anspruch, Weltmacht zu sein.
Seine ersten Gehversuche als gewählter Präsident kamen aus dem Stolpern nicht heraus. Hollande, obschon in Kenntnis des katastrophalen Zustands der öffentlichen Finanzen, stellte im staatlichen Bildungssystem tausende neue Lehrer ein und erhöhte auch die Stellen der nationalen Gendarmerie; alles Maßnahmen, die sich aus budgetärer Sicht durch nichts rechtfertigen ließen und im Finanzministerium Entsetzen hervorriefen. Nach eineinhalb Jahren und ewigem Hin und Her sowie eines parcours in politischer Equilibristik, der seines Gleichen sucht, hatten die Popularitätswerte den absoluten Tiefstand der Geschichte der Fünften Republik erreicht. Nur noch 15% der Franzosen konnten Positives an der Amtsführung des Präsidenten finden. Kein Wachstum, grassierende Arbeitslosigkeit, unkontrollierte Staatsverschuldung und über alle relevanten sozialen Gruppen des Landes hinweg ein Motto: Besitzstandwahrung.
Der Absatz des vom Präsidenten benutzten Motoradhelms stieg rasant an
Die Erwartungen an Hollande bei der traditionellen ersten Pressekonferenz im neuen Jahr waren also hoch und zwar umso höher, als die Pariser Klatschpresse zutreffenderweise über seine regelmäßigen Fahrten, versteckt unter einer Motoradhaube, in die 200 Meter vom Elysée-Palast entfernte Rue du Cirque berichtet hatten. Dort tröstete die Schauspielerin Judy Gayet, in einer hierfür angemieteten Wohnung, den politisch ramponierten Präsidenten über den Popularitätsverlust bei seinen Landsleuten nachhaltig hinweg. Nach der Veröffentlichung, die vom Elysée nicht dementiert wurde, besserte sich die Auftragslage für ein Unternehmen. Der Absatz des vom Präsidenten benutzten Motoradhelms stieg rasant an. Die Pressekonferenz am 14.01. glich dagegen mehr einer Verkündigung als einem Maßnahmenkatalog. Nun soll es einen „Strategischen Rat für öffentliche Finanzen“, bestehend aus den fünf wichtigsten Ministerien, geben, der einmal im Monat zusammenkommt, um in den kommenden drei Jahren jeweils 17 Milliarden Euro zu sparen. In einem Land mit ungefähr 2 Billionen Euro Staatsausgaben (also 56% des BiP) sollte diese Summe leicht einsparbar sein. Indessen wird sich Hollande einer anderen Methode bemüßigen müssen, um derartige Ausgabenkürzungen zu realisieren ohne einer Interessengruppe auf die Füße zu treten. Derweil meldet der Hohe Rat für öffentliche Finanzen, dass das strukturelle Defizit entgegen der Finanzplanung des Finanzministeriums um 1% höher ausgefallen ist und damit bei 2,6% des BiP liegt[3].
Die Realität fordert die Ankündigungen des Französischen Staatpräsidenten also heraus. Während Premierminister Ayrault noch vor der Wahl von Hollande verkündet hatte, dass die Europäer die Austeritätspolitik leid seien, wird Hollande nun detailliert festlegen müssen, wo und von wem die Sparbeiträge zu erbringen sind. Hierfür sind in personeller Hinsicht die Voraussetzungen im französischen Finanzministerium geschaffen worden. Der neue Direktor der Haushaltsabteilung, Denis Morin, zählt im Unterschied zum Amtsinhaber des Minsteriums, Moscovici, zu den besten Technokraten, die die Sozialistische Partei aufbieten kann.
Das Ausland applaudierte laut, als Hollande seinen fiskalischen Tatendrang verkündete. Nun fürchten die Franzosen die Konsequenzen und die Finanzmärkte erwarten Taten.
Zwischenzeitlich geht das Liebesfeuilleton in Paris weiter. Die erste Frage des dienerhaft auftretenden Journalisten in der Januar Pressekonferenz im Elysée-Palast, ob Valérie Trierweiler noch die erste Dame Frankreichs sei, wollte Hollande „an dieser Stelle“ und „zu diesem Zeitpunkt“ nicht beantworten. Er beließ es mit dem Hinweis darauf, dass sich seine ehemalige Gefährtin in Erholung befände. Er hätte auch ohne Weiteres die Umstände dieser Erholung beschreiben können. Trierweiler hat nämlich infolge der Veröffentlichungen über die Liebschaften von Hollande nicht nur einen Nervenzusammenbruch erlitten, sondern sich einen kapitalen Wutausbruch geleistet, während dessen sie mit rasender Wildheit teure Vasen im Elysee-Palast, wo sie ein Büro unterhält, zerschlagen hatte. Ärzte mussten herbeigerufen werden, um per Injektion eine Sedierung der guten Frau herbeizuführen. Seitdem befand sie sich, nach zwischenzeitlicher Schlafkur im Krankenhaus, in der persönlichen Erholungsstätte des Präsidenten unweit von Versailles. Auf Staatskosten selbstverständlich.
[1] Vgl. Sieburg, Gott in Frankreich, 1929
[2] “Man muss zum richtigen Zeitpunkt starten.”
[3] Avis, 13.11.2013, Ziffer 3